46 Wir küssen Amok.

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┊  ┊  ┊           ★ NOAH

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Wir feierten uns beim Sommerfest den Arsch ab, denn jeder von uns hatte etwas zu verdrängen oder zu betäuben. Isabell redete sich mit viel Alkohol ein, dass die Geschichte mit Harry Potter gegessen war.

Benny versuchte so zu tun als würde er voll damit klarkommen, dass man ihn in die Friendzone bugsiert hatte. So ein Schwachsinn! Selbst sichtlich abgefüllt sah ich, dass er meine beste Freundin am liebsten überwältigen und ausziehen wollte. Da war nichts mit Neutralität, Frieden und dem Mist.

Da war Geilheit, Hoffnungslosigkeit und jeder Funken Verstand passé.

Aber was wusste ich schon. Denn ich war A) überarbeitet, B) gefrustet, C) unzufrieden, D) extrem angepisst, und um das ganze abzukürzen Z) verdammt noch mal nicht gut drauf.

Es kamen zu viele Dinge gleichzeitig zusammen. Auf der einen Seite war da meine Arbeit bei Apple, ich liebte sie, hatte aber ständig und jeden Tag das Gefühl mich beweisen zu müssen. Warum konnte ich mir selbst nicht erklären. Demnach blieb ich länger, machte viel zu viel und erreichte nie das, was ich wollte.

Dann gab es da meine Eltern, die mir unbedingt, das ganze Jahr schon meinen Bruder schicken wollten. Alec hatte die Schule beendet, aber war nicht willens, sich für ein Studium zu entscheiden oder eine Ausbildung ins Auge zu fassen. Kurz und knapp: Nicht mein Bier.

Wie sollte ich da was klären, wenn zwischen meinem Bruder und mir Welten lagen?

Und schließlich mein Problem mit der Champions League. Ich schrieb mit Niall und wusste, meine Rechtschreibung und Grammatik war eine Katastrophe. Deshalb hatte ich echte Schwierigkeiten zu antworten. Ich jagte alles durch den Google-Rechtschreibprüfer, aber irgendwann war ich nur noch zu knappen Antworten übergegangen.

Wen machte ich hier etwas vor? Champions League blieb für mich nicht wirklich erreichbar. Sobald er das checkte, würde ich fallengelassen werden. Also sollte ich das was-auch-immer beenden, bevor er es tat. Umso weniger tat es hinterher weh.

Meine Rechnung ging nicht auf. Niall schrieb immer wieder und ich dachte viel zu oft an ihn. Ich fragte mich, was er machte, ob es ihm gut ging, wie ich ihn wiedersehen könnte und erwischte mich, wie ich abends in der Tube durch Twitter reiste, nur um aktuelle Fotos von ihm zu sehen.

Es war eine beschissene Situation. Mir tat das zu all dem Stress nicht gut. Er war außerhalb meiner Liga und wir hatten uns bislang auch eher zufällig immer wieder getroffen. Diese Zufälle gab es nicht ohne Limit.

Was mich in all diesem Kuddelmuddel rettete, waren Benny und Isabell, die mir schließlich die Pistole auf die Brust setzten und verlangten, dass ich Urlaub nahm. Er stand mir zu, ich hatte sowieso durch den Behindertenausweis 5 Tage mehr als all meine anderen Kollegen.

Mein Vorgesetzter winkte das so bereitwillig durch, dass ich zuerst glaubte, er wollte mich loswerden. Erst als ich mich überwand zu fragen, ob es wirklich okay wäre, da schrieb er auf einen Zettel, dass er sich bereits Gedanken darüber machte, wann ich die freien Tage nahm. Ich hatte schließlich schon versprochen, dass ich nicht der Typ war, der die Schulferien für Kollegen blockierte.

Zwei Wochen gehörten mir.

Ich schlief unglaublich lange aus, ging Joggen, zum Fußball und als meine beiden besten Freunde sich für einen Fotokurs anmeldeten, da hatte ich die WG komplett für mich. Demnach tat ich zuerst gar nichts, dann begann ich aufzuräumen und auszumisten. Das hatte etwas Befreiendes und ich konnte das Chaos an Ideen in meinem Kopf ordnen.

Jenseits der Stille ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt