"Nerd über Bord!" - Teil 9

1.1K 87 7
                                    

Ich war eigentlich so müde, dass ich auf der Stelle hätte umfallen können, doch der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Es war furchtbar heiß unter Deck und die Luft schien so dick zu sein, dass man sie hätte schneiden können. Mein Pyjama, der aus nicht mehr, als einem Tank-Top und einer Unterhose bestand, klebte mir am Körper. Unruhig versuchte ich eine halbwegs bequeme Liegeposition in dieser verdammten Hängematte zu finden. Neben mir hörte ich nur Izzies leichte Atemzüge. Die hat's gut, dachte ich. So stark wie Izzie tagsüber Gas gab, so schnell war sie abends eingeschlafen. Nachdem sie mir brühheiß alles aufgezählt hatte warum Nate einfach der heißeste Typ auf dieser Halbkugel war, und warum sie einfach für einander bestimmt waren, hatte sie die Augen geschlossen und weg war sie gewesen. Als hätte jemand ihren eingebauten Stromschalter umgelegt. Ich sehnte mich nach frischer Luft und Abkühlung. Die kleinen Bullaugen unserer Kabine ließen sich nicht öffnen und so fühlte es sich an, als wäre ich in einer verdammt heißen Sardinenbüchse eingesperrt. Genervt setzte ich mich in der Hängematte auf. Hier würde ich nie und nimmer ein Auge zukriegen. Ich beschloss an Deck zu gehen und es mir dort auf einer der Holzbänke gemütlich zu machen. Dort konnte ich vermutlich auch nicht besser schlafen, aber immerhin würde die Seeluft für die ersehnte Kühlung sorgen.

Ich öffnete vorsichtig die Kabinentür, deren rostige Scharniere knirschten. Besorgt sah ich mich um, ich wollte Izzie nicht wecken, doch diese lag noch immer zufrieden schlummernd in ihrer Hängematte. Ich streckte den Kopf aus der Tür, um die Lage zu sondieren. Die Barnacle schien wie ausgestorben. Das einzige Geräusch, das ich wahrnahm, waren die Wellen, die mit einer beruhigenden Regelmäßigkeit gegen den Schiffsrumpf schwappten und es sanft hin und her wogten. Wie eine gigantische Wiege, dachte ich, als ich mich auf den Weg zu Treppe und hinauf aufs Deck machte. Plötzlich drang ein lautes Knurren an mein Ohr. Ich erstarrte. Was war das? Mein Puls beschleunigte sich. Es hörte sich fast an wie ein Tier. Und zwar ein ziemlich Großes. Das Knurren erklang erneut, dieses Mal noch lauter und eindringlicher. Ich drängte mich instinktiv tiefer in den Schatten, um nicht von dem Ding, was immer es auch war, gesehen zu werden. Was für ein Tier konnte nachts auf der Barnacle herumstreunen? Und warum gab es solche Laute von sich? War es wütend? War es hungrig? Vorsichtig spähte ich an der Kajüte von Käpt'n Martin vorbei. Ich konnte nichts erkennen. Das Deck der Barnacle lag vollkommen unberührt da. Vorsichtig tapste ich an Martins Kabine entlang, um noch einen besseren Blick auf den hinteren Teil des Decks werfen zu können, als das Knurren plötzlich direkt neben mir erklang. Ich erschreckte mich dermaßen, dass ich beinahe aufgeschrien hätte. Doch nur wenige Sekunden später erkannte ich, was das Knurren wirklich war und kam mir unglaublich dumm vor. Das Geräusch, weswegen ich mir fast in die Hose gemacht hatte, war nicht mehr als das Geschnarche, das aus Martins Kajüte drang. Ich musste grinsen, zum einen über mich, zum anderen über Martin. Der Käpt'n hatte tatsächlich ein ordentliches Organ.

Ich löste mich aus dem Schatten und trat auf das offene Deck. Das blank polierte dunkle Holz war kalt an den Füßen und es reflektierte das Licht des Mondes, der bereits hoch am Himmel stand. Er erschien riesig und heller als gewöhnlich. Seine Form verriet mir, dass es in der morgigen Nacht Vollmond sein würde. Kein Wunder, dass ich so unruhig war. War es nicht bekannt, dass der Mond die Menschen beeinflussen konnte? Sie teilweise sogar verrückt machte?

Der Wind frischte etwas auf und trug die salzige Meerluft zu mir herüber. Ich atmete tief ein und genoss das erfrischende Gefühl auf der Haut. Die Welt um mich herum erschien mir auf einmal so unberührt. Außer der Barnacle gab es nichts als den Mond, den Wind und seine Schwester das Meer. Ich schloss die Augen und spürte, wie sich die Barnacle mit den Wellen hob und senkte. Es schien fast so, als würde das Meer atmen. Als wäre es mehr, als die Heimat zahlreicher Fische und Meeressäuger, als wäre es selbst lebendig. Ein Organismus größer als alles andere. Etwas allumfassendes. Ich trat an die Reling der Barnacle und schaute auf die dunklen Wellen unter mir. Das Wasser schien unergründlich, pechschwarz und voll mit Geheimnissen, die niemals alle in einem einzigen Menschenleben ergründet werden konnten. Ich sah, wie das Meer mit dem Mondlicht zu spielen schien, wie es das Licht in den Spitzen der kleinen Wellen einfing und sein Strahlen verstärkte, nur um es sogleich wieder mit sich in die Tiefe zu ziehen. Fasziniert von diesem Schauspiel beugte ich mich hinunter und versuchte die glitzernden Wellenkronen zu berühren. Doch die Schiffswand war zu hoch, es fehlten einige Meter bis zur Wasseroberfläche. Frustriert wollte ich aufgeben, als eine etwas größere Welle gegen dem Rumpf der Barnacle platschte und mich mit einem feinen Tau benetzte. Die Wassertropfen funkelten auf meinem Arm wie Diamanten. Doch als ich versuchte sie zu berühren, zerflossen sie und verloren ihren Glanz. Die nächste Welle spritze über den Bug des Schiffs und benetzte meine Füße. Ich keuchte auf, das Wasser war kalt. Plötzlich erschien alles so klar um mich herum. Es war, als hätte mich das kühle Nass aus einem langen Schlaf erweckt. Ich wollte mehr davon, mehr von dieser Klarheit, dieser Reinheit der Gedanken. Und war ich nicht hierher gekommen, um mich abzukühlen? Was konnte das besser als ein mitternächtlicher Badeausflug? Und da ich heute noch nicht im Wasser gewesen war, weil ich mich einfach nicht hatte überwinden können mich im Bikini zu zeigen, war dies der perfekte Moment.

Under water - Das Einmaleins für Meerjungfrauen Band 1Where stories live. Discover now