30 Ist okay.

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┊  ┊  ┊          ★ ISABELL

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Es war absolut ruhig in Harrys Perwoll-Haus.

Zuerst war das ungewöhnlich, denn in der WG gab es immer irgendwelche Geräusche und wenn es nur der Wind war. Normalerweise irritierten mich Geräusche dieser Art, aber die Stille tat es ebenfalls. Also legte ich meine CI's ab und breitete mich in Harrys Wohnzimmer aus. Dort nutze ich den mächtigen Esstisch und die Couch.

Ich hatte sämtliche Bücher, die ich für meine Bachelorarbeit brauchte, ausgeliehen. Fizzy war so lieb und fuhr mich mit dem Auto und der Fracht zu Harrys Haus.

Jetzt lagen Bücher, Notizen und Texte wie ein Meer verteilt. Mein System war kompliziert, doch ich wusste ganz genau wo was lag. Seit über einer Woche wohnte ich hier, hatte eingekauft und Harry Bescheid gesagt. Größten Teils ernährte ich mich von chinesischen Instant-Nudeln, Fertigpizza, Jogurt und Chips. Und natürlich von Koffein in Form von Kaffee, Cola und Eistee.

Eigentlich liebte ich mein Thema: Italienische Kunst im Faschismus. Meine zwei betreuende Dozenten war großartig und unterstützend. Sie gaben Hinweise zur passende Literatur, schwärmten selbst von Bauten aus Italien, die sie schon besucht hatten und winkten mein schriftliches Grundgerüst mit ein, zwei Anmerkungen ab.

Danach haute ich rein. Ich gab mir selbst den imaginären Startschuss, sobald ich bei Harry zu Hause war. Sämtliche Fachliteratur von Sammelbänden, Monografien, Berichten, Lexikas und Zeitschriften waren mit gefühlt tausend Zettelchen in verschiedenen Farben gekennzeichnet.

Ich gab alles, und wenn ich nicht für Hearzone los musste und ein Video drehte, dann verkroch ich mich mit meinen Unterlagen. Benny ignorierte ich und wechselte kein Wort mit ihm, auch wenn er immer wieder versuchte mich mit dummen Sprüchen zu provozieren.

»Foxy, du siehst aus, wie eine graue Regenwolke, pump mehr Vitamine in dich rein. Sonst setzten sich noch Staubfussel an dir fest, weil sie denken ihre Königin sei auferstanden.«

Dies irritierte Fizzy und Noah und ich begann Benny wieder genauso zu hassen, wie ich es vorher getan hatte.

»Kommst du eigentlich überhaupt noch mal nach Hause?«, wollte Noah wissen und ich vertröstete ihn auf: »Sobald meine Bachelorarbeit fertig ist.«

Vor meinen Augen hatte ich ein Ziel. Ich wollte Harry im Sommer unbedingt länger in Amerika besuchen und dabei auch den finalen Deaf Slam in Chicago erleben. Nur dafür rackerte ich mich ab und verzichtete auf unzählige freie Abende und legte Nachtschichten ein. Mein Vorteil war, ich konnte wissenschaftlich wirklich gut schreiben.

Was mich aufhielt waren diese verfickten Fußnoten. Und für jedes scheiß Medium musste ich anders zitieren. Dies kostete mich nur unnötig Zeit.

So erreichte ich am heutigen Nachmittag jedoch endlich das Beinahe-Ende. Nur noch das Fazit, der sogenannte Schluss wartete auf mich. Stolze 45 Seiten hatte ich in zwei Wochen geschafft und mein Hirn kochte gefühlt in seiner eigenen Suppe.

Fix und fertig lag ich auf dem Teppichboden im Wohnzimmer, umzingelt von der Fachliteratur und alles was ich tat war atmen. Ich war fix und fertig. Dabei durfte ich mich nicht zu früh freuen, denn ich musste mein Baby ja noch zur professionellen Korrektur schicken. Danach wurde es noch ein, zweimal überarbeitet.

Doch heute würde ich keine Zeile mehr tippen. Ich konnte mich nicht mehr richtig konzentrieren und brauchte dringend eine Pause. Wie auf Kommando sah ich mein Handy aufleuchten. Sofort hob ich den Kopf und grapschte nach.

Jenseits der Stille ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt