ᴛᴏᴏ ᴄʜɪʟᴅɪsʜ

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„Also... was wolltest du mir erzählen?", fragte ich so locker wie möglich und schob dabei unauffällig Yoongis Hose und das Hemd etwas weiter unter die Kissen. Äußerlich bemühte ich mich um ein ruhiges Erscheinungsbild, doch innerlich spürte ich alle meine Nervensysteme und Gedanken auf Hochtouren laufen.

In meinen Fingern kribbelte es nur noch danach, Tae mit einem Tee, Keksen und der Fernbedienung an die Couch zu fesseln, damit ich mich sofort auf die Suche nach Yoongi machen konnte. Nur leider hatte ich weder ein Seil und Kekse, noch die Kraft dafür jemanden wie Kim Taehyung an Ort und Stelle zu halten, ohne dass er misstrauisch wurde.

„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll", seufzte der Blauhaarige theatralisch und lehnte sich in aller Ruhe zurück, was die Unruhe in mir allerdings nur noch weiter anstachelte.

„Wie wär's mit... von vorne?", hakte ich nach und betete inständig, dass ich dem Blauhaarigen nicht jedes einzelne Detail aus der Nase ziehen musste.

„Aber ich weiß nicht, wo das alles begonnen hat", murmelte er schon wieder leicht weinerlich, was mich die Finger im Stoff von Yoongis Klamotten vergraben ließ um meinem besten Freund nicht eine runterzuhauen. „Okay... ich weiß es. Ich bin schwul."

„Na bitte. Das ist doch mal ein Anfang", nuschelte ich verbissen und rang mir ein Lächeln ab. Es war zwar ein Anfang, allerdings band er mir das jeden zweiten Tag unter die Nase und war somit auch nichts Neues mehr.

Auch wenn es zwischendurch auch schon einmal bisexuell geheißen hatte, als er einmal mit einer gewissen Wheein zusammen gebucht wurde und die beiden überraschend einen Auftritt organisieren sollten - was letztendlich alles andere als schlecht gelaufen ist, ihn aber trotzdem für ein paar Tage in einen peinlichen Stalker verwandelt hatte, der Wheein über alle Social Media Seiten, die es gab, versucht hatte wieder zu finden, da dieser Idiot vergessen hatte nach ihrer Nummer zu fragen.

Ebenso war er auch schon einmal Ace, dass allerdings nur für eine knappe Viertelstunde, in der er heulend vor meiner Tür stand, nachdem herauskam, dass Wheein bereits verlobt war.

„Und..."
„Hast du dich verliebt?"
„Nein... Gott, Jimin, kannst du auch eigentlich an was anderes denken?"
Dass meistens er derjenige war, der in höchsten Tönen über jemanden schwärmte, behielt ich aufgrund von aufsteigendem Mitleid für mich. Es war besser so einem geistigen Kleinkind wie Tae nicht die Illusionen zu nehmen, wenn er emotional war.

„Also... es ist wegen Jungkook. Er hat wohl irgendwie herausgefunden, dass ich nicht auf Frauen stehe, und seitdem ist es nicht mehr auszuhalten mit ihm... in einem Haus. Jedes Mal wenn ich an seiner Wohnungstür vorbeikomme, ist er ganz zufällig auch irgendwie da und wirft mir irgendwelche giftigen Bemerkungen an den Kopf."
Tae verstummte, als er meinen Blick bemerkte.
Jungkook war viel zu kindisch, als dass er homophob sein konnte.

„Ich wusste, du glaubst mir nicht. Und dann erzählst du es Jungkook und der leugnet es und dann denkst du, ich hab dich angelogen, und dann wirst du mich hassen und..."
„Hey... Tae. Hör mal bitte einfach nur für zehn Minuten auf dich aufzuführen, wie ein Fünfjähriger, der seiner Mutter beichtet, dass er den Hamster mit Lasagne gefüttert hat... Danke."

Der Blauhaarige sah aus wie ein verprügelter Hund, doch ich konnte an seinem Blick sehen, dass er versuchte sich zusammen zu reißen. Zum Glück.
Das meiste, was mein bester Freund von sich gab, war mit einer Spur unnötigen Dramas versehen. Wird wohl an dem Schauspielergen liegen, was er von seiner Mutter geerbt hatte.
Machte sich gut, bei Auftritten.
Nicht so, im Privatleben.

„Ich werde nicht denken, dass du gelogen hast... nur kann ich mir sehr schwer vorstellen, dass Jungkook jemand ist, der etwas gegen Schwule hat. Ich mein... er frisiert manchmal aus Langeweile seinen Hund, geht regelmäßig zur Maniküre, steht auf Troye Sivan und Ariane Grande..."
„Du und deine Vorurteile."
„...und ist mit mir befreundet", beendete ich gelassen meinen Satz und zweifelte langsam daran, dass wir beide vom selben Jungkook sprachen.

Tae's Schweigen entlockte mir ein Seufzen.
Ich wusste worauf das ganze hier hinauslaufen würde.
„Aber ja, ich kann mal mit ihm reden", gab ich mich geschlagen und hielt den Blauhaarigen mit einem warnenden Blick auf Abstand.

„Danke", erwiderte er schüchtern. „Jungkook ist wirklich ein Anglerfisch. Einfach nur hässlich."
„Und trotzdem findest du Anglerfische interessant", murmelte ich geistesabwesend und überlegte derweil schon einmal, wie ich ihn irgendwie aus der Wohnung bekam, ohne das es zu auffällig wurde. Und dann musste ich mir Gedanken darum machen, wie ich Yoongi wiederfinden sollte. Und ob ich ihn überhaupt wiederfinden sollte, nach allem, was er zu mir gesagt und wie er mich behandelt hatte. Sollte er von allein wiederkommen, musste ich definitiv ein paar Regeln aufstellen und beweisen, dass in mir genauso viel Autorität schlummerte, wie in ihm.

„Tu ich gar nicht."
„Was?"
„Nichts. Wollen wir jetzt deine Haare färben oder nicht? Wolltest du doch heute eh, oder?"
„Was?"

Sofort stand Tae auf und verschwand im Flur, nur um kurze Zeit später mit einer Packung roter Haarfarbe wiederzukommen.
„Die hatte ich noch übrig und weil man wie gesagt alles durch die Wände hört..."
„Das war nur ein Scherz um ihn loszuwerden. Ich wollte heute einfach mal ein bisschen entspannen und allein sein. Meine Haare bleiben so, wie sie sind-..."

•••

Als die Türklingel sich meldete, war ich schon beinahe eingeschlafen. Das einzige, was mich wach hielt, war das regelmäßige Vibrieren meines Handys auf dem gerade tausende Protestnachrichten von Jungkook ankamen, auf das Bild, was ich von meiner neuen Haarfarbe gemacht hatte.

Ansonsten aber hing ich kopfüber auf der Couch und studierte die Filme, die in meinem Regel neben dem Fernseher standen und überlegte ob ich meine Augen besser offen halten konnten, wenn mein Kopf nach unten hing.

Vor einer halben Stunde, als Tae endlich zufrieden mit meinen Haaren war und gegangen ist, hatte ich mir was zu essen gemacht und überlegt ob es Sinn machen würde, Yoongi irgendwo auf der Straße zu suchen, bis mir irgendwann eingefallen war, dass ich noch seine kompletten Sachen hatte und er mit Jogginghose und Oversize-Shirt ganz bestimmt keine Nacht in Busan überleben würde. Nicht zuletzt weil er viel zu verwöhnt war, als dass er unter der Brücke schlafen würde. Was ich wiederum schon einmal machen musste. Aber das hat eine andere Hintergrundgeschichte.

Der schrille, etwas verstimmte Ton meiner Klingel jedenfalls sorgte nicht nur dafür, dass ich meine Augen wieder auf riss, sondern auch, dass ich das Gleichgewicht verlor, von meiner Couch rutschte und unsanft mit dem Kopf zuerst auf dem Teppich aufkam.

Wenn das wieder Taehyung oder Jungkook sein sollten, würde ich denen die Tür vor der Nase zuknallen.
Egal, was sie dann von mir denken würden.
Dieser Tag war das beste Beispiel für unvorhergesehene Ereignisse.
Allen voran der Mistkerl von toten Rapper auf den man 24/7 aufpassen musste, damit er nicht abhaute, wie ein kleines Kind, was seinen Willen nicht bekommt.

Mit schlurfenden Schritten machte ich mich auf den Weg zur Tür und zog sie so schnell wie möglich auf um wen auch immer so vorwurfsvoll und böse wie möglich anstarren zu können.
Allerdings wurde mir dieser Blick sofort aus dem Gesicht gewischt, als mir eine heruntergekommen aussehende Gestalt mit Jogginghose und Mundschutz quasi entgegen kippte und ich nicht anders konnte, als sie aufzufangen.

















Na wer das wohl ist...

Carry On  ⇢  YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt