We're born

631 42 12
                                    

Mit aller Kraft stoße ich die gläsernen Eingangstüren auf und trete in den kleinen Zwischenraum, der den Eingangsbereich des Krankenhauses von dem Parkplatz trennt. Es brennt Licht, jedoch ist im Inneren niemand zusehen. Ich kann Theo dicht hinter mir spüren, während seine Schritte jedoch in meiner lauten Atmung untergehen. Blut rauscht in meinen Ohren und die beängstigende Situation lässt mein Herz rasend schnell gegen meine Brust schlagen. Ich habe bereits die zweite Glastüre erreicht als ich Theos drängende Stimme in meinem Rücken höre.

„Liam komm schon. Wir haben nicht viel Vorsprung."

Schlitternd komme ich zum Stehen und drehe mich gleichzeitig zu den beiden Jungen um. Theo ist im Türrahmen stehen geblieben und hat sich Liam zugedreht, der aus irgendeinem Grund zu Zögern scheint. Dabei haben sich bereits dunkle Gewitterwolken über uns gebildet und ich glaube bereits das laute Wiehern von Pferden in der Ferne hören zu können. Jedoch könnte das Geräusch auch von dem pfeifenden Wind stammen, der in diesem Moment heftig über den Parkplatz fegt und alles mitnimmt, was nicht Niet und Nagelfest ist. Ich kann durch die Fensterfront neben der Türe sehen wie Liam sich in dieser Sekunde in Bewegung setzt. Ich glaube, dass er in Stiles Auto etwas vergessen hat und tatsächlich so dumm ist, um die wenigen Meter zurückzulaufen. Jedoch steuert er stattdessen den Krankenwagen an, der verlassen vor dem Haupteingang steht. Er öffnet die Türe, lehnt sich über den Fahrersitz und greift nach etwas, dass in der Fahrzeugdecke eingelassen ist. Bereits in der nächsten Sekunde schaltet sich das Blaulicht des Krankenwagens an und zu den blau-roten Lichtern mischt sich dann auch noch das grelle Geräusch des Martinshorn. Ich zucke unter dem schrillen Alarmton zusammen und starre den Jungen fassungslos an.

„Was tust du da?" Theo spricht mit seinen fassungslosen Schreien genau das aus, was ich in dieser Sekunde denke. Er ist nur schwer zwischen dem lauten Tönen des Martinshorn zu verstehen, doch seine Taten sprechen bereits für ihn. Er setzt sich in Bewegung und versucht sich an Liam vorbei ins Auto zu drängen. Doch dieser hat die Autotüre bereits zurück ins Schloss fallen lassen und zieht Theo jetzt bereits kräftig mit sich. „Nein! Nicht ausschalten," ruft er ihm dabei entgegen. Womit er jedoch nicht zu rechnen scheint ist Theo, der sich seinem Befehl widersetzt und den jüngeren Teenager aufgebracht von sich stößt. Dadurch landen beide Jungen erneut vor dem Krankenhaus und ich muss mit meinem Fuß die Türe offen halten, um ihr weiteres Streitgespräch über den Lärm der Sirene verstehen zu können.

„Willst du sie allesamt her locken?" Theo stößt Liam erneut aufgebracht von sich und der Junge braucht wenige Sekunden um die Wucht stolpernd auszubalancieren. Dabei stößt er gegen das Außengehäuse des Krankenwagens. „Das ist genau was ich möchte." Liam erhebt nun ebenfalls wütend seine Stimme und schubst Theo mit einer groben Handbewegung gegen seine Brust in meine Richtung. Dieser wirkt im ersten Moment so verwundert von der impulsiven Kraft seines Gegenübers, dass er ihm genügend Zeit gibt um weiterzusprechen: „Denn wenn sie hier sind, bedeutet dass, dass sie nicht Scott holen."

„Also ist es dir egal, wenn sie dich holen?"
Theos Stimme ist ruhiger geworden. Er scheint sich nicht länger gegen den Jungen stemmen zu wollen, der so überzeugt von seinen eigenen Gedanken scheint. Ich kann sehen wie die beiden Jungen sich sekundenlang schweigend mustern, bevor Liam mit einem kurzen schulterzuckend antwortet: „Letztlich holen sie uns alle." Er möchte sich an dem älteren Jungen vorbeidrücken, der sich ihm jedoch sofort in den Weg stellt. „Du! Du gehst zuerst," Theos aufgebrachte Stimme übertönt sogar die laute Sirene des Krankenwagens, „Nur deshalb bin ich bei dir. Denn während sie damit beschäftigt sind, dir die Peitsche um den Hals zu legen oder dir in den Kopf zu schießen, renne ich in die andere Richtung," ich spüre wie sich angesichts Theos harter Wörter ein unangenehmen Druck auf meine Brust legt und schlucke schwer. Liam hat das Gesicht verzogen und Theo redet sich immer weiter im Rage, „Ich bin auf deiner Seite, solange es mir etwas bringt!"

„Glaub mir," Liam presst den Kiefer aufeinander und wirft seinem Gegenüber einen gezwungenen ruhigen Blick zu, „Das weiß ich." Zur selben Zeit hebt er die Arme und stößt Theo mit eine wütenden Stoß von sich weg. Der Junge taumelt zurück, scheint jedoch nicht vorzuhaben, die aggressive Reaktion zu erwidern. Stattdessen verharren beide Jugendlichen und starren sich schweigend an. Ich weiß, dass ich wahrscheinlich etwas einwenden sollte. Wahrscheinlich, dass wir in diesem Moment keine Zeit für ihre kleine Machtrivalität haben, doch der Druck auf meiner Brust schnürt mir auch die Kehle ab und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Stattdessen spüre ich das kräftige Schlagen meines Herzens sogar in meinem Kopf und das rauschende Blut in meinen Ohren dämpft die Umgebungsgeräusche und gibt mir das Gefühl, in Watte zu stecken. Die bunten Lichter des Krankenwagens tanzen vor meinen Augen und tief atme ich durch.

Theo wendet den Blick von Liam ab.
Er dreht sich zu mir und stößt mit voller Kraft die Eingangstüre auf. Ich kann im letzten Moment zur Seite springen um zu verhindern, dass mich weder die Türe noch Theo treffen. Dieser rauscht anschließend mit wütendem Blick an mir vorbei und fassungslos starre ich ihm nach, wie er wortlos die leergefegte Eingangshalle des Krankenhauses betritt. Liam folgt ihm nicht weniger schlecht gelaunt, wodurch auch mir kein anderer Ausweg bleibt als den beiden Jungen in das Innere des verlassenen Gebäudes zu folgen. Dabei habe ich Schwierigkeiten ihren schnellen Schritten zu folgen. Theo steuert selbstbewusst einen Gang an, während sich Liam der Empfangstheke zuwendet und flüchtig die daraufliegenden Sachen durchwühlt. Ich schenke ihm dabei nur einen kurzen Blick bevor ich mich instinktiv dazu entscheide, bei Theo zu bleiben. Dieser ist in der Zwischenzeit vor dem länglichen Gang stehen geblieben, dessen Ende langsam in einer schummrigen Dunkelheit verschwindet. Ich komme lautlos neben dem Jungen zum Stehen und realisiere erst jetzt seinen erstarrten Blick.

„Theo?"
Liam ist neben mich getreten und wirft unserem Freund einen überraschend ruhigen Blick zu. Theo reagiert nicht und ein mulmiges Gefühl macht sich in mir breit. Der Junge starrt wie betäubt in die Dunkelheit und ich kann sehen, wie seine Mundwinkel zucken. Es ist okay. Ich kann die lautlosen Worte von seinen Lippen ablesen und erinnere mich sofort wieder an den verletzlichen Jungen in Canaan. Ich erinnere mich an den ehrlichen Theo aus Scotts Wohnzimmer und dem gebrochenen Jungen auf der nächtlichen Straße. In dieser Sekunde kann er nur in seinen eigenen Erinnerungen gefangen sein und ich kann mir nicht vorstellen, wie schrecklich es sein muss, von der verstorbenen Schwester heimgesucht zu werden. Tara.

„Theo?" Liam versucht es ein weiteres Mal und erneut reagiert der Junge nicht auf die Worte. Also setze ich auch mich in Bewegung. „Theo," ich lasse meine Finger sanft auf seiner Schulter nieder und hole in mit dieser vorsichtigen Berührung ruckartig zurück in die Wirklichkeit. Er zuckt leicht zusammen und wirft erst mir, dann Liam, einen kurzen Blick zu. Ich möchte nachfragen wie es ihm geht, doch der Junge ist schneller. Mit einer undurchschaubaren Mimik beantwortet er die unausgesprochene Frage, die noch immer zwischen uns drei in der Luft hängt, „Mir geht es gut."

Dann setzt er sich in Bewegung und eilt mit rennenden Schritten den dunklen Gang entlang. Auch Liam drückt sich ohne zu Zögern an mir vorbei und folgt dem älteren Jungen. Ich dagegen bleibe wie erstarrt auf der Stelle stehen und lasse meinen Blick gedankenverloren auf Theo hängen, der in diesem Moment mit hektischen Bewegungen in einer Kiste kramt. Ich brauche kein mentales Wrack auf meiner Seite. Die warnenden Worte des Jungen selbst hallen in meinem pulsierenden Kopf nach und ich zwinge mich dazu tief durchzuatmen und den Verdacht zu vergessen, dass vielleicht nie ich das Wrack in seinem Team war, sondern er.

Psychotic  [Teen Wolf FF ~ Theo Raeken]Onde histórias criam vida. Descubra agora