Der Crush

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-Lukas' Sicht-

,,Oh Gott, ich bin so aufgeregt! Denkst du, dass sich viel verändert haben wird? Ob noch alle Lehrer von früher da sind? Was die Anderen so machen?'', fragte ich mit quietschender Stimme und rutschte ungeduldig auf dem Beifahrersitz umher.
,,Alter Lukas, komm' mal runter, wir haben gerademal vor 4 Jahren Abi gemacht!'', lachte meine beste Freundin Maria, die neben mir am Steuer saß und ihren Kopf zu mir drehte, um mich kopfschüttelnd zu mustern.
,,Oh mein Gott, kannst du dir das vorstellen? Wie wir vor 4 Jahren in deinem Zimmer fürs Abi gebüffelt und überlegt haben, alles hinzuschmeißen, um eine Karriere als Stripper anzufangen?'' Fassungslos sah ich sie an und Maria lachte nur noch viel lauter.

,,Es ist verrückt, wie die Zeit rast. Aber bitte, krieg' jetzt keinen Herzkasper, mein Schatz. Jetzt haben wir es schon so weit geschafft.'', beruhigend legte Maria ihre Hand auf meinen Oberschenkel und streichelte mir über diesen.
Ich verdrehte nur die Augen, streckte ihr frech die Zunge entgegen und versuchte mich möglichst lässig auf dem Sitz zurückzulehnen, weil ich wirklich Angst davor hatte, zu kollabieren.
Seit Wochen konnte ich an nichts anderes mehr denken und je näher der Tag rückte, desto nervöser und aufgeregter wurde ich. Maria hatte mir schon damit gedroht, mir Panzertape anzulegen, weil ich von nichts anderem mehr reden konnte.

Vor einigen Wochen wurden meine beste Freundin und ich in eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen 'Klassentreffen' hinzugefügt. Wir saßen gerade zusammen auf der Couch, hatten etwas Sushi gegessen und verwundert auf unsere Handys gesehen.
In der Beschreibung der Gruppe hatten wir schließlich alles erfahren, was wir wissen wollten. Unsere Schulleiterin Frau Engels würde in den Ruhestand gehen und wollte diesen gebührend mit einigen jetzigen und ehemaligen Schülern und Kollegen feiern.
Maria und ich mussten natürlich nicht lange überlegen, sondern hatten direkt zugestimmt. Nicht nur, um unserer Schulleiterin die letzte Ehre zu erweisen, sondern auch, um alte Gesichter wiederzusehen und sich über den Stand der Dinge austauschen zu können.

Seitdem Maria und ich vor 4 Jahren für unsere Ausbildungen nach Berlin gezogen sind, hatte sich der Kontakt mit unseren Klassenkameraden eher oberflächlich gehalten. Wir waren durch Social Media miteinander vernetzt, aber wirklich viel bekam man dort auch nicht mit.
Wenn wir der Heimat mal einen Besuch abgestattet hatten, hatten wir uns mit 1-2 Freunden getroffen, die hier und da mal etwas mitbekommen und uns über die neusten Gerüchte auf den Laufenden gehalten hatten.
Da aber viele von uns ebenfalls die Heimat verlassen hatten, hatte ich viele von ihnen schon lange nicht mehr gesehen und ihre Gesichter kaum noch im Gedächtnis. Ich bin schon sehr gespannt, wie sie sich über die Jahre entwickelt und was sie auf ihrem Leben gemacht hatten.

Aber vor allem fragte ich mich, ob unsere Schule immer noch genau die ist, die sie auch vor 4 Jahren gewesen ist. Ob die Schüler den Lehrern immer noch den letzten Nerv raubten, ob es immer noch so ekeliges Essen in der Kantine und die ganzen Raucherecken gab.
Ich hatte das Gebäude seit meiner letzten mündlichen Prüfung nicht mehr betreten. Ich hatte es nur angelächelt, den Mittelfinger gezeigt und mich darüber gefreut, mein Abitur endlich in der Tasche zu haben.
Dass ich die Schule irgendwann so vermissen und es kaum noch erwarten könnte, endlich wieder bei ihr zu sein, hätte mir vor 4 Jahren noch nicht einmal im Traum passieren können. Aber zugegebenermaßen ist dieser Abschnitt, die beste Zeit meines Lebens gewesen.

,,Oh Lukas, schau' mal, da ist das Hochbeet, was wir vor 9 Jahren gebaut haben. Als ob das immer noch da ist...'' Maria tippte mir auf die Schulter und ein breites Lächeln legte sich sofort auf meine Lippen.
Zu gut erinnerte ich mich an die Donnerstage zurück, an denen Maria und ich im Wahlpflichtunterricht die schweren Steine von einer Stelle zur Nächsten getragen hatten und diese möglichst gerade zusammenrücken mussten.
Und wie die Mädels sich vor den ganzen Spinnen, Tausendfüßlern und Kellerasseln geekelt hatten, wenn diese aus der Erde gekrabbelt kamen und sie sich alle schreiend hinter mich versteckt und mich angebettelt hatten, diese bitte wegzumachen.

Kurzgeschichten / boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt