t w e l v e

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Ich hielt Louis bebenden Oberkörper in den Armen

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Ich hielt Louis bebenden Oberkörper in den Armen. Sanft strich ich ihm über den Rücken. Seine Wirbelsäule entlang, bei der ich jeden einzelnen Wirbel spüren konnte, bis nach oben zu seinem Hinterkopf. Nach und nach erschlaffte sein Körper immer mehr. Schließlich hing er einfach nurnoch wie ein Häufchen Elend an meiner Schulter. Währenddessen bekam mein Hirn Zeit um zu realisieren was hier eigentlich gerade passierte. Sonderlich geschockt war ich nicht von diesen Informationen. Ich war eher angewidert von der stumpfen Herangehensweise der Ärzte. So rücksichtslos und kalt sollte man nicht mit einer Person umgehen, die sich in einem so kritischen, labilen Zustand befand.

Gerade als das Schluchzen des Jungen in meinen Armen einwenig abgeklungen war, öffnete sich die Tür erneut. Der gleiche Mann wie vorhin und eine Frau mittleren Alters mit bunt karrierten Socken in hässlichen Turnschuhen. Mit Schwung betraten sie den Raum und nahmen auf den einzigen zwei Stühlen Platz. Äußerst eingeschüchtert hob Louis den Blick. Zur Beruhigung drückte ich einmal kurz seine Hand. Im Endeffekt verweilte sie dort dann doch länger als geplant. Er errötete und ich räusperte mich kurz, während wir uns aufrichteten. Als wir dann nichtmehr auf dem Boden sondern auf dem Bett saßen öffnete die Frau ihren Mund. Schon bevor sie begann zu reden, wusste ich, dass es eine Psychologin war. Ich kannte solche Leute viel zu gut.

,,Hallo Louis. Ich bin Frau Kümmerlich und bin deine zugeteilte Therapeutin und Psychologin." Ich konnte nicht anders als auf ihre Schuhe zu starren. Wie konnte ein Mensch nur freiwillig so etwas tragen. Schnell sah ich wieder weg und konzentrierte mich auf Louis, der zu sprechen ansetzte. ,,Was wollen sie alle von mir?" Die Verzweiflung war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören. Mein Kiefer spannte sich an. Ich wollte nicht, dass er es so schwer hatte. ,,Zuallererst müssen wir klarstellen, ob dieser Mann bei dem Gespräch anwesend sein darf." Sie nickte mit dem Kopf in meine Richtung. ,,Ja, er kann während der ganzen Sache dabeibleiben" Louis hatte also sein Einverständnis gegeben. ,,Okay dann beginnen wir jetzt. Da sie nun schon vemehrt wegen den gleichen Gründen hier waren, haben wir einmal durch ihre Akte gesehen und die Daten gesichtet. Ihr Puls war jedes Mal deutlich zu niedrig. Zu Beginn wurden sie einmal gewogen und befanden sich damals schon kurz vor dem Untergewicht. Das würden wir heute wiederholen. Ansonsten stelle ich ihnen jetzt noch einige Fragen. Diese sind nötig um sie endgültig zu diagnostizieren." Unter Tränen blieb ihm nichts anderes übrig als zu nicken.

Diese Therapeutin kramte in ihren Unterlagen herum, bis sie anscheinend den gesuchten Zettel gefunden hatte. Angespannt kaute ich auf meiner Unterlippe. Ich würde Louis jetzt Beistand leisten. Er hatte es gerade mehr als nötig, auch wenn ich jetzt schon längst Zuhause sein sollte...
,,Also beginnen wir. Erzähl mir bitte etwas wie dein Alltag aussieht, ob du dich momentan in einer Beziehung befindest und wie deine Familiensituation ist." Er schluckte schwer und überwand sich schließlich zu antworten. ,,Ich bin auf dem College gerade dabei meinen Abschluss zu machen und bin sehr ehrgeizig, mache mir relativ viel Druck. Ich hatte noch nie eine Beziehung. Eine sehr wichtige Person in meinem Leben ist Lottie, meine 9 jährige Schwester um die ich mich sehr viel kümmere, weil unsere Eltern wenig bis kaum Zeit für uns haben." Die eigenartige Frau machte sich eifrig Notizen, während Louis sein aktuelles Leben in knappen Sätzen zusammenfasste. Um ehrlich zu sein interessierte es mich vermutlich noch mehr als sie. Ich wollte mehr von ihm erfahren. Wer war er? Was waren seine Hobbys, Lieblingsfarbe und was dachte er als letztes bevor er einschlief? Noch nie in einer Beziehung. So unschuldig...

,,Gut. Jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema. Wie ist deine Beziehung zu Essen? Machst du exzessiven Sport oder verzichtest so viel wie möglich auf Kalorien und hochkalorische Lebensmittel?" Stille. Ich beobachtete jede kleinste Regung in seiner Mimik. Er hob den Blick und sah mir direkt in die Augen. Ein fragender Ausdruck formte sich, als würde er mich um Rat fragen. Ich nickte und flüsterte ,,Es ist okay Louis, sie müssen es wissen. Erzähl es ihnen." Er fokussierte sich auf seine zitternden Hände, während er begann zu reden. ,,Ja, tue ich." Mehr brauchte es anscheinend nicht. ,,Die letzte Frage ist, ob du dich mit Absicht übergibst. Als nächsten Schritt werden wir dich wiegen." Er schluckte laut. ,,Manchmal, nicht oft. Können wir das wiegen nicht bitte einfach weglassen?" Bevor sie antwortete schrieb Mrs. Psychologin ihren Zettel fertig. Dann sah sie Louis in die Augen und schüttelte einfach nur den Kopf. ,,Es ist notwendig für die vollständige Diagnose. Außerdem haben wir die vollständige Erlaubnis ihrer Eltern eingeholt." Er schnaubte verächtlich während die Arme verschränkte.

Die Frau stand auf und Griff nach einer Waage, die unbeachtet schon die komplette Zeit hinter ihr stand. Frau Kümmerlich platzierte sie direkt vor Louis Füßen und sah ihn auffordernd an. Dieser seufzte und erhob sich langsam. Auf ihre Bitte hin, streifte er sich fast in Zeitlupe die Schuhe von den Füßen. Als er fertig war, sah er schluckend auf die Waage hinunter. ,,Steige bitte drauf." Unnötigerweise bat sie ihn ein weiteres Mal darum. Louis schniefte nochmal kurz, bevor er sich überwand. Ohne es verhindern zu können zog ich scharf die Luft ein und mein geschockter Blick lag auf dem viel zu dünnen Mann vor mir. Ohne genauere Infos über gesundes und ungesundes Gewicht zu haben, war mir ganz deutlich bewusst, dass die Zahl nach Untergewicht schrie. Ich wusste nicht, warum es mich so berührte, geschweige denn so aus der Bahn warf. Um Fassung bemüht rutschte ich ein wenig auf meinem Platz herum. Es war mir unmöglich den Blick von der Nummer abzuwenden, bis Louis wieder herunter stieg und sie mit einem letzten Blinken verschwand. Er wog quasi fast die Hälfte von mir. Es war ein beängstigendes Gefühl.

Sobald er sich umdrehte suchte Louis Blickkontakt mit mir. Es wurde von einem kurzen Blickekreuzen zu einem intensiven Moment. Ich erschauderte und ihn ließ es nicht ganz kalt. Ich konnte es nicht in Worte fassen was hier gerade geschah. Es war wie eine stumme Unterhaltung ohne jegliche Missverständnisse. Innerhalb von Sekunden hatte sich diese Situation entwickelt und haute mich regelrecht um.

Durch das 3-fache Klicken eines Kugelschreibers wurden wir aus diesem Trance ähnlichen Zustand gerissen. Die Psychologin notierte sich die Werte und überkreuzte danach ihre Beine. ,,Louis, du befindest dich an einer sehr entscheidenden Grenze. Dein aktuelles Gewicht ist extrem gefährlich und je nach dem wieweit du kooperierst wird darüber entscheiden wie wir mit der Behandlung beginnen." Er nickte nur. Anscheinend hatte Louis aufgegeben sich gegen das Ganze zu wehren. Vielleicht würde es ihm helfen schneller wieder gesund zu werden. Schon den kompletten Morgen beschäftigte mich der Fakt, dass er nochimmer nichts gegessen hatte. Fuck ich begann mir viel zu viele Sorgen um einen Mann zu machen, der mich besser nicht interessieren sollte. Mir war bewusst, dass ich schon bei unserer zweiten Begegnung viel zu emotional gehandelt hatte. Und jetzt war es zu spät um wieder eine Distanz zurückzubekommen...

 Und jetzt war es zu spät um wieder eine Distanz zurückzubekommen

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•°○eure sternenpups 💫
》1164 Wörter


Skinny Love [l.s.] ✔Where stories live. Discover now