"Wieder vereint" - Teil 2

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»Mia! Hey Mia!«, diese Stimme kannte ich. Sie gehörte zu dem Mädchen, das mit einem riesigen und zu meinem Verdruss neonpinken Namensschild am Ausgang des Gates hin und her hüpfte.

»Juhu! Mia!«

Ich musste lachen. Typisch Izzie!

Ihr Lockenkopf wippte mit jedem ihrer Freudenhopser auf und ab. Ich winkte zaghaft und versuchte dann meinen Trolley durch die Menschenmenge zu bugsieren. Als ich das Gate verlassen hatte, startete Izzie durch und fing mich in einer stürmischen Umarmung ein.

»Ich bin ja so froh, dass du da bist!«, kreischte sie mir mit ihrem australischen Akzent ins Ohr, als ich ihre Umarmung erwiderte. Oh ja ich bin auch froh, dass ich noch da bin. Ihre Worte ließen mich sofort an meine Odyssee in der fliegenden Blechbüchse denken.

»Wie war dein Flug?«, erkundigte sich Izzie, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

»Och, unspektakulär«, bemerkte ich beiläufig.

Izzie grinste. »Verstehe!«

Bevor ich eine schnippische Antwort geben konnte, hatte sich Izzie umgedreht und zerrte mich am Handgelenk hinter sich her.

»Hey, nicht so schnell!«

»Oh Mann, ich kann es kaum erwarten, dass du endlich meine Eltern kennenlernst«, flötete sie, als habe sie mich gar nicht gehört. »Mom holen wir gleich an der Uni ab. Dad wartet draußen am Pick-up auf uns. Aber erstmal die wichtigsten Dinge zuerst. Hier!« Izzie hielt mir eine grüne Einkaufstasche vor die Nase.

»Was ist das?«, fragte ich und beäugte die Tüte misstrauisch.

»Na was wohl? Klamotten natürlich! So kannst du jedenfalls nicht gehen«, bemerkte sie und hob die Augenbrauen, als sie an mir heruntersah.

»Was stimmt mit meinen Sachen nicht?«, ich schaute an meiner khakifarbenen Reisehose herunter, die so viele praktische Taschen eingenäht hatte und zog kurz an meinem Pulli, den ich mir äußerst modisch um die Hüften gebunden hatte.

»Na ja nichts, wenn du siebzig wärst und gleich eine Kreuzfahrt beginnen wolltest.«

Das hatte gesessen. Ich riss ihr die Tüte aus der Hand und machte mich auf die Suche nach der nächsten Toilette.

»Wehe da ist was Bauchfreies drin«, sagte ich und ließ die Tüte drohend vor ihrer Nase baumeln.

»Keine Sorge ist total Nerd-tauglich.«

Ich verdrehte die Augen und verschwand in der Toilettenkabine.

Das Outfit, welches Izzie für mich ausgesucht hatte, war tatsächlich nicht übel. Ein bequemes Paar Flipflops, eine dunkelblaue, knielange Leggins und darüber ein ausgefranster Mini-Rock aus Jeans. Als Oberteil trug ich ein schlichtes gepunktetes T-Shirt.

Als ich aus der Kabine trat, lächelte Izzie.

»Nicht schlecht! Und wenn es gleich zu warm wird, kannst du die Leggins ausziehen.«

»Äh, nein danke! Ich werde das hier ...«, ich zeigte auf meine milchig weiße Haut, »... niemandem zumuten.«

Izzie lachte. »Keine Sorge, hier wirst selbst du nach ein Paar Tagen schön braungebrannt sein!«

Ich schnaufte ungläubig.

»Es sei denn du bist in Wirklichkeit ein Vampir und schmilzt in der Sonne.«

Ich steckte ihr die Zunge raus, doch Izzie stellte sich neben mich und machte ein Foto von uns, ehe ich etwas einwenden konnte. Izzie blickte auf ihr Handy, grinste und wollte es auch schon wieder in ihrer Gesäßtasche verschwinden lassen.

»Hey!«, murrte ich und hielt meine Hand hin. »Lass sehen, du kennst die Regel.« Ich würde kein Foto von mir zulassen, das nicht vorher von mir abgesegnet worden war. Für einen Menschen ohne das Foto-Gen, eine völlig nachvollziehbare Forderung, wie ich fand. Es gab bereits zu viele unvorteilhafte Fotos von mir, die für alle Ewigkeit durch den Äther der Social Media Plattformen geisterten. Unlöschbar und unheimlich peinlich. Izzie verdrehte die Augen und reichte mir ihr Smartphone.

Ich seufzte, als ich das Selfie studierte. Da waren wir. Endlich wieder zusammen, nach zwei Jahren Fernfreundschaft. Izzie hatte sich kaum verändert. Ein bisschen neidisch betrachtete ich ihr Abbild. Neben ihr kam ich mir oft vor wie ein unbeholfener Höhlentroll. Ich war fast einen ganzen Kopf größer als sie, obwohl das keine besondere Leistung war, da Izzie wirklich winzig war. Izzie war dank eines australischen Vaters und einer koreanischen Mutter mit hohen Wangenknochen, kristallblauen Augen und einer wilden Lockenmähne gesegnet. Ich hingegen konnte nur mit einer blassen, zu Mitessern neigenden Haut und einer Haarfarbe aufwarten, die sich nicht entscheiden konnte, ob sie blond oder rot sein wollte. Ganz zu schweigen von den Sommersprossen auf meiner Nase, die garantiert in der australischen Sonne explodieren würden.

Izzie legte den Arm um meine Schulter und drückte mich leicht. »Ich kann es gar nicht fassen, dass du tatsächlich hier bist, und dass du ein ganzes Jahr bleibst!«

»Ja, geht mir genauso«, sagte ich und schluckte. Ich war noch nie so weit und so lange von zuhause weggewesen.

»Lass uns gehen, mein Dad wartet bestimmt schon«, erwiderte Izzie.

Under water - Das Einmaleins für Meerjungfrauen Band 1Where stories live. Discover now