Prom Night

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Abschlussbälle sind schon was Schönes, so als jemand, der mit dem ganzen Trubel nicht viel anfangen kann. Ja, so schön, ich ziehe selbst nach meinem Schulabschluss noch in Betracht, mich umzubringen!

Mein Kleid ist viel zu unbequem, meine hohen Schuhe drücken schmerzhaft und die Feinstrumpfhose hat bereits seit heute morgen eine fette Laufmasche. Nicht zu vergessen bei der Aufzählung meiner abendlichen Tortur ist die Schminke, die auf einer Schweißschicht auf meinem Gesicht zu schwimmen scheint. Der Blick in den Spiegel vor ein paar Minuten hatte gut getan, denn oh Wunder, noch war nichts verwischt und ich sah nach wie vor aus wie eine junge Göttin.

Ich sollte Sabrina in den nächsten Tagen unbedingt fragen, welches Settingspray sie mir vorhin geliehen hat, denn es scheint mein Gesicht regelrecht einzubetonieren. Unangenehm, aber darauf kam es bei meiner gesamten Situation nun auch nicht mehr an.

Gerade stand ich in den kahlen, ranzigen Fluren bei den Toiletten, um einen Moment zum durchatmen zu haben. Nur noch eine halbe Stunde, dann war es zwölf, dann konnte ich Nina vielleicht endlich zum gehen überreden. Ich wollte einfach nur noch nach Hause und verdammt nochmal in Ruhe realisieren, dass ich diese Tortur nun endlich hinter mir hatte. Schule war bisher mein Leben gewesen, alle meine guten und schlechten Erinnerungen hängen irgendwie mit ihr zusammen. Und sei es bloß, dass ich meine Freunde dort kennengelernt habe.

Die kühle, leicht angefeuchtete Luft in den Fluren hält mich auf die kriechend anschleichende Art davon ab, mich irgendwie zu bewegen. Wie mit langen, dünnen Fingern kriecht sie immer wieder kalt von neuem meine Arme und Beine hoch, als wolle sie mich einnehmen und verschlingen wollen. Mit ihr der kalte Zigarettenrauch von heimlichen Rauchcliquen.

Der Flur wirkt so trist und leer und kahl. Okay, das ist er auch, und an der Fußleiste krabbelt gerade munter eine Spinne entlang, aber irgendwie verstärken die gedämpften Geräusche der Party, die wummernden Bässe der Musik und die lauten Schreie der Schüler, den Effekt noch mehr.

Warum ich mir ausgerechnet den trostlosesten und langweiligsten Ort der ganzen Schule zum Aushaaren ausgesucht hatte, weiß ich auch nicht. Warscheinlich, weil die Toiletten ein ganz gutes Alibi abgeben, falls mich jemand suchen würde.

Mit Gänsehaut und verschränkten Armen stand ich nun da in meinem knappen Abschlusskleid, hohen Schuhen, eklig fettigem Make-up und verschwitzten und vom Haarspray verklebten Haaren und wartete vor mich hin. Das war immerhin erträglicher als in der Aula in einer schitzenden, betrunken, tanzenden Menschenmasse zu stehen.

Ich hatte eigentlich erwartet, dass mir niemand dabei Gesellschaft leisten würde. Und schon gar nicht mein Drei-Jahre-Crush, der soeben aus den Herrentoiletten spaziert kam, gekleidet in einen Anzug. Er sah heute noch heißer aus als in seinen normalen Klamotten, aber vielleicht war das auch nur meine rosarote Brille, durch die ich bei jedem Gedanken an ihn sah.

Seid drei verdammten Jahren.

Ich versuchte, normal zu reagieren und lächelte verhalten, als sich unsere Blicke trafen.

Hui, Harry Styles, Justin Bieber und Leonardo Di Caprio waren echt ein Witz, wenn man Konstantin sah. So richtig zum im-Kreis-rennen-und-purzelbaum-schlagende-Einhörner-zu-imitieren.

Merkt man, dass ich immer noch genauso verschossen bin, wie am ersten Tag? Finde nicht, das war mal schlimmer. Glaube ich.

Er schenkte mir einen irritierten Blick. „Wartest du hier auf jemanden?", fragte er aus heiterem Himmel und riss mich damit aus den starren Gedanken, mich bloß normal zu verhalten. Gottseidank kann er keine Gedanken lesen. Der Part mit den Einhörnern wäre dann doch ein bisschen unangenehm gewesen.

Überrascht sah ich ihn an und antwortete dann fahrig und ein bisschen aus dem Konzept: „Ich warte auf das Ende des Saufgelages hier, ich halte es hier nicht mehr aus."

Oneshot FreiheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt