ᴋɴᴏᴡ ʜɪᴍ

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Ich kann es nicht leugnen.
Ich kenne Yoongi.

Ich weiß fast alles über ihn, was er jemals von sich preisgegeben hat. Seine Blutgruppe, seine Größe - ein Zentimeter größer als ich - sein Gewicht, seine Augenfarbe, seine Schuhgröße, seine Spitznamen, die Namen seiner Familie, seine Einstellung zu bestimmten Dingen des Lebens, seine Vergangenheit, sein Lieblingsessen, seine Lieblingszahl. Jungkook nannte mich und Tae aufgrund dessen gruselig. Aber das lag nur daran, dass er sich noch nie wirklich viel mit diesem ganzen Fan-Kram auseinander gesetzt hat.

Das einzige, was es einmal gab, war die Phase in der er für Namjoon geschwärmt hat.
Eine seltsame Phase, die ihm mehr als peinlich ist, weshalb man ihn immer damit aufziehen konnte, wenn er gerade kurz davor war eine Debatte zu gewinnen. Vor allem jetzt, wo er sich selbst einzureden versucht, er wäre durch und durch hetero.

Aber um zurück zu meinem Anfangspunkt zu kommen; ich wusste, dass vor mir ein Mann stand, der schneller rappen als meine WLAN Verbindung mich mit Internet versorgen kann. Ich wusste, dass vor mir ein Mann stand, der schon auf riesigen Bühnen performt hat. Ich wusste, dass vor mir ein Mann stand, der bis spät in die Nacht an seiner Musik sitzen konnte. Ich wusste, dass vor mir ein Mann stand, der sich von nichts hat abbringen lassen. Und ich wusste, dass vor mir ein Mann stand, der nie Schwäche oder Angst gezeigt hatte.

Bis zu diesem Augenblick...

Mit vor Schock geweiteten Augen starrte der Blonde das gerahmte Foto eines Anglerfisches an, das Tae mir zusammen mit dem Fußabtreter zum Geburtstag geschenkt hatte.

Seine Meinung zu diesen Viechern war zwar mehr vernichtend als irgendwas anderes, aber trotzdem konnte sogar ich erkennen, dass ihn diese „deformierten Fischstäbchen" faszinierten. So sehr, dass er mir davon ein Bild schenken musste, mit dem Auftrag, herauszufinden, was genau ihn so an diesen Tieren fesselte. In der Anfangszeit hatte ich mich auch jedes Mal erschreckt, wenn ich um diese Uhrzeit nach Hause gekommen war.

„Das ist ein Fisch", nuschelte ich deswegen nur belustigt und schob Yoongi schnell weiter ins Wohnzimmer, wo er sich, vom Schock erholt, sofort aus meinem Griff wandte. Zugegeben Anglerfische waren nicht die schönsten Tiere und der aufgerissene Schlund des Fisches sah im Halbdunkel wirklich nicht ganz harmlos aus, aber von Yoongi hätte ich eigentlich etwas anderes erwartet.

"Und hier lebst du?", überspielte er seinen Schock und sah sich etwas in dem kleinen Raum um, bevor er, ohne das Licht anzumachen, zu meiner kleinen, roten Couch lief und sich darauf fallen ließ. „Schlaf ich hier?"

Die Art und Weise, wie Yoongi sich bewegte und seinen Blick über mein Bücher- und Filmregal und den Fernseher schweifen ließ, lenkten mich so von seiner ursprünglichen Frage ab, dass er einmal schnipsen musste um mich aus meinem Tagtraum zu holen. Alles an ihm fühlte sich so vertraut an.

„Ähm... ja? Also, ich hab nichts anderes. Tut mir wirklich Leid", brabbelte ich immer noch etwas verwirrt vor mich hin und drehte mich schnell um, um in mein eigenes Zimmer zu gehen und die Gästedecke aus dem Kasten unter meinem Bett zu ziehen. Währenddessen versuchte ich meine Gedanken zu sortieren.

Diese ganze Situation fühlte sich surreal an. Irgendwie falsch, als würde etwas nicht ins Bild passen oder ich gleich aus diesem mehr als seltsamen Traum aufwachen.
Die Tatsache, dass mein Herz, bei jedem Gedanken an den für tot gehaltenen Rapper, schneller schlug, machte das ganze nicht wirklich besser. Ich fühlte mich wieder wie siebzehn.

Mein Atem stockte, als ich zurück ins Wohnzimmer trat und Yoongi dabei erwischte, wie er in meinen Bücher- und Filmregalen herumstöberte. Den schwarzen Mantel hatte er auf die Lehne der Couch gelegt. Sein Rucksack lag halb geöffnet auf dem Boden, sodass ich einen Blick auf weitere Hemden, eine Waschtasche und ein paar lose Geldscheine werfen konnte, die er vermutlich etwas in Hektik in seine Tasche gestopft hatte.

Sein Blick schien konzentriert, als seine Finger über die Buchrücken glitten, die ich alle auf dem Flohmarkt ergattern konnte. Die meisten davon waren auf Englisch.

Erst als er bei den alten, gebrauchten Disneyfilmen angekommen war, löste ich mich aus meiner Starre und legte die Decke auf meiner Couch ab, bevor ich zu ihm rüberlief und mich einmal kurz räusperte. Unter dem weißen Hemd konnte ich seine knochige Schulter förmlich sehen. Er war noch nie der Typ gewesen, der regelmäßig ins Fitnessstudio ging oder anderweitig Sport trieb.

Jungkook hat Recht.
Es war beängstigend, dass ich solche Sachen wusste.

„Ach Gott, wie süß. Bambi", lachte der Blonde leise und drehte sich zu mir um, als hätte er genau gewusst, dass ich mich ihm genähert hatte. „D-damit hab ich Englisch gelernt", gab ich zögernd als Antwort und versuchte durch meinen Blick Schneewittchen und König der Löwen aus dem Regal zu verbannen, die neben dem Klassiker standen, der mir auf einmal unangenehm wurde.

„Drollig", murmelte Yoongi und zog einen Mundwinkel hoch, als würde er versuchen schief zu grinsen. Ich schluckte schwer, als sich unsere Blicke trafen und ich mir zum dritten Mal an diesem Abend bewusst wurde, wer mir gerade so nah war.

„Naja, wie dem auch sei... würdest du mich jetzt allein lassen? Es war nicht so einfach dich ausfindig zu machen, wie ich es mir erhofft hatte und ich bin sehr geschafft von der Reise hier her."
„O-okay", stotterte ich und beobachtete eingeschüchtert, wie Yoongi sich an mir vorbei quetschte und wieder auf der Couch fallen ließ, ehe er sein Hemd aufknöpfte, ohne auch nur ein Wort dazu zu sagen.
Ich schüttelte den Kopf um nicht zu gaffen.

„Ich... ich muss morgen um 16:00 Uhr im Diner sein. Davor muss ich aber noch einkaufen und ein paar andere Sachen erledigen... ich nehme mal an, du wirst dir Busan nicht ansehen..."
Yoongi schenkte mir einen Blick, der mich fühlen ließ, wie ein minderbemittelter Strudelwurm - das einzige Tier, was mir aus Tae's Tiefsee-Phase in Erinnerung geblieben ist. Zusammen mit dem Anglerfisch.

„Wie dem auch sei... meine Wohnung ist nicht groß, es sollte noch ein bisschen Müsli da sein oder sowas und das Bad solltest du auch nicht verfehlen kö-"
„Du gaffst."
„Sorry."
Meine Wangen glühten.

„Ich find mich schon zurecht, keine Sorge", murmelte er, bevor er sich ein normales T-Shirt über den Kopf zog und anfing das Hemd zusammenzufalten. „Aber... versprich mir bitte, dass du niemanden davon erzählst."

Von was?
Dass ein für tot gehaltener Rapper die nächsten Tage auf meiner Couch pennen würde und bis jetzt mit jeder zweiten Aussage seinerseits neue Fragen in mir wachrief?

„Ich verspreche es, keine Sorge."

Kein Danke.
Nur ein letzter Blick, der mir bedeutete das Zimmer jetzt verlassen zu dürfen.

Das würde noch interessant werden...
















Wie recht du doch hast, Jiminie...

Was denkt ihr bis jetzt über Yoongi?

Carry On  ⇢  YoonminWhere stories live. Discover now