ɪ ᴀᴍ ɴᴏᴛ ᴊᴏᴋɪɴɢ

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„Du solltest nicht lügen, damit ich mich besser fühle..."
„Wer sagt, dass ich lüge?"
„Meine Menschenkenntnisse."

Ich spürte, dass Yoongis Tränen noch immer nicht aufgehört hatten zu fließen, als ein weiterer Tropfen auf meinem Nacken landete und der Blonde seinen Griff noch etwas verstärkte, als könnte er dadurch seine Tränen stoppen.
Man merkte, dass es ihm unangenehm war.
Und das nicht nur, weil er sich strikt weigerte mich wieder anzusehen.

„Ich hab dich behandelt wie Dreck. Bis auf Menschen, die das geil finden, würde mich niemand vermissen."
Ich wollte mich aus seinem Griff lösen, um ihn anzusehen, doch er ließ nicht locker.

„Du hast Recht. Ich finde es alles andere als geil..." Ich imitierte Yoongis abwertende Tonlage bei diesem Wort, so gut es ging, woraufhin sich seine Brust kurz hob, als würde er versuchen zu lachen. „Aber ich bin auch kein Unmensch, der jemanden in die Wüste schickt, ohne die Hintergrundgeschichte zu kennen."

Wieder versuchte ich meine Hände auf seinen Schultern abzulegen und ihn von mir zu schieben.
„Ich stinke nach Schweiß und Kotze. Wie kannst du das immer noch aushalten?"

„Aber du hättest es gemacht, wärst du nicht krank geworden. Verdammte Scheiße, ich hab dich fett genannt, Park. Fett. Dich."
Meine Frage komplett ignorierend lockerte er endlich seinen Griff und schob mich etwas von sich, um den Blick über meinen Körper schweifen zu lassen. Sofort überrollten mich die Schamgefühle und ich zog den Bauch ein, in der Hoffnung, er würde unter dem T-Shirt nicht spüren, dass mein Körper alles andere als durchtrainiert war.
Schlank ja, aber nicht durchtrainiert.

„Weißt du was dein Problem ist?", fragte ich zögerlich und nahm seine Hände von meinem Rücken um jetzt endgültig den Körperkontakt zwischen uns abzubrechen. „Du hast das, was die breite Masse von dir sehen wollte, zu dem gemacht, was du bist. Und dabei nicht daran gedacht, dass die Menschen, denen du wirklich am Herzen liegst, dich auch so bedingungslos geliebt hätten. Deine Eltern zum Beispiel..."

Yoongi sah zu Boden, während ich redete, doch ich bemerkte trotzdem, wie verzweifelt er blinzelte, als würde er damit weitere Tränen zurückhalten.

„Und du hast dir richtige Gedanken gemacht. Wusstest du, dass mein Lieblingslied Nightmares war?"
„Das hab ich vor mindestens zehn Jahren geschrieben... Hobi hat mit mir gewettet, damit ich es hochlade, weil es mir so peinlich war."
„Warum? Weil du davon erzählt hast, dass du keine Ahnung hättest, über was du reden solltest, wenn du verliebt wärst?"

Ich legte den Kopf etwas schief, um Yoongi ansehen zu können.
Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, was ein Kribbeln in meinem Bauch wachrief.
Irgendwie mochte ich es, die Person zu sein, die ihn zum Lächeln bringen konnte.

„Oder dass du dir überhaupt einmal wünschen würdest, dass du verliebt wärst?"

Jetzt sah er auf.
Das Lächeln war nicht verschwunden.
Seine dunklen Augen funkelten. Ob vor Tränen oder etwas anderem konnte ich nicht erkennen.

„Zwei verletzliche Seelen, die zusammen das sind, was sie einzeln niemals werden könnten", zitierte ich leise seine ikonische Definition von Liebe im Intro von Nightmares. Das Ding ist so viral gegangen, dass selbst mein heutiges Ich davon mitbekommen hätte.

Ich wich seinem Blick nicht aus, auch wenn er auf meiner Haut brannte wie Feuer und ich bemerkte erst, wie wild mein Herz in meinem Brustkorb schlug, als Yoongi noch ein Stück näher trat und nach meiner Hand griff.
Als wollte er mir signalisieren, dass meine Worte bei ihm angekommen waren.
Ich hätte schreien können.

„Du solltest dich wieder hinlegen. Schlaf ist wichtig...", murmelte er.
„Sagt der Richtige."
„Ich meine es Ernst."
„Nur wenn du mir versprichst, nicht abzuhauen."
„Warum?"
„Weil es nicht das ist, was alles besser macht."

Ich verzog keine Miene, während er mich anstarrte. Es war faszinierend, was Yoongi innerhalb dieser kurzen Zeit mit mir gemacht hatte. Früher hatte ich das Gefühl, mein einziges Ziel wäre auf bessere Zeiten hinzuarbeiten und eine richtige Ausbildung zu machen, um das zu machen, wozu ich Lust hatte.
Ich hatte Freunde, so war es nicht. Aber richtig gelebt hatte ich nie.

Mein Charakter war nicht interessant.
Ich brachte mich nicht in Schwierigkeiten.
Ich lebte in Busan wie ein Geist und das einzige, worüber man mit mir reden konnte, war meine frühere Musikphase und Vorliebe für die Moral von Kinderfilmen.

Dass ich die Möglichkeit hatte, einem Menschen so zu helfen und zuzuhören, wie Yoongi es gerade brauchte, kam mir so surreal vor.
Unwirklich.

Langsam ließ der Blonde meine Hand wieder los und schob mich bestimmt zurück zur Couch.
„Du hast mir noch nicht geantwortet", stellte ich fest, bevor ich mich hinsetzte und die Decke über meine Beine zog. Die Wärme fühlte sich seltsam an.
Ich spürte jetzt schon wieder, wie ich anfing zu schwitzen und das Übelkeitsgefühl von vorhin stieg erneut in meinem Hals hoch.

„Ich hasse Jin dafür..."
„Wofür?"
„Dass er mich quasi gezwungen hat, dich kennenzulernen."
„Warum? Bin ich so schlimm?"
Wenn ich lachte, wurde es nur schlimmer, weshalb ich schnell wieder damit aufhörte.

„Nein... deswegen ja."
Draußen fuhr ein Auto vorbei und zerriss die Stille und die geflüsterte Worte des Blonden, sodass ich einen Moment länger brauchte, um die Bedeutung dahinter zu verstehen. Doch da hatte er sich schon auf den Boden niedergelassen und sich mit dem Rücken an der Couch angelehnt.

„Ich glaub, du weißt gar nicht, was du bist. Wer du bist."
„Langweilig? Nervig? Kindisch?"
Er drehte den Kopf, um meinen fragenden Gesichtsausdruck zu sehen.

„Wenn du das wärst, würde ich schon längst nicht mehr hier sein, Park."
Jetzt klang er wieder so verächtlich, wie damals, als ich ihn kennengelernt hatte. Nur konnte ich ihn dieses Mal kein bisschen ernst nehmen. Und nicht nur, weil er mich schon wieder bei meinem Nachnamen genannt hatte.

„Das ist ein Witz, Min", grinste ich ihn an und überlegte ob ich ihm durch die Haare wuscheln sollte, auch wenn sie sich wahrscheinlich weitaus strohiger anfühlten, als sie aussahen.
Zum Glück fiel mir rechtzeitig ein, in welchem Verhältnis wir noch zueinander standen und ich versenkte diesen Gedanken kurzerhand in den Tiefen meines Unterbewusstseins.
Das wäre unpassend.

„Ich mache keine Witze."
„...das überlasse ich euch", vollendete ich grinsend eine Line der Lyrics eines Cyphers, den Tae eine Zeit lang so oft rauf und runter gehört hatte, dass sogar ich die Texte mitsprechen konnte.

Yoongi begann erneut zu lächeln, als würden die Erinnerungen zurückkommen. Etwas verlegen senkte er den Kopf und sah auf seine Hände hinab.

„Nein ernsthaft. Ich mag dich, Jimin. Mehr als du dir wahrscheinlich vorstellen kannst."

Das schrille Klingeln an meiner Wohnungstür verlängerte die Pause, in der ich keine Luft bekam, um drei zusätzliche Sekunden.


















*lacht dümmlich*
Ich liebe Cliffhanger...

Und ich weiß, es ist unpassend, aber seit Freitag könnt ihr eine neue Yoonmin Story auf meinem Profil unter dem Namen 'El Dorado' finden ... nur ein weiterer verzweifelter Versuch mal was anderes als Oneshots zu schreiben, aber ich würde mich trotzdem freuen, wenn ihr es euch mal anseht xD

PS.: Vielen lieben Dank für die mittlerweile 41.000 Reads und 5.000 Votes... diese Zahlen bedeuten für mich mehr, als es vermutlich aussieht!

Carry On  ⇢  YoonminWhere stories live. Discover now