Lestrade POV

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Das erste Mal hatte ich Mycroft Holmes am Tatort des Taxifahrer-Falls gesehen, oder auch Ein Fall von Pink, wie John ihn in seinem Blog nannte.
Der hochgewachsene Mann in dem dunklen Mantel war mir sofort ins Auge gefallen.
Sally und Philip, die sich gerade zu mir gesellt hatten, stellten wilde Spekulationen darüber auf, wer dieser mysteriöse Mann war und wieso er etwas mit Sherlock zu tun hatte.
Natürlich hatte keiner der beiden Tratschmäuler Recht behalten.
Mycroft war weder ein reicher Drogenboss, noch Sherlocks fester Freund oder sein Anwalt.
Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf bei dem Gedanken an die seltsamen Vermutungen meiner Kollegen.
Ich war niemand, der über andere Leute Klatsch verbreitete oder über Dinge schwatzte, die mich nichts angingen.
Tatsächlich hatte Mycroft Holmes jedoch mein Interesse geweckt und so erfuhr ich am nächsten Tag, dass er Sherlocks älterer Bruder war, was mich ein wenig überraschte, denn die beiden sahen sich nicht wirklich ähnlich und das einzige was sie zu verbinden schien, war ihre außergewöhnliche Intelligenz und ihr Misstrauen neuen Leuten gegenüber.
Wie sich herausstellte, bekleidete Mycroft außerdem eine ziemlich hohe Stellung in der britischen Regierung, der CIA und dem Secret Service.
Er schien alleine zu leben und sich eher von seinen Mitmenschen abzuschotten, wobei niemand etwas so wirkliches über sein Privatleben sagen konnte.
Ja, eventuell hatte ich meine Stellung im New Scotland Yard und einige meiner Bekannten dafür benutzt, mehr über ihn herausfinden, doch das war bloß weil... naja... warum wusste ich eigentlich auch nicht so genau.

Da Sherlock mal wieder nicht auf meine Nachrichten antwortete, hatte ich beschlossen zur Bakerstreet zu fahren und ihn persönlich um Hilfe bei dem neuen Fall zu bitten.
Als ich die Wohnung erreichte, hörte ich Schritte, die durch das Zimmer wanderten. Das klang verdächtig nach Sherlock!
Ich öffnete die Tür ohne Anzuklopfen, und blieb kurz darauf verwirrt stehen.
"Mycroft?", fragte ich. "Also Mr. Holmes meine ich. Entschuldigen Sie."
Mycroft schien anscheinend nicht sehr überrascht von meinem Erscheinen, aber da er der Bruder von Sherlock war, hätte ich mir das auch schon denken können.
"Mycroft ist in Ordnung", erwiderte er mit einem Zwinkern. Sein Tonfall blieb jedoch kalt und distanziert.
"Was machen Sie hier?", fragte ich verwirrt.
"Na, auf Sherlock warten. Genau wie Sie. Ich habe einen Fall für ihn", erklärte er.
"Oh", war das einzige, was ich herausbrachte.
Wahrscheinlich war seine Angelegenheit sehr viel wichtiger als meine.
"Er kann sich sicher auf zwei Fälle gleichzeitig konzentrieren", beruhigte Mycroft mich, als würde er meine Gedanken gelesen haben. "Trotzdem denke ich, dass mein Fall von höherer nationaler Wichtigkeit ist"
Ich nickte bloß und konnte mir nicht verkneifen, weiter nachzuhaken. Ab und zu kam eben doch der Ermittler in mir zum Vorschein.
"Worum geht es denn?"
"Um einen ermordeten Regierungsbeamten und einige sehr wichtige... Dokumente, die dabei verloren gegangen sind.
Aber ich glaube kaum, dass Sie das etwas angeht", fuhr er schroff fort.
Ich zuckte unmerklich zusammen bei der Schärfe seiner Worte.
Dieser Mann wusste definitiv, wie man andere verunsicherte.
"Falls Sie trotzdem Hilfe benötigen, bin ich jederzeit dazu bereit", murmelte ich. "Also ich meine die Hilfe vom New Scotland Yard. Nicht von mir persönlich. Das würde Ihnen ja sicher nichts bringen. Sie haben ja Sherlock"
Bevor ich noch weiteren Unsinn von mir geben konnte, wandte ich mich schnell zum Gehen.
"Da haben Sie durchaus Recht", sagte Mycroft. "Aber sollte ich die Hilfe vom New Scotland Yard jemals benötigen..." In seiner Stimme lag ein leicht belustigte Unterton. "...werde ich mich an Sie wenden."
Ich wollte gerade die Wohnung verlassen, da räusperte sich Mycroft.
"Genauso gilt es natürlich andersherum. Es schadet nie jemanden in der britischen Regierung zu kennen"
Überrascht drehte ich mich zu ihm um. Meinte er das ernst? Wollte er mich reinlegen? Oder war das irgendein Test?
Sherlock konnte ich mittlerweile relativ gut einschätzen, doch aus seinem Bruder wurde ich einfach nicht schlau.
"Ähm danke"
Ich räusperte mich verlegen.
"Sherlock wird wohl noch länger brauchen. Ich komme morgen wieder"
Mycroft nickte mir zu. "Auf Wiedersehen, Inspektor Lestrade"
Ich fragte ihn nicht, woher er meinen Namen kannte. Wahrscheinlich überwachte er seinen kleinen Bruder tatsächlich bis ins kleinste Detail und war über jeden informiert, mit dem Sherlock Kontakt hatte.
"Greg ist schon in Ordnung", erwiderte ich schmunzelnd und war überrascht von meiner eigenen Schlagfertigkeit.
Ein leichtes Grinsen umspielte Mycrofts Mundwinkel.
"Auf Wiedersehen, Greg"

Mystrade - One Call Away (Sherlock)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt