28. Kapitel

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Newt

Ich spüre, wie Kilian neben mir anfängt, vor Erschöpfung zu taumeln. Am liebsten würde ich mich jetzt neben ihn stellen, damit er sich auf mich stützen kann. Doch der starke Griff von Aurelio hinter mich daran, stattdessen schiebt er Kilian einfach weiter. Dieser sieht schon lange nicht mehr gut aus, sondern ehe wie ein Geist.

„Wir müssen eine Pause machen. Mein Freund kann nicht mehr", halte ich es nicht mehr aus und erhebe die Stimme. Erstaunt bleibt die Frau stehen und wendet sich zu uns um. Als ihr Blick bei Kilian hängen bleibt, meine ich, für einen kurzen Augenblick Sorge in ihm zu erkennen, doch so schnell ist es auch wieder verschwunden.

„Okay, wir rasten kurz. Aurelio, ihr kümmert euch um die zwei Gefangenen. Ich hingegen nehme diesen Mal kurz mit." Beim letzten Satz deutet sie auf mich und ein mieses Gefühl macht sich in meiner Brust breit. Was kann sie von mir wollen?

„Seid Ihr sicher, Alpha?"

„Natürlich. Oder stellst du meine Entscheidung in Frage?" Diesmal lässt ihre Stimme keinen Widerspruch zu und zögerlich lässt Aurelio mich los. Ich schleiche zu der Alpha vor, wobei es alles andere als einfach ist, mit den gefesselten Händen.

„Folge mir." Sie braucht nicht mehr zu sagen und wortlos entfernen wir uns von den anderen. „Wie heißt du?" Ihre Stimme lässt einen Widerspruch zu, sodass ich nicht anders kann, als ihr einfach meinen Namen zu nennen.

„Newt."

„Also, Newt. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass die anderen Gefangene deine Freunde sind. Was bringt euch hier in die kalte Welt?"

„Das Rudel meines Freundes, in dem auch ich Mitglied bin, ist von den schwarzen Wölfen angegriffen worden. In einem Buch, von der Großmutter meines Freundes stand drin, dass wir hier in dieser Welt ein Mittel gegen die Wölfe finden. Aus diesem Grund haben wir ein Portal gesucht und sind hierher gekommen. Doch beim Durchqueren des Portales sind wir von unseren Freunden getrennt worden", gebe ich ihr eine kurze Zusammenfassung.

„Ich muss dich leider enttäuschen, hier werdet ihr nicht fündig werden."

„Was bedeutet das? Die schwarzen Wölfe werden uns alle umbringen und wir können nichts dagegen tun?" Soll jetzt alles umsonst gewesen sein, die ganze Mühe, die wir auf uns genommen haben. Meine Gedanken wandern zu Kate und bei dem Gedanken, dass auch sie von den schwarzen Wölfen umgebracht sein könnte, dreht sich mir der Magen um.

„Das vielleicht nicht unbedingt. Vielleicht gibt es wirklich ein Mittel gegen die schwarzen Wölfe. Aber wenn es das gibt, so kennt es keiner von uns. Bis jetzt ist es den Wölfen einzig und allein nicht möglich gewesen, hier in die kalte Welt zu kommen."

„Was bedeutet ‚bis her'?" Scheinbar gehört diese Frau nicht zu den Leuten, die gerne mal Klartext reden, statt immer mehr Fragen offen zu lassen.

„Mein Name ist Nikita und ich bin eine Alpha hier. Vor einiger Zeit hat es damit begonnen, dass die Fische in den Flüssen, unsere Hauptnahrungsquelle, verschwanden und niemand wusste vorhin. Schließlich bin ich mit meinen drei Begleitern auf die Suche gegangen, da, wie du siehst, es hier sonst kaum etwas gibt. Doch als wir zu unserem Rudel zurückkehrten, fanden wir nur eine Ruine wieder. Alle meine Rudelmitglieder sind ermordert worden, das Dorf niedergebrannt. Ich bin sicher, sie haben tapfer gekämpft, doch wir fanden nur eine Leiche der Angreifer." Es macht sich ein mulmiges Gefühl in meinem Bauch breit, wobei ich mir denken kann, was als nächstes kommt.

„Ein schwarzer Wolf", rate ich nur und Nikita nickt nur betrübt. Eine Alpha, die ihr Rudel verloren hat. So etwas kommt eher selten vor, meistens sterben sie mit ihrem Rudel. Ansonsten fällt ihnen es schwer, ein neues Leben zu beginnen, wo sie sich meistens einem anderen Alpha unterordnen müssen. „Was haben Sie jetzt vor?" Ich wechsel augenblicklich in die Höflichkeitsform, schließlich steht vor mir eine Alpha und dann auch noch eine meiner größten Idole. Nikita, die Kommunikative. Diejenige, die mit ihren Worten in der Lage sein soll, die Welt zu verändern. Oder Frieden zwischen zwei verfeindeten Parteien zu sähen. Als Kind wollte ich immer wie sie sein. Mit Waffen bin ich noch nie sonderlich begabt gewesen und dann wollte ich immer wenigstens gut mit Worten umgehen können. Mit aneinandergereihten Buchstaben meinen Gegenüber zu überzeugen.

„Ich will zu einem der anderen Rudel kommen, damit ich alle benachrichtigen kann. So etwas müssen alle erfahren." Ich nicke und will gerade etwas erwidern, als das Schreien einer Eule erklingt und ich nach oben sehe. Über uns zieht eine Schneeeule ihre Kreise, ehe sie nach einigen Sekunden zur Landung ansetzt. Schließlich lässt sie sich auf Nikita's ausgestreckten Arm nieder, die ihren Blick auf die Eule gerichtet lässt. Nach einigen Augenblicken macht sie sich daran, etwas von der Kralle des Vogels zu lösen und erst, als sie es in der Hand hält, bemerke ich, dass es ein Brief ist.

„Liest du ihn bitte vor?" Ich will gerade nicken, als mein Blick auf meine immer noch gefesselten Hände fällt. „Oh, Entschuldigung." Hastig macht sie sich daran, mit ihrer freien Hand meine Fesseln zu lösen und als meine Hände endlich befreit sind, nehme ihr den Brief entgegen. Langsam mache ich mich daran, ihn zu öffnen.

„An alle Alphas, hiermit rufe ich zu einem Alphatreffen auf. Dabei möchte ich nicht nur das unerwünschte Besuchen mehrere Jugendlichen besprechen, sondern auch das Auftreten und die Gefahr der schwarzen Wölfe. Bitte schickt mir schnell eure Antworten. Damara."

„Also hattest du wirklich Recht, dass ihr mehrere seid." Sie mustert mich mit einem Lächeln, ehe sie mir einen Stift reicht.

„Schreibe bitte drunter, dass ich kommen werde, und unterschreibe mit meinem Namen." Ich nicke, tue, was sie sagt, ehe ich ihr den zusammengefalteten Brief wieder zurückgebe. Sie befestigt ihn wieder an der Eule, ehe sie diese losschickt. „Jetzt sollten wir aber wieder zu den anderen gehen und ihnen davon berichten." Mit einem Nicken stimme ich ihrem Vorschlag zu und gemeinsam machen wir uns auf den Weg.

Schließlich kommen wir wieder bei den anderen an, die schon das Lager wieder aufgebaut haben und nun in einem Kreis um das Feuer herumsitzen. Beziehungsweise die Begleiter von Nikita sitzen in einem Kreis um das Feuer, meine Freunde hingegen sind wieder an zwei Bäume gefesselt worden. Als sie uns bemerken, beobachtet Aurelio, sowie die anderen zwei Männer mit großen Augen, wie ich ohne Fesseln herumspaziere.

„Du kannst deine Freunde befreien. Danach kommt ihr zu uns und ich erkläre allen, was passiert ist", trägt sie mir auf und hastig mache ich mich daran, ihre Aufgaben auszuführen. Ich sehe, wie sowohl Kilian, als Ben sich erleichtert die Handgelenke reiben und sich strecken, als ich sie beide befreit habe. Gemeinsam mit Kilian schaffe ich es, Ben wieder in seinen Rollstuhl zu setzen und wir gehen zu den anderen.

„Was ist hier los, Alpha?" Aurelio scheint nicht so ganz zu verstehen, wieso wir auf einmal frei herumlaufen dürfen.

„Sie sind keine schwarzen Wölfe und damit auch nicht schuld, an dem Tod unserer Rudelmitglieder. Sie sind von der Erde und hierher gekommen, um die schwarzen Wölfe zu besiegen", erklärt sie ihm, doch ich weiß schon, dass er das nicht einfach so lassen wird.

„Woher willst du wissen, dass er wirklich die Wahrheit spricht? Was ist, wenn er dich schamlos angelogen hat und einfach auch nur unseren Tod will." In seiner Stimme kann ich den Hass deutlich erkennen, aber ich kann es auch mehr als nachvollziehen. Wahrscheinlich hat er neben seinen Freunden, auch noch seine Familie und vielleicht seine Mate bei diesem Angriff verloren und nun braucht er natürlich jemanden, dem er die Schuld geben kann an allem.

„Damara hat einen Brief herumgeschickt. Sie ruft zu einem Alphatreffen auf, bei dem zum einen über die schwarzen Wölfe geredet werden soll, als auch über eine Gruppe von Jugendlichen, die ohne wirkliche Erlaubnis hierhergekommen sind", beantwortet sie seine Frage indirekt und für einen kurzen Moment scheint er zu überlegen, ob er ihr noch weiter widersprechen soll. Schließlich entscheidet er sich aber dagegen und wirft mir nur einen mahnenden Blick zu.

„Ich behalte euch im Auge." Die Drohung, die in seiner Stimme mitschwingt, lässt mir mein Blut in den Adern gefrieren, doch ich tue so, als hätte ich sie gar nicht wirklich wahrgenommen. Aber auch Nikita geht auf diese Drohung nicht ein, sondern wendet sich stattdessen irgendeinem anderen Thema zu. Während wir aber so am Feuer sitzen, etwas kleines essen und ein bisschen von der Erde erzählen, spüre ich aber immer wieder die Blicke von Aurelio auf mir, die die ganze Zeit zeigen, dass egal, was ich tue, jeder meiner Schritte beobachtet wird und das ich besonders vorsichtig sein muss, bei allem, was ich mache.

Der schwarze BetaWhere stories live. Discover now