Out on Loan

1.1K 78 9
                                    

Die dunkle Nacht hat die Stadt ergriffen und mit ihr auch die Kälte des angebrochenen Herbstes.
Ich fröstelte, obwohl ich bereits einen Pullover und eine Jeansjacke trage. Meine Finger sind kalt und weiße Wölkchen steigen beim Ausatmen in den dunklen Himmel. Ich überlege nicht zum ersten Mal die Umkleidekabine der Jungen bereits zu betreten und drinnen auf Theo zu warten. Doch mein Bauchgefühl rät mir dazu, vor der Türe, im Schutz des Gebäudeschattens, stehen zu bleiben und geduldig auf den dunkelhaarigen Jungen zu warten. Ich hoffe dass er kommt und sich nicht doch noch gegen unseren Deal entschieden hat. Außerdem hoffe ich, dass er nicht etwa auf die Idee gekommen ist Scott und Stiles einzuweihen.

Ein knackendes Geräusch reist mich aus meinen Gedanken und blitzartig lasse ich meinen Blick suchend über meine Umgebung schweifen. Es ist unglaublich dunkel in dieser Nacht und dicke Wolken haben sich vor die Sterne und den Halbmond geschoben. In einiger Entfernung kann ich das Lacrossefeld sehen und dahinter den Waldrand. Ich wäre froh über etwas mehr Licht, denn obwohl sich meine Augen bereits an die Dunkelheit gewöhnt haben, fällt es mir schwer Details auszumachen. So entgeht mir der dunkle Schatten, der sich lautlos an der Ecke der Mädchenumkleidekabine vorbeidrückt und auf mich zu schleicht. Erst als die Person direkt neben mir steht macht sie sich bemerkbar.

„Buh."
Ich zucke unter der leisen Stimme leicht zusammen. Der heiße Atem fällt auf meinen Hals und ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken, während ich sprunghaft von der dunklen Person zurückweiche. Mein Blick fällt auf sie und trotz der Dunkelheit erkenne ich den Jungen sofort wieder.
Theo.
Er ist tatsächlich gekommen.
„Theo," ich versuche meine Stimme wütend klingen zu lassen. Stattdessen klinge ich minimal erleichtert und vielleicht auch etwas froh. Eine wärmende Welle der Erleichterung fährt durch meinen Körper und tief atme ich durch. Dann richte ich meinen Blick zurück auf den Teenager, der noch immer dieselben Klamotten trägt wie heute Mittag. Seine weißen Zähne strahlen selbst in der Dunkelheit und das schiefe Lächeln wird durch einseitige Grübchen betont. Er scheint von meinem überraschten Zusammenzucken hoch amüsiert.

„Du bist zu spät," ich werfe einen kurzen Blick auf mein Handydisplay und stelle fest, dass meine Aussage nicht ganz richtig ist. Theo ist gerade mal zwei Minuten zu spät gekommen. Ich hingegen wollte auf Nummer sicher gehen und bin früher aufgebrochen, weshalb ich mich mit meinem Zeitgefühl vertan habe. Nun ist Theo hier, meine Hände sind eiskalt und ich spüre selbst an meinen Wangen und an meiner Nasenspitze die brennende Kälte der Nacht. Ich frage mich ob dem Teenager in Shirt und dünner Übergangsjacke nicht ebenfalls kalt ist. Doch bereits im nächsten Moment erinnere ich mich wieder daran, dass er so wie Scott ist. Übernatürlich.
Ihm wäre sicherlich noch nicht einmal am Nordpol kalt.

„Wir sollten reingehen," Theo nickt mir kurz zu, ohne auf meine anklagende Aussage einzugehen. Er wirft einen aufmerksamen Blick durch unsere Umgebung, als würde er Gefahr erwarten. Erst als er sich versichert hat, dass uns niemand gefolgt ist, öffnet er die Türe der Umkleidekabine und tritt ein. Ich folge ihm schweigend, nachdenklich ob ich ihn auf sein paranoides Umschauen ansprechen sollte.

Drinnen ist es etwas wärmer und meine kalte Haut begrüßt sie mit einem wolligen Kribbeln. Ich schaue mich unauffällig um, erkenne in der Dunkelheit jedoch nicht sonderlich viel. Die angebrochene Nacht hat den Raum in noch dunklere Schatten getaucht, als es heute Mittag in Anwesenheit von Scott, Stiles und Lydia der Fall war. Ich bin froh, bereits vor wenigen Stunden in dem Raum gewesen zu sein. Denn nur so kann ich verhindern gegen die hohen Spinde zu rennen oder über eine der hüfthohen Bänke zu stolpern. Theo dagegen scheint keine Probleme mit der Dunkelheit zu haben. Er läuft mit lockeren Schritten durch den Raum und weicht allen Hindernissen geschickt aus. Ich würde gerne das Deckenlicht einschalten, halte es jedoch für keine gute Idee. Also folge ich den Teenager wesentlich langsamer durch die Dunkelheit, bevor er endlich vor dem Büro unseres Sportlehrers, Coach Bobby Finstock, zum Stehen kommt. Ich weiß, dass der Coach oft bis in die Abendstunden hier ist und hoffe, dass auch Theo das weiß. Doch der Teenager scheint auch ohne Nachzuschauen davon überzeugt, mit mir alleine zu sein.
Ich halte es nicht für nötig, ihm meine Vermutung zu äußern und schweige stattdessen.

„Also," der braunhaarige Junge dreht sich zu mir um und mustert mich aufmerksam, „was genau ist dein Plan?"
Ich habe nicht erwartet, dass mich Theo schon mit der ersten Frage so aus dem Konzept bringt. Denn einen richtigen Plan, habe ich nicht. Stattdessen hatte ich gestern Nacht Ideen gesammelt, verworfen, behalten und in meinem Kopf verschiedene Situationen nachgespielt. Theo kam in keiner einzigen vor - bis heute morgen. Seit dem habe ich auch versucht jegliches Szenario mit ihm darin durchzuspielen. Meine Bilanz? Ich sollte ihm nicht vertrauen.
Scott tendiert dazu Menschen schnell zu vertrauen. Stiles hingegen ist vorsichtiger. Sein Vater, der Sheriff, hat ihm beigebracht nicht jedem sofort zu vertrauen und dieses Misstrauen gegenüber Fremden hat sich seit den übernatürlichen Geschehnissen der letzten Jahre verschärft. Trotzdem haben mir die Körpersprache beider Jugendlichen gesagt, dass sie Theo nicht vertrauen und dass ist bei Scott schon etwas sehr außergewöhnliches.

Ich erinnere mich an Theos Frage und schrecke dadurch ertappt aus meinen Gedanken. Der Teenager wartet noch immer auf meine Antwort und etwas unbeholfen zucke ich mit den Schultern. „Ich tue so als würde ich sie nicht kennen und hoffe, dass sie mich irgendwie von selbst wieder erkennen."
Bei meiner Antwort schüttelt Theo langsam mit dem Kopf und wirkt fast schon enttäuscht. „Das dauert zu lange," er legt den Kopf leicht schräg als würde er über irgendetwas nachdenken müssen, „Wir brauchen ein Relikt."
„Relikt?"
Ich wiederhole Theos Worte mit einem fraglichen Unterton, in der Hoffnung dadurch eine erklärende Antwort zu bekommen und tatsächlich scheint der Teenager zu bemerken, dass ich mit dem Begriff nichts anfangen kann. Er schüttelt leicht den Kopf, als könnte er mein Unwissen nicht glauben, bevor er sich räuspert.

„Relikte," er macht eine kurze, dramatische Sprechpause, „sind etwas, dass trotz den Ghostridern in unserer Welt bestehen bleiben. Wenn sie einen Menschen auslöschen, löschen sie normalerweise alles was ihm betrifft mit aus. Manchmal bleiben aber bestimmte Dinge in dieser Realität hängen," er zuckt locker mit den Schultern, „meistens sind es Dinge, die einem anderen Menschen viel bedeuten, zu denen sie eine emotionale Bindung aufgebaut haben. Wie bei Gwen," er wirft mir einen kurzen Blick zu, wahrscheinlich um zu überprüfen ob ich seinen Worten soweit folgen und mir dem erwähnten Namen etwas anfangen kann, „Sie kann sich noch immer an ihre Schwester erinnern, weil sie noch immer ihr Armband am Handgelenk trägt."
Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich mit dieser Erklärung anfangen soll. Es gibt Relikte, mit denen ich Scott und Stiles schneller auf meine Spur bringen könnte. Gwen, meine Teamkollegin, hat ihre Schwester verloren, ist jedoch auch eine der wenigen die sich trotz den Ghostridern noch an sie erinnern kann. Theo scheint genau dasselbe zu planen und meine Erinnerungen mit einem solchen Relikt hervorzurufen.

„Also," Theo zieht meine Aufmerksam mit seinem langgezogenen Satzanfang zurück auf sich, „Denkst du, es gibt ein solches Relikt von dir?"
Ich muss an die Nummer von Scott denken, die trotz meiner Auslöschung in den Kontaktdaten meines Handys gespeichert war. Ich muss an meine Erinnerungskiste denken und an die Telefonnummer meines alten Zuhauses. Doch trotz dieser Dinge möchte mir kein Relikt einfallen, dass Scott und Stiles helfen könnte sich an mich zu erinnern. Ich schweige und Theo scheint zu verstehen, dass seinen Plan somit genauso nutzlos ist wie meine Lügengeschichten.

Psychotic  [Teen Wolf FF ~ Theo Raeken]Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang