Lestrade POV

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Während Mycroft - seriös wie immer - sein Hemd zuknöpfte und seine Gesichtszüge im Gegensatz zu mir wieder unter Kontrolle zu haben schien, brauchte ich einige Sekunden, um mich wieder zu sammeln.
Nachdem ich ebenfalls wieder vollends angezogen war, öffnete Mycroft die Eingangstür und trat hinaus in die kühle Abendluft.
Er wirkte, als ob gerade eben rein gar nichts passiert wäre, doch ich kannte Mycroft Holmes mittlerweile zu gut, als dass ich seine Fassade nicht durchschauen würde. Als er sich gedankenverloren auf die Lippe biss, wusste ich, dass ihn die letzten Minuten mehr um den Verstand gebracht hatten, als er es je zugeben würde. Mit einem triumphierenden Lächeln, schloss ich die Tür unseres Hauses.
Sherlock und John warteten einige Meter vom Grundstück entfernt und als Sherlock mich mit seinem typischen Blick musterte, dem nichts zu entgehen schien, spürte ich, wie mir abermals die Röte ins Gesicht stieg. Schnell wandte ich meinen Blick ab.
"Also? Was gibt es so Wichtiges, Bruderherz?", fragte Mycroft mit einem scharfen Unterton, der darauf schließen ließ, dass er nicht sonderlich begeistert über die Störung der beiden war.
"Das würde ich gerne mit dir alleine besprechen", entgegnete Sherlock bestimmt.
Mycroft musterte seinen Bruder skeptisch. "Meinetwegen, aber ich habe nicht den ganzen Abend Zeit", stellte er klar.
Dann bemerkte er mit einem Seitenblick zu John spitz: "Und ich würde es bevorzugen unter vier Augen zu reden"
Sherlock nickte knapp und entfernte sich mit Mycroft einige Meter von uns.
Etwas unschlüssig stand ich neben John und blickte auf meine Schuhe herunter. Dieser räusperte sich verlegen. "Also entschuldigen Sie noch einmal, dass wir einfach so bei Ihnen hineingeplatzt sind. Sherlock hatte es bloß mal wieder eilig und meinte, es könne nicht bis morgen warten."
Ich winkte ab. "Schon gut, die Situation war vielleicht ein wenig unangenehm", ich lachte nervös, "aber ich kenne Sherlock. Wenn er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist es schwer, ihn davon abzubringen."

Als das Schweigen zwischen mir und John langsam unangenehm wurde, und ich krampfhaft nach einem Gesprächsthema suchte, beendete Mycroft abrupt das Gespräch mit seinem Bruder und kam schnellen Schrittes zu mir herüber.
Ich war zwar erleichtert keinen weiteren Smalltalk führen zu müssen, doch der Ausdruck auf dem Gesicht meines Freundes bereitete mir Sorgen.
Mycroft warf John und Sherlock noch einen letzten Blick zu.
"Guten Abend"
Mit diesen Worten ging er zum Anwesen zurück.
Sherlock schien nicht gerade zufrieden damit, einfach so abgefertigt zu werden. Ich konnte mir jedoch keine weiteren Gedanken darüber machen, da Mycroft bereits ungeduldig im Türrahmen wartete.
"Ähm ja, bis dann", verabschiedete auch ich mich und nickte den beiden kurz zu.
Dann folgte ich Mycroft nach drinnen.
"Was wollte Sherlock denn?", fragte ich neugierig nach, während ich meine Schuhe auszog und an die Garderobe stellte.
Mycroft, der sich in einem der Ledersessel niedergelassen hatte und gedankenverloren aus dem Fenster starrte, antwortete nicht sofort.
Ich stellte mich hinter Mycroft, legte ihm die Hände auf die Schultern und ließ meinen Blick ebenfalls aus dem Fenster schweifen.
Draußen war es mittlerweile nahezu stockdunkel und die Schatten der Bäume waren das einzige, was in dem schwachen Licht der Laternen zu erkennen war.
"Sherlock wollte mir bloß etwas mitteilen", war Mycrofts knappe Antwort auf meine Frage.
Als ich ihm einen fragenden Blick zuwarf, fügte er hinzu: "Nichts von großer Bedeutung."
Ich nickte. Wenn er nicht darüber sprechen wollte, würde ich ihn auch nicht dazu drängen.
"Wie wäre es dann, wenn wir damit fortfahren, wobei wir vorhin gestört wurden...?", hauchte ich Mycroft ins Ohr und ließ meine Finger langsam unter sein Hemd gleiten.
Vorsichtig aber bestimmt nahm Mycroft meine Hände von seinem Oberkörper und erhob sich von seinem Sessel.
"Ich denke ich gehe lieber schon zu Bett", erklärte er. "Ich bin doch ein wenig müde"
Nachdem er mir noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange gehaucht hatte, ließ er mich irritiert und ein wenig besorgt im Wohnzimmer zurück. Was hatte bloß so schnell seine Stimmung umschlagen lassen?

Mystrade - One Call Away (Sherlock)Where stories live. Discover now