"Enttäuschung" - Teil 41

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Verschwitzt und zitternd schreckte ich aus meinem Traum auf. Neben mir bewegte sich etwas. Ich zog die Füße an, um mich kleiner zu machen. Erst als ich Izzie leise nuscheln hörte, entspannte ich mich wieder. Sie war gestern nicht in das Poolhaus zurückgekehrt, sondern hatte sich in einer Decke auf dem Fußboden vor Georges Couch zusammengerollt.

»Wasn' los?«, fragte sie und setzte sich auf. Ihre lockigen Haare standen wild in alle Himmelsrichtungen ab und sie rieb sich geistesabwesend die Nase. Ich zuckte mit den Schultern und keuchte auf. Ich fühlte nichts, der Schmerz war weg. Die unachtsame Bewegung hätte mein gebrochenes Schlüsselbein in eine Quelle schwelenden Pochens und Stechens verwandeln sollen, nichts dergleichen war geschehen. Verwundert ließ ich die Schulter kreisen. Die Stelle war wund, wie bei einem leichten Muskelkater, mehr nicht.

Izzie hob eine perfekt gezupfte Augenbraue. »Du siehst besser aus.«

Ich nickte. »Ich fühle mich auch besser.«

Scheint als hätten die Schmerzmittel geholfen - dachte ich beiläufig. Izzie strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn.

»Sieht ganz so aus, als hätte George recht gehabt. Deine Kopfwunde ist fast verheilt.«

Ungläubig folgte ich ihrem Beispiel und berührte meine Stirn. Ich erwartete dort eine dicke, verschorfte Beule vorzufinden, die unter meinen Fingerspitzen schmerzhaft pulsierte. Wieder wurde ich überrascht. Die Haut war sensibel aber vollkommen glatt.

»Das ist verdammt cool«, sagte Izzie und grinste. »Ich wollte schon immer eine beste Freundin mit Superkräften.«

Ich stieß einen Schwall Luft aus. »Ich fühle mich nicht gerade, als wäre ich eine Superheldin. Superloser passt besser.«

»Ach quatsch, du übertreibst«, sagte sie, als George um die Ecke bog. Er trug ein Tablett mit zwei Tassen Kaffe und goldbraunem Marmeladen Toast.

»Ah, wie ich sehe, komme ich gerade richtig. Wie geht es uns heute Morgen?«, erkundigte er sich und stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab.

»Wir haben gerade festgestellt, dass Mia fast genauso schnell heilt, wie Wolverine von den X-Men«, sagte Izzie und schnappte sich einen Toast.

George runzelte die Stirn. »Wie wer?«

Izzie sah ihn einen Moment irritiert an und sagte dann. »Also wirklich, das gehört doch zur Allgemeinbildung. Manchmal werde ich einfach nicht schlau aus Leuten deiner Generation. Der Fernseher ist ein Medium, das genutzt werden sollte, und zwar nicht nur für die sechs Uhr Nachrichten.«

George musste lachen. »Leute meiner Generation?«

Izzie nickte.

»Ich bin hundertneunundvierzig Jahre alt. Als ich geboren wurde, gab es noch gar keinen Fernseher.«

Izzie wedelte unbeeindruckt mit der Hand. »Ich muss sagen, dafür hast du dich verdammt gut gehalten. Heißt das, dass alle Merillion schnell heilen und ungewöhnlich langsam altern?«

»Was heißt ungewöhnlich? Für Merillion ist das normal, nur nicht nach deinen menschlichen Standards.«

»Aber wie ...«, setzte Izzie an und verlor sich kurz darauf in ihren eigenen Gedanken.

»Das hat mit der Verwandlung zu tun. Erhöhte Selbstheilungskräfte und eine längere Lebensspanne sind fast allen Gestaltwandlern eigen«, beantwortete er ihre unvollendete Frage.

Izzie machte große Augen. »Heißt das, es gibt noch mehr Gestaltwandler?«

Er schaute sie mit zusammen gekniffenen Augen an. »Ich denke, es ist besser, wenn wir dieses Thema nicht weiter vertiefen. Es ist nie gut, wenn Menschen zu viel über unsere Welt wissen.«

Under water - Das Einmaleins für Meerjungfrauen Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt