Das Diner

6 0 0
                                    

Er kannte die Anwesenden im Schankraum nicht, aber das war ihm auch egal.
War eh nur ein Zwischenstopp nach New York.

Dieses Diner hatte ihm von weiten als einziges helle Gebäude der Vorstadt praktisch zugerufen, er solle eine Pause machen.

Und jetzt saß er hier, am Tresen, eine Tasse Kaffee vor sich, und starrte die ausgeblichene gelbe Wand an. Das gelbe, leicht flackernde Deckenlicht der surrenden Lampen ließ die Regale an der Wand, den Tresen, sowie den Barkeeper graue Schatten werfen.

Er mochte den alten, modrigen Ort nicht besonders. Die uralte Holzeinrichtung wirkte bloß auf den ersten Blick ästhetisch und das Deckenlicht ließ die Farben anders erscheinen, als sie waren.

Die Stille, von surfenden Lampen beeinflusst, wurde von einem ruhigen, leisen Wortwechsel gestört, den der Barkeeper mit einem Paar hatte, dass ebenfalls am Tresen saß. Vor ihnen standen zwei halbleere Becher Wein.

"Fünf ist sie schon, bald kommt sie in die Schule!", erzählte die Frau gerade schwärmerisch, und ihr Nachbar ergänzte: "Ja, sie freut sich schon darauf, endlich schreiben zu lernen!"

Der Barkeeper nickte das mit einem freundlichen, gutmütigen Lächeln ab.
Nicht nur einmal.
Zweimal, dreimal, immer wieder.

Der Kaffee vor ihm selbst wurde langsam kalt, die Becher des Paares dagegen immer wieder aufgefüllt. Unaufgefordert, und ohne, dass sie ihre Brieftaschen zogen.

Sie sprachen mit jedem Schluck Wein scheinbar ein wenig lauter.

Der Barkeeper lächelte immer wieder gutmütig, er schien sich mit dem Paar prächtig zu verstehen. Ab und zu erzählte er auch etwas, und das Paar, angetrunken und mit roten Wangen, hing an seinen Lippen.

Zumindest so lange, bis ein Polizeiwagen vor dem Dinger hielt. Die Polizisten, die ein paar Augenblicke später den eher mager beleuchteten Laden betraten und die übliche Leier von wegen "Sie sind hiermit festgenommen" herunterratterten, wurden von dem angesprochenen Paar nicht einmal richtig wahrgenommen.

Ohne viel Wiederstand, dafür mit viel Amüsment, ließen sie sich abführen.

Kaum hatte das Paar das Diner verlassen, hinterließen sie nur die von surrenden Lampen beeinflusste Stille.
Der Barkeeper ließ ein erleichtertes Seufzen verlauten und hatte seine freundliche Miene gegen eine müde und erschöpfte ausgetauscht.

Der Durchreisende saß nach wie vor still da, verwirrt von der Situation und einer kalten Tasse Kaffee.

(Written in 2018, published in 2019)

Oneshot FreiheitWhere stories live. Discover now