5.3.

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Sie waren verloren. Dieser Satz schoss Keran immer wieder durch den Kopf, während sie den kleinen Bergpfad entlangstolperte. Sie waren verloren. Es war das passiert was sie gefürchtet hatten: die Nacht war hereingebrochen. Man sah fast nicht mal mehr seine eigene Hand vor Augen. Das Gewitter war zwar vorrüber, doch ein ekliger Nieselregen hatte eingesetzt. Keran wusste nicht mehr wo sie waren, Thorin ebenso wenig. Sie waren verloren. Wenn sie nicht gerade an Unterkühlung sterben würden, würde bestimmt ein wildes Tier oder sogar schlimmstenfalls ein Ork vorbeikommen und den Job übernehmen. Keran merkte, wie ihre Augenlieder schwer wurden. Verzweifelt biss sie sich in die Wange. Sie musste wach bleiben! Sie durfte nicht sterben. Noch nicht. Sie musste die Rechnung mit Azog begleichen. Keran stolperte und fiel hin. Blieb liegen. Thorin hinter ihr blieb stehen. Fili zitterte, er war ganz bleich, seine Wangen waren Aschfahl. Schon wegen ihm musste Keran weitergehen. Sie durfte nicht aufgeben! Ihre Arme zitterten als sie sich hochstemmte. Schwankend lehnte sie sich an den nächsten Baum. Die Lichter von Neidin hatten sie längst aus den Augen verloren. Sie waren verloren.

Plötzlich hörte Keran Stimmen. Sie riefen nach ihnen. Hoffnung flammte in ihr auf. War es doch noch nicht zu Ende? Die Stimmen wurden deutlicher. Sie sahen Laternen zwischen den Bäumen. Und auf einmal stand eine Gruppe Zwerge vor ihnen auf dem Pfad, mit Bergungszeug. Allen voran Balin. Thorin neben ihr atmete erleichtert auf. "Hierher, wir haben sie gefunden!", rief Balin, dann ging er zu Thorin. Er sagte was zu ihm, aber so leise dass Keran es nicht verstand. Aber das war ihr jetzt egal. Das einzige was sie wollte war ein warmes Bett. Vorsichtig übergab Thorin Fili an Balin. Keran band sie voneinander los. Es war geschafft. Die Zwerge führten sie auf einem sicheren Pfad hinunter ins Tal. Wie sich herausstellte waren sie gar nicht so weit weg von Neidin gewesen, sie kamen östlich von dem Dorf raus. Dort angekommen brachte man sie alle "Zur stumpfen Axt". Hier bekamen sie trockene Kleider und was warmes zu trinken. Man kümmerte sich um Filis Knöchel. Dís stand daneben, ihre Erleichterung war deutlich zu spüren. Als dann endlich alle versorgt waren bot Drogo ihnen ein Bett in seinem Pub an. Keran viel ins Bett, erschöpft und erleichtert und schlief sofort ein.

Es musste um Mittag rum sein als Keran aufwachte. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und schien durch das Fenster des Pubs. Keran seufzte glücklich. Aber gleichzeitig starb sie fast vor Hunger. Bedauernd, denn das Bett war echt gemütlich, stand sie auf, zog sich an und wusch sich das Gesicht. Dann ging sie die Treppe in Richtung Wirtsstube hinunter. Diese war fast komplett leer, bis auf Drogo an der Theke, der ihr einen guten Morgen wünschte und Thorin, Fili, Kili, Balin und Dís. Fili hatte eine Schiene am Knöchel und einen blauen Fleck im Gesicht. Allgemein sah er noch ein bisschen blass aus, aber er grinste Keran an als sie reinkam. Die anderen frühstückten gerade. Glücklich bemerkte Keran, dass Drogo ihr ebenfalls eine warme Suppe und dazu ein typisches Brot aus den Ered Luin gebracht hatte. Gerade als sie sich hinsetzten wollte stand Thorin auf. Keran zog eine Augenbraue hoch. Was sollte das denn? Der Zwerg schaute ihr in die Augen. "Wieso hast du uns gerettet?" Keran verstand die Frage nicht ganz. Wurde sie jetzt ernsthaft gefragt, warum sie jemanden gerettet hatte?! "Äh...ich..." Thorin unterbrach sie. "Ich weiß, du hast dir Sorgen um Fili und Kili gemacht, aber warum hast du mich gerettet? Ich hab dir immer misstraut. Ich hab dich immer echt schlecht behandelt, obwohl ich dich gar nicht kannte. Du hättest mich einfach zurücklassen können, aus Rache. Ich hätte es dir nicht mal verübelt. Also nochmal: warum hast du mich gerettet?" Keran runzelte die Stirn. So kannte sie Thorin Eichenschild, König unter dem Berge ja gar nicht. Langsam fing sie an zu sprechen. "Ich glaube, ich kann niemanden einfach schutzlos zurücklassen. Nicht mal meine Feinde. Das ist echt feige, und das bin ich nicht. Ich besiege sie in einem fairen Duell, auch wenn das meine Chancen auf einen Sieg runtersetzt. Außerdem warst du noch nie mein Feind, Thorin. Ich habe nur einen Feind, und den kennst du genauso gut wie ich. Azog der Schänder." Thorin nickte langsam. Sie hatte mit allem was sie sagte recht.  "Auch wenn ich noch nie dein Feind war, ich habe dich als Feind gesehen...", er seufzte. Noch vor ein paar Tagen hätte er nie geglaubt, dass er sich bei einer Elbin entschuldigen würde. "...es tut mir Leid." Keran war echt überrascht. Dann grinste sie. "Lass uns zusammen Azog besiegen!" Jetzt grinste auch Thorin. "Ich bin dabei!"

Keran - Eine (weitere) Thorin, Fili&Kili ffWhere stories live. Discover now