Der Escort

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-Tims Sicht-

Ich zog mit zittrigen Fingern an meiner Kippe, lief immer wieder nervös auf und ab und sah sofort um die Ecke, sobald ich irgendeine Stimme hörte und Menschen an mir vorbeilaufen sah. Ich blickte in jedes Gesicht, wippte ungeduldig mit den Füßen hin und her und wartete nur noch darauf, dass er endlich um die Ecke kam und mich mit einem Händeschütteln begrüßte. Wo bleibt er denn nur?
Ich drückte die Zigarette mit meiner Fußsohle auf dem Boden aus, zückte mein Handy und drückte den Knopf an der Seite, wo gar keine einzige Benachrichtigung zu sehen war. Ein Glück hatte er mir nicht doch noch spontan abgesagt.
Ich steckte das Handy zurück in die Hosentasche, fuhr mir aufgebracht durch die Haare und wischte meine schwitzigen Hände an der dunklen Hose ab, während ich mich weiterhin umsah, als plötzlich eine Gruppe Jugendlicher an mir vorbeiging.

Obwohl es eher unwahrscheinlich war, sah ich mir trotzdem jeden Einzelnen von ihnen an, aber da ich sie alle auf circa 15 bis 16 schätzte, glaubte ich wohl kaum, dass dort ausgerechnet die Person dabei war, auf die ich eigentlich so sehr wartete. Er ist verdammte 21, Tim!
Ich schüttelte nur einmal mit dem Kopf, lehnte mich gegen die Hauswand und versuchte irgendwie herunterzukommen, denn ich war momentan einfach viel zu aufgeregt und, wenn ich mich weiterhin so benahm, dann ging mein Plan noch von hinten los und alles flog aus, bevor es überhaupt erst angefangen hatte.
Der Grund, warum ich so aufgeregt bin, ist eigentlich ganz simpel: Ich traf mich heute in einem Restaurant zu einem gemeinsamen Essen mit meinen Eltern zusammen und stellte ihnen meinen festen Freund vor.

Das war alles eigentlich gar kein Problem, zu mindestens so gesehen. Meine Eltern hatten absolut kein Problem mit meiner Homosexualität, standen da vollstens hinter und damit, dass ich einen Partner hatte erst recht nicht.
Meine Eltern wollten schließlich nur, dass ich glücklich und zufrieden mit mir bin, das war das Einzige, was wirklich für sie zählte. Mit wem ich dabei ins Bett sprang, spielte für sie überhaupt keine Rolle.
Hauptsache mein fester Freund behandelte mich gut und war nicht das reinste Arschloch, denn ansonsten waren meine Eltern überhaupt nicht koscher damit und der Typ wurde geradewegs aus dem Haus getreten. 

Aber da gab es leider ein bestimmtes Problem an der ganzen Sache, Ich hatte eigentlich gar keinen festen Freund, nicht mal im Geringsten hatte ich irgendjemanden in meinem Umfeld, der auch nur ansatzweise Interesse an mir hatte.
Aber wie sollte ich meinen Eltern dann meinen festen Freund vorstellen, wenn es eigentlich gar keinen gab? Diese Frage konnte ich auch ganz einfach beantworten, denn ich hatte das Dümmste getan, was jemand je hätte tun können, um seine Eltern mit einer vermeintlichen Beziehung anzulügen.
Ich hatte nicht einfach irgendeinen meiner Kumpel gefragt, ob sie denn wenigstens für einen Tag einen auf schwul und Pärchen mit mir machten, nein. Ich hatte es mir viel, viel komplizierter und kostspieliger gemacht, was ich bei dem nächsten Blick auf meinen Kontostand noch bitter bereuen würde.

Um endlich mal auf den Punkt zu kommen und nicht dumm herum zu reden - ich, Tim Wolbers, 27 Jahre alt, für heute einige Stunden nicht mehr Single, habe einen Escort-Service in Erwägung gezogen, um meinen Eltern meinen vermeintlichen festen Freund vorzustellen.
In diesem Moment bereute ich es einfach zutiefst, nicht einfach meinen anderen schwulen Kumpel Danny gefragt zu haben, ob er für ein wenig Geld mal einen Tag so tat, als würden wir ein Paar sein. Meine Eltern kannten Danny nämlich nicht, also war das auch nicht allzu wild.
Doch jetzt brachte es auch nichts mehr, Danny zu fragen, denn es war einerseits viel zu kurzfristig und anderseits hatte ich schon einen kleinen Anteil an die Agentur gezahlt, was mir, laut unterschriebenen Vertrag, bei spontaner Absagung - warum auch immer - nicht zurückgezahlt werden würde.

Aber warum machte man sowas? Diese Frage kann ich ebenso einfach beantworten. Meine Eltern wollten es einfach endlich mal erleben, dass ihr Sohn, der von allen sieben Kindern ihnen noch nie einen Partner vorgestellt hatte, ihnen jetzt endlich mal einen Typen vorstellte, der kein Kumpel, sondern sein fester Freund war, den über alles liebte.
Ich hatte nämlich noch nie eine wirkliche Beziehung gehabt, wenn ich ehrlich bin. Es waren alles eher nur kurze Affären gewesen, aber wirklich ernst wurde es dabei nie, weshalb ich meinen Eltern auch noch nie irgendeinen von diesen Kerlen vorstellen konnte.
Manchmal glaubte ich auch, dass die beiden dachten, dass ich immer noch Jungfrau wäre und noch nicht mal ansatzweise in die Nähe eines anderen Schwanzes gekommen bin. Wenn die bloß wüssten, wie oft ihr Sohn schon die unterschiedlichsten Kerle in seinem Bett zum Schreien und Abspritzen gebracht hatte...

Kurzgeschichten / boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt