Reisen, was ist das?

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Reisen, was ist das?

Viele, nahezu alle Menschen heutzutage, wollen verreisen. Aber warum eigentlich? Es gibt da so ein Zitat von Mark Twain, dass da lautet: „Travel ist fatal to prejudice, bigotry, and narrow-mindedness". Übersetzt heißt es „Reisen ist fatal für Vorurteile, Fanatismus und Engstirnigkeit."

Ist da was dran? Ich habe mal die Definition von Reisen auf Wikipedia nachgelesen und hatte einiges hinein zu interpretieren. Aber fangen wir doch von vorne an.

„Der Begriff Reise bedeutet im Sinne der Verkehrswirtschaft die Fortbewegung von Personen über eine längere Zeit zu <fuß oder mit Verkehrsmitteln außerhalb des Wirtschaftsverkehrs, um ein einzelnes Ziel zu erreichen oder mehrere Orte kennenzulernen."

Okay, andere Orte kennenlernen also. Aber wir wissen doch bereits, wie es auf der Welt aussieht! Seit der Erfindung des Fotoapparates, später dem Internet und danach der Berufsbezeichnung „Influenzer" weiß doch jeder eingefleischte Deutsche doch, wie eine Großstadt in Japan, eine Wüste in Afrika, ein Strand auf den Seychellen oder eine sibirische Schneelandschaft aussieht! Warum müssen wir all diese Orte also persönlich besuchen, wenn wir doch im Kopf schon längst da gewesen waren?
Diese rethorische Frage kann bestimmt mit einer Reihe sinnfreier Argumente und Gründe beantwortet werden, aber ich finde eine andere Frage gerade viel wichtiger: Wenn wir doch alles kennen und überall hinreisen können, warum machen dann Reiseunternehmen immer Werbung für sonnigen Strandurlaub auf den Malediven, in Kroatien, Spanien, oder gleich in der Karibik? Der Schriftsteller Alain de Botton sagte einmal in einem Interwiev darüber: „Weltweit versuchen Menschen durch Reisen, etwas psychologisch zu kompensieren.", und meinte damit, dass Menschen aus warmen Ländern eher in kalte Länder reisen und umgekehrt.

Er definierte Deutschland in dem Zusammenhang als kaltes Land. Aber wann ist es denn hier bitte richtig kalt? Jedes Jahr wird gefühlt schon als neuer Jahrhundertsommer gekührt, und Schnee bleibt im Winter nur mit ganz viel Glück länger als den halben Tag liegen. Warum müssen wir also noch in andere warme Länder reisen, um uns brutzeln zu lassen?

„Im fremdwirtschaftlichen Sinne umfasst eine Reise sowohl die Ortsveränderung selbst als auch den Aufenthalt am Zielort. Die verwendeten Verkehrsmittel bilden hierbei eine sogenannte Reisekette (Bus- Flugzeug- S-Bahn- Taxi)"

Ah. Reisekette. Reiseunternehmen werben nur mit dem Flug. Auf Sandstränden können Taxis ja auch nicht so gut fahren. Aber es ist ja auch unheimlich stressig, ständig das Vehikel wechseln zu müssen, außer man wird in einer Sänfte herumgetragen. Der einzige Vehikelwechsel würde der Gang zum gewünschten Urlaubsfotomotiv darstellen, würde man altertümliche Fortbewegungsmittel in die heutige Zeit integrieren. Aber meinte Wikipedia nicht zuvor noch, dass der Weg zum Reiseziel auch schon zum Reisen zählt? Warum nimmt man dann nicht mal die Mühe auf sich und fährt mit dem Fahrrad, geht zu Fuß oder reitet sogar? Achso, weil sich der Weg zum besten Fotomotiv am Strand nicht so schön als Wegeupdate in der Insta-Story eignet und sich auch nicht so schnell ein passender Porsche findet, der einen zufällig nach Malle mitnimmt.

„Wissenschaftlich werden Reisen unter anderem nach deren Grund, Zweck und Dauer kategorisiert, sowie die Motivation des (Ver-)Reisen untersucht."

Wikipedia erläuterte unter anderem Kategorien wie Geschäftsreise, Urlaubsreise oder Pilgerreise. Gut, Geschäftsreisen haben in der Regel nicht viel mit Erholung, die man sich aus Reisen erhofft, zu tun, Urlaubsreisen aber schon. Und wer ohne wirtschaftlich nennenswerten Grund irgendwohin fährt, kann seine Reise „Urlaubsreise" nennen. Aber wie kommen die ganzen Menschen darauf, dahin zu reisen, wo sie ihre schicken Bilder am Meer schießen?
Instagramm und deren Influenzer können da eine Rolle spielen. Wenn Lieblingsinfluenzer XY ein paar positive Sätze unter ein Bild am Strand geheuchelt hat, dann muss es da ja schön sein, oder? Am gewünschten Reiseziel angekommen kann man dann stolz sagen, am selben Ort wie Influenzer XY gewesen zu sein, sich freuen, Orte zu sehen, die diese Person auch schon gesehen hat, ja, sogar die Bilder nachstellen, vielleicht likt Influenzer XY sie sogar!

Wenn diese Art von Urlaubs- und Reisemoral tatsächlich gar nicht so selten herrscht, sollte man schon überlegen, ob man sie mit unter „Pilgerreise" einordnet, oder nicht?

„Reisen sind auch Thema in der Literatur und im Film"

Vorallem im Zeitalter der Romantik, sowie in sämtlichen Büchern und Filmen aus heutiger Zeit, bei denen sich die Macher noch Mühe gegeben haben. „Aus dem Leben eines Taugenichts", „Tonio Kröger" oder „Michael Kohlhaas" sind beispielgebend dafür, dass Reisen in der romantischen Epoche eine ganz andere, viel freiere Bedeutung hatte als heute. Man ging auf Reisen, um der Natur nahe zu sein, die Gedanken baumeln zu lassen, sich selbst zu finden. Natürlich lernte man beim Reisen auch fremde Länder und Kulturen kennen, aber in erster Linie erholte man sich auf Reisen.

Und heute verreist man für ein schnödes Bild auf Instagramm, ein paar langweilige Postkarten und aus Gruppenzwang. Der scharfe Geschäftssinn mancher Firmeninvestoren mochte zwar stark dazu beigetragen haben, aber den Mensch selbst hat auch seine Ansichten geändert, zum negativen, finde ich. Zuhause verreist man geistig auf der Landkarte, und im Urlaub ist man mit dem Kopf immer noch zuhause. Mark Twains Worte sind nicht mehr zeitgemäß für alle die, die unter Reisen überfülle Sandstrände, gleißende Sonne, nervige Touristen und billige Souvenhiers verstehen.

Aber warum wundere ich mich überhaupt, der Wikipedia- Artikel trifft es auf den Punkt. Es gibt nur wenige, die Reisen, wie es die Romantik ihnen vorgemacht hat. Es sollte mehr von ihnen geben.


Angefertigt im Ramen eines Deutschunterrichts in der zwölften Klasse eines beruflichen Gymnasiums. Notenbewertung unklar, erinnert an ein Essay, sollte ein materialgestützter Text werden. Geschrieben und veröffentlicht in 2019.


Oneshot FreiheitWhere stories live. Discover now