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Keran erinnerte sich noch genau an den Tag, als die fünf ankamen. Es regnete leicht, und die meisten hatten sich im Pub "Zur Stumpfen Axt" auf ein Bier getroffen. Nicht so Keran. Sie saß in ihrer Hütte und dachte an ihre Heimat. An ihre ehemalige Heimat im hohen Norden. Sie vermisste sie. Und ihre Eltern. Keran verfluchte Azog und seine Schergen zum tausendsten mal. Wieso genau sie? Hier in Neidin wurde sie zwar nicht vertrieben, doch sie war die Fremde. Schon immer. Weil sie kein Zwerg war, sondern eine Elbin. Zwerge und Elben mochten sich nicht besonders. So war es schon immer. Die Elben hielten die Zwerge für "ungepflegt und rau", und wegen ihrer Größe "hässlich". Die Zwerge hingegen fanden die Elben "eingebildet und eitel" Sie beschimpften sie als "Spitzohrige, hochnäsige Wichtigtuer". Kleine Streitereien in der Vergangenheit verstärkten das ganze noch mehr. So wurde sie von den anderen Dorfbewohnern gemieden. So wie sie die Zwerge mied. Keran wollte nicht wegen kleinen Unreinheiten oder aufgebrachten Zwergen das Dorf verlassen müssen. Während sie so vor sich hin dachte, machte sich im Dorf eine kleine Unruhe breit. Einige riefen: "Da kommen neue zu uns!" Oder: "Fremde!" In Neidin war es nämlich so, dass nur wenige Kaufläute oder Fahrende Händler sich in das abgelegene Hochtal verirrten. Und die Bewohner aus den anderen Dörfen kannte man wenigsten vom sehen. So kamen sehr selten neue Leute in das Dorf und waren es schon mal wert, das Bier kurz stehen zu lassen. Keran schaute aus dem kleinen Fenster, konnte aber wenig entdecken und ging durch die Tür nach draußen. Unten am Dorfplatz hatte sich eine kleine Zwergentraube um die Neuankömmlinge gebildet. Da Elben für gewöhnlich gute Augen und Ohren habe, konnte Keran die Fremden trotz der Entfernung mustern und ihre Gespräche mitanhören. Der erste war ein etwas älter aussehender Zwerg mit weißen Haaren und weißem Bart. Den zweiten konnte Keran nicht genau erkennen, denn er hatte eine Kapuze auf, doch er hatte dunkle Haare. Die dritte war eine Frau mit braunen Haaren. Sie trug einen kleinen Zwerg auf dem Rücken, Keran schätze ihn maximal ein Jahr alt. Außerdem hatte sie einen anderen Zwerg an der Hand, dieser war maximal sechs und hatte schulterlange blonde Haare. Alle waren schmutzig und sahen sehr erschöpft aus, als ob sie eine lange Reise hinter sich hätten. Keran fragte sich, wo sie wohl herkamen. "Wer seit ihr?" Fragte der Wirt "Zur Stumpfen Axt" die Reisenden neugierig. Sogleich drängten sich die anderen Dörfler näher zu den Fremden heran, und Keran hatte Schwierigkeiten, über die vielen Köpfe hinüberzublicken. Der Zwerg mit der Kapuze schaute in die Runde, dann zog er seine Kapuze aus. "Ich bin Thorin Eichenschild", sagte er mit mächtiger Stimme, "Sohn von Thrain, Sohn von Thror und König unter dem Berg." Den anderen Zwergen blieb der Mund offen stehen und auch Keran näherte sich dem Platz. Sie wurde neugierig. "Das ist mein Freund Balin, meine Schwester Dís und meine beiden Neffen Fili und Kili. Wir bitten um eine sichere Bleibe. Der Erebor...der Erebor ist gefallen." Die Stimmung verschlechtere sich schlagartig. Allen war klar, was das zu bedeuten hatte. Sogar Keran. Jeder in Mittelerde kannte den Erebor. Wer hier König war, war der mächtigste Mann der Welt. Das Geschlecht Durins hatte seit jeher dort regiert. Mittlerweile hatte Keran den Dorfplatz erreicht. Die Dorfbewohner wichen zurück und so hatte Thorin und seine Gefährten freien Blick auf sie. Thorin verzog das
Gesicht, während er sie musterte, doch die anderen lächelten sie milde an. Der kleine mit den Blonden Haaren (Keran wusste nicht, ob es Fili oder Kili war) starrte sie nur mit großen Augen an. "Was macht die Elbin hier?", fragte Thorin verwundert und der verächtliche Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. "Naja, sie wohnt halt hier. Karen heißt die, glaub ich." "Danke, aber mein Name ist Keran. Was macht denn der König unter dem Berg an so einem Ort?", fragte Keran verärgert und probierte, ebenfalls verächtlich zu klingen. Thorin schnaubte und wollte gerade etwas erwiedern, doch der Wirt hielt ihn davon ab. "Lasst uns doch die Geschichte bei einem schönen Krug voll Bier hören. Und was die Bleibe angeht, so finden wir bestimmt noch ein Haus für euch. Aber jetzt kommt doch erstmal herein", sagte er und die anderen Zwerge folgten ihm. Jeder von ihnen wollte von den Ereignissen der letzten Wochen mitbekommen. Alle außer Keran. Sie wollte nicht schuld an einem Streit sein. Sie wollte sich schon gar nicht mit dem König unter dem Berg anlegen. Der Erebor war zwar nach seiner Aussage gefallen, doch ein König war ein König. Und so stapfte sie durch den Matsch zurück zu ihrer Hütte.

Keran - Eine (weitere) Thorin, Fili&Kili ffWhere stories live. Discover now