Kapitel 87

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Über eine Woche suchte Mason nach Kylie. Er hatte umgehend die Polizei benachrichtigt, als er eine leere Wohnung vor sich fand. Selbstverständlich hatte er vor der Vermisstenangabe noch Sophia, Tyler, Jerry, Janet und sogar nochmal seine eigene Arbeit angerufen, um sicher zu gehen, dass Kylie wirklich bei niemanden war. Er hatte außerdem drei weitere Stunden gewartet, falls sie an dem Abend noch einkaufen war.
In dieser einen Woche, in der er ohne seine bessere Hälfte leben musste, verließ er sich nicht vollständig auf sie Polizei. Er suchte ebenfalls, hörte sich um und ging ihren üblichen Nachhauseweg nach.

Nur zwei Tage brauchte er um die Nerven zu verlieren. Abends lag er wach und konnte nicht schlafen, während er sich stundenlang ausmalte, welche Situationen Kylie gerade durchleben musste.
Noch dazu kam, dass er noch nie in seinem Leben so durch die Stadt gefahren ist. Die anderen Fahrer dachten sich vermutlich, dass er ein Straftäter auf freien Fuße ist. Aber er hatte auch noch nie so eine Todesangst um Kylie gehabt. Ein weiteres wutentbranntes Hupen bekam Mason zu hören, als er über die rote Ampel fuhr und dem Verkehr gerade so ausweichen konnte.

Das Krankenhaus hatte ihn vor fünf Minuten angerufen gehabt, weil eine gewisse Kylie Black bei ihnen eingeliefert wurde und sie Mason als Kontaktperson genannt hatte. Er verließ umgehend das Meeting, als ihn Catrina die Nachricht in sein Ohr flüsterte. Einen Job kann man verlieren, aber die Traumfrau nicht! Das waren seine Worte, als ihm sein Stellvertreter hinterher sprang. Seine Gedanken tosten um Kylie.
In welchem Zustand sie wohl war?
Ob sie überhaupt überlebt? Was auch immer der Mistkerl ihr angetan hat, er wird dafür büßen!

Ein weiteres Mal drückte ihn die Geschwindigkeit in den Autositz und der aufheulende Motor übertönte seine aufbrausenden Gedanken. Erst jetzt wurde sein Blick klarer. Vor ihm erstreckte sich das weiß-graue Gebäude. Das Krankenhaus.

Hektisch schnappte er sich den Parkplatz einer einparktenden Familie weg. Seine aufschlagende Tür konnte er gerade noch aufhalten, ehe sie das Nachbarauto beschädigen konnte. Die wütenden Proteste der Mutter ignorierte er und rannte in das Gebäude. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und sein Magen rebellierte.
Was wird ihn erwarten?

"Ich suche Kylie Black, sie muss vor Kurzem eingeliefert wurden sein." sagte er hektisch der Empfangsdame entgegen, die sofort den Namen in den Computer eintippte.

"Und sie sind?" fragte sie entspannt, während sie auf die Ergebnisse wartete.

"Mason Harper, ihr Freund." erklärte er außer Atem. Kurz machte sie große Augen.

"Es tut mir leid, wir dürfen ihnen keine Informationen preisgeben. Uns ist es nur erlaubt, Infos an Familienangehörige weiterzuleiten." sagte sie kühl.
Mason musste sich am Empfangstresen abstützen. Sowas hatte er erwartet.

"Aber sie ist doch meine ... können sie mir sagen, ob die Polizei bereits informiert wurde?" fragte er und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht.

"Ja, wurde sie, ich habe mit den Komisarren gesprochen." erklärte sie und betrachtete ihn mitleidig.

"Vielleicht stehen Sie mit den Familienangehörigen in Kontakt und informieren sie?" schlug sie vor. Wie von der Tarantel gestochen, fuhr er auf und griff sofort nach seinem Handy.
Schnell war Tyler alles erzählt, doch er war am Ende der Stadt.
Das bedeutete, dass Mason noch eine halbe Stunde zu warten hatte. Eine halbe Stunde ... 30 Minuten ... wie sollte er das aushalten? Er vergaß sich bei der Empfangsdame zu bedanken und torkelte Richtung Wartebereich. Er fuhr sich durch das Gesicht, um die aufsteigende Verzweiflung und die Tränen wegzuwischen. Seine Gedanken waren so durcheinander, dass er das Gemecker, was an ihn gerichtet war, erst mitbekam, als die junge Mutter direkt hinter ihm stand.

"Denken Sie nur weil sie Audifahrer sind, dürfen sie sich alles erlauben?! Ich bin mit meinen Kindern hier, weil ihr Vater auf eine neue Lunge hofft, aber es vermutlich eh zu spät sein wird! Nennen sie mir einen Grund, weshalb ich Ihnen nicht den Kopf abreißen sollte und weshalb Sie diesen Parkplatz dringender brauchten als ich!" Mason drehte sich langsam um. Seine müden Augen waren geschockt aufgerissen. Die Frau, welche jeweils ein Kind an ihren Händen hatte, schüttelte zornig den Kopf.

"Wissen Sie ... Vergessen Sie es! Möge Gott Gnade mit Ihnen haben!" schnell schritt sie an ihm vorbei, während die Kinder hinter ihr her stolperten. Zwei Jungen waren es.

Ob er und Kylie auch irgendwann Kinder haben werden?
Ein neuer Kloß bildete sich in seinem Hals, während er sich auf den Stuhl im Wartebereich setzte und den Kopf in die Hände legte.
Er kann nicht ohne sie weiter machen! Er wüsste gar nicht wie ...
Mason hatte verlernt alleine zu leben. Bestimmt würde er nächtelang wach liegen und warten bis Kylie ins Bett gekrochen kommt und sich müde an ihn gekuschelt einschlafen würde.

Er würde ihr Lachen, ihr Seufzen, selbst ihr Gemecker vermissen. Das weiche Gefühl ihrer Haut, wenn sie sich liebten ... ihr Blick, wenn sie leise seinen Namen seufzte ... ihre sanften langen Haare, die oft seine Nase kitzelten ... ihr Naserümpfen, wenn ihr etwas nicht passt, aber besonders ihr Funkeln in den Augen, wenn sie ihn anblickte.
Die ganze Zeit schaute er stur gerade aus und ließ seine Gedanken schweifen. Er vergaß zu blinzeln, sodass seine Augen anfingen zu tränen. Seine Atmung ging ganz flach, während er sich immer wieder fragte, was er ohne sie nur machen sollte.
Wie sein Tagesablauf ohne sie aussehen würde?
Er konnte es sich überhaupt nicht vorstellen!
Ebenfalls hatte er überhaupt keine Ahnung davon, wie schwer ihre Verletzungen sind.
Ob sie nur Verletzungen hatte, die man sehen konnte oder auch welche, die niemand sehen konnte?
Kylie war eine sehr starke Frau und hatte viel durchleben müssen, das wusste Mason. Keiner außer sie selber wusste allerdings, was vorgefallen war. Somit musste sie sich vermutlich allein durchschlagen ... wieder einmal.
Masons Kopf fuhr nach unten, als er seine Hände in den Nacken legte ... das Warten brachte ihn noch um ... über ihm klickte der Sekundenzeiger einer Uhr.
Tick.
Tack.
Tick.
Tack.
Tick ...
Völlig aus der Fassung geraten sprang Mason von seinem Platz auf. Er blickte auf seine Armbanduhr. In 20 Minuten wäre Tyler, wenn es gut kommt, da und dann bekam er erst die ersten Informationen über Kylie. Er hatte also noch Zeit, aber konnte sie nicht unter dieser lauten Uhr verbringen.
Also lief er los. Ein Ziel hatte er nicht. Er wollte einfach nur laufen und ließ sich von einer unsichtbaren Kraft leiten. Sein Blick blieb verschwommen gerade aus gerichtet, weshalb ihm die anzüglichen Blicke der Krankenschwestern nicht auffiel. Er bog oftmals ab und ging durch dutzend Türen, ehe er von einem leisen Wimmern aufgehalten wurde.
Die leisen Schreie kamen von einem Zimmer mit Glaswand. Langsam näherte sich Mason, dieses Mal mit einem klaren Blick. Als er den Inhalt des Raumes ausfindig machen konnte, stockte er in seiner Bewegung. Hinter der Glaswand lagen zehn Säuglinge, welche vom Pflegepersonal versorgt wurden.
In seiner Kehle bildete sich ein neuer Kloß. Warum wusste er nicht genau, aber der Anblick dieser Kinder erwärmte sein Herz.

"Viele Patienten kommen hier her. Sie fühlen sich wohler diese kleinen Wunder zu betrachten." sagte plötzlich eine weibliche Stimme neben ihm. Eine rothaarige Frau, Ärztin laut ihrem Schild, stand neben ihn und lächelte ihn freundlich an.

"Ich bin kein P-"

"Patient? Ja, das war mir klar. Sie sind sicher wegen ihrer Liebsten hier, nicht war? Und sie schauen sich diese Babys an, weil sie hoffen, dass so ihre Zukunft mit ihrer Liebsten aussieht?" fragte sie und steckte sich eine Strähne hinter das Ohr.

"Woher wissen Sie das?" fragte er seinen ersten Gedanken laut.

"Mit der Zeit lernt man einiges über den Menschen. Nicht nur wie er aufgebaut ist, sondern welche charakteristischen Züge er besitzt. Ein Arzt erkennt mit der Zeit ein Muster." erklärte sie, wünschte ihn dann noch viel Glück und ging.
Nur kurz starrte er ihr hinterher und lief dann wieder zurück in den Wartebereich. Seine Schritte waren selbstbewusst und gezielt. Seine Gedanken waren geordnet und durchdacht. Als er die letzte Tür aufstoß, blickte er sofort in die grauen Augen, die Kylies hätten sein sollen, aber zu Tyler gehörten.
Sein Blick glitt auf seine Uhr und er bemerkte, dass er den Rest der Wartezeit bei den Babys verbracht haben muss.
Hinter Tyler tauchten Sophia und Jerry auf. Sophia total in Tränen aufgelöst, umarmte ihn eine lange Zeit, während er den Anderen zu nickte.
Doch Mason beachtete sie nicht wirklich.
Viel mehr visierte er den Arzt an, der nun auf die Familie Black zu ging.
Oder nicht direkt den Arzt.
Eher seine OP-Kleidung.

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Hey,
Momentan habe ich wenig Zeit für das Schreiben. Das heißt aber nicht, dass ich es vollkommen vergesse!

Hinterlasst Feedback, damit ich weiß, wie die Geschichte euch gefällt ;)
Bis später mal!
Eure huhuliebling

Fight The LifeWhere stories live. Discover now