57. Kapitel

768 53 2
                                    

Phileas

Erschrocken keuche ich auf und weiche ein paar Schritte zurück. Ob er dort wohl schon lange gestanden hat? Aber wenn ja, hätten Delfina und Newt ihn doch bemerken müssen. Zudem hätte er uns in diesem Fall wahrscheinlich schon längst zerfleischt.

Bei dem Gedanken daran, dass ich jetzt schon Wolfsfutter sein hätte können, dreht sich mir der Magen um, doch ich darf in diesem Moment nicht daran denken. Ich greife nach dem Messer um meine Hüfte, dass Ceadda mir eben vor unserer Abreise gegeben hat und lasse den schwarzen Wolf dabei nicht aus den Augen. Auch Delfina und Newt haben Waffen gezückt.

„Sollen wir ihn umbringen?", fragt Newt auf einmal in die Runde und ich sehe ihn ein bisschen perplex an. „Na ja, ich meine nur. Was ist, wenn er uns noch mehr verraten kann, was die schwarzen Wölfe und diese Blume angeht", erklärt er seine Frage und ich schüttel nur leicht den Kopf. Newt ist schon immer manchmal ein bisschen zu gutmütig gewesen.

„Dir ist klar, dass er höchstwahrscheinlich jetzt versuchen wir, uns umzubringen, so wie die anderen schwarzen Wölfe? Wenn er kurz davor ist, meine Kehle durchzubeißen, werde ich ganz sicher nicht Rücksicht auf sein Leben nehmen", antworte ich wahrscheinlich ein bisschen zu hart.

„Ich glaube, Newt meint eher, wie wir in den Kampf reingehen wollen. Das du dein Leben über das des Wolfes stellst, ist schon klar. Ich würde sagen, wir versuchen, ihn erstmal auf Abstand zu halten, statt direkt umzubringen. Vielleicht kann er uns wirklich etwas verraten", stellt Delfina sich auf die Seite meines Bruders und ich nicke nur. Eigentlich haben beide Recht, allerdings bin ich mir nicht sicher, inwiefern ich mich zurückhalten kann.

Mein Vater hat mich so erzogen, dass, wenn ich mein Leben in Gefahr sehe, ich jeden meiner Gegner töte. Er meinte immer, alles andere wäre ein Zeichen als Schwäche. Jetzt weiß ich nicht, ob ich diesen Instinkt abschalten kann oder nicht. Trotzdem begeben wir uns in diesen Kampf. Mal wieder werde ich davon überrascht, wie stark diese schwarzen Wölfe doch sind. Während wir zu dritt gegen in Kämpfen, schafft er es immer irgendwie, alle Angriffe abzuwehren. Langsam macht sich in mir eine Vermutung breit und ich kann einfach nur hoffen, dass ich falsch liege.

„Leute, wir sollten unsere Taktik ändern. Wenn wir so weitermachen, sind wir bald erschöpft und er hat leichtes Spiel", ruft Delfina mitten im Kampf auf einmal und ich kann ihr nur zustimmen. Allerdings komme ich nicht dazu, etwas zu erwidern, denn genau in diesem Moment springt der schwarze Wolf auf mich zu.

Gerade noch rechtzeitig tritt Newt vor mich und wehrt den Wolf mit seinem Schwert ab. Dieser wird dabei zwar verletzt, doch kann ich mit bloßen Augen Mitansehen, wie sich die Wunde in Sekundenschnelle wieder schließt und nur etwas Blut in seinem Fell übrig bleibt.

„Was haltet ihr davon, wenn zwei immer gegen in Kämpfen, während der dritte kurz Pause macht? Und wir wechseln immer wieder so im Drei-Minutentakt durch", führt Delfina ihren Vorschlag weiter aus.

„Das ist eine sehr gute Idee, finde ich. Phileas, was sagst du dazu?" Newt wirft mir einen kurzen fragenden Blick zu und ich bringe nur ein Nicken hervor.

„Möchtest du als Erster Pause machen? Schließlich hast du bis jetzt auch am meisten gekämpft", bietet Delfina mir an. Für einen Moment überlege ich, ihr den Vortritt zu lassen. Allerdings fällt das Atmen mir schwer und sie hat auch Recht. Bis jetzt habe ich am meisten gekämpft, bin von einem Punkt zum anderen gerannt, um mit den Wolf mitzuhalten und habe immer wieder auf ihn eingestochen, in der Hoffnung, dass irgendeine Wunde bleibt, sobald er näher auf mich zu kam.

Mit langsamen Schritten entferne ich mich einige Meter. Weit genug entfernt, um nicht mehr so schnell in das Kampfgeschehen zu geraten, aber nah genug, dass ich, sollten sie meine Hilfe brauchen, jederzeit eingreifen kann. Aufgrund der Angst, dass genau Letzteres passieren kann, wage ich es auch nicht, mich irgendwie auf den Boden zu setzen, da ich sonst wahrscheinlich viel zu viel Zeit beim Aufstehen benötigen würde. Langsam wird mein Atem wieder ruhiger und gleichmäßiger. Ich spüre schon fast, wie mein Körper sich wieder mit Energie füllt und schon nach wenigen Minuten fühle ich mich wieder fit genug, um zu tauschen.

Während der Zeit habe ich den beiden bei dem Kampf zu gesehen. Sie stellen sich erstaunlich gut an, dafür, dass Newt eben noch fragte, ob wir ihn umbringen wollen. Doch viel faszinierender finde ich, wie gut die beiden sich ergänzen, zumindest jetzt im Kampf. Es scheint fast so, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Wenn der andere gerade ein Problem hat, ist der andere schon zur Stelle. Es scheint fast so, als könnten sie sich auch ohne Worte verständigen.

Allerdings würde das nur gehen, wenn sie Mate wären. Doch das wäre ein verdammt großer Zufall, wenn mein Bruder der Mate von der Zwillingsschwester meiner Mate wäre. Aber es wäre möglich. Auf einmal kann ich diesen Gedanken nicht mehr aus meinem Kopf vertreiben und ich gehe jeden einzelnen Schritt der Reise durch, wo die beiden zusammen gewesen sind.

Haben sie sich irgendwie anders verhalten oder finde ich einen anderen Anhaltspunkt? Aber so sehr ich auch nachdenke, ich finde einfach nichts. Zudem muss ich auch zugeben, dass ich meistens weder mit Newt noch mit Delfina gesprochen habe. Ich habe die beiden noch nicht mal wirklich oft im Blickfeld gehabt.

Ein Schrei reißt mich aus meinen Gedanken und ich drehe mich mit Schwung um. Aus einem Gang, der in diese Halle führt, kommen drei Personen heraus, die ich augenblicklich erkenne. Scott, Niklas und Alissa. Mit einem Lächeln stelle ich fest, dass jeder einzelne schon seine Waffe gezückt hat.

Gemeinsam stürmen sie auf den schwarzen Wolf zu und auch ich schließe mich an. Selbst, wenn wir in nicht töten wollen, so haben wir jetzt vielleicht die Chance, ihn irgendwie zu fesseln, oder Ähnliches. Doch als wir mit Newt und Delfina auf einer Höhe sind, bleibt der Wolf auf einmal stehen. 

Ein Jaulen entfährt ihm, als hätte er furchtbare Schmerzen. Mit einem Mal knicken seine Beine unter ihm weg und er fällt zu Boden. Dort fängt er an, sich hin und her zu krümmen und langsam kommt mir eine Vermutung, was hier gerade passiert.

„Ich glaube, er verwandelt sich zurück", teile ich den anderen meine Annahme mit. Eilig laufe ich zu unseren Rucksäcken, die wir eben abgelegt haben, und krame dort meine Wechselkleidung heraus. Da ich jetzt mal nicht davon ausgehe, dass er besonders groß oder klein ist und ich auch eher zu den Größeren gehöre, gehe ich mal davon aus, dass die ihm einigermaßen passen sollten. Ich werfe die Kleidung neben ihn. 

Schon nach wenigen Minuten hat er sich vollständig zurückverwandelt und die Kleidung angezogen. Diese passt ihm erstaunlich gut, doch viel erstaunter bin ich über seine Haarfarbe. So ein helles Weiß, wie bei ihm, kenne ich eigentlich nur von den weißen Wölfen und Adriana. Allerdings bin ich auch nicht der Einzige, der ihn sprachlos anstarrt.

„Also, danke. Sowohl für die Kleidung, als auch dafür, dass ich mich nicht getötet habt", beginnt er zögernd das Gespräch. In diesem Moment scheint er erfreulicherweise nicht wirklich darauf aus zu sein, uns alle umzubringen, was ich ziemlich beruhigend finde.

„Wer bist du?", beginnt Scott sofort mit der Fragerei und ich höre das Misstrauen in seiner Stimme.

„Du bist derjenige, der auf Esperanza's Trauerfeier den Streit mit der Frau begonnen hat, oder?", schreit Alissa auf einmal auf und sieht ihn fragend an. 

„Genau, mein Name ist Celio", sagt er, als wäre es das normalste auf der Welt. Wir anderen können ihn hingegen nur erstaunt anstarren.

So damit kennt ihr nun alle lebenden weißen Werwölfe. Glaubt ihr, er kann ihnen helfen oder geht von ihm noch Gefahr aus?

Der schwarze BetaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt