33. Kapitel

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Adriana

Seitdem wir losgegangen sind, hat keiner von uns auch nur ein Wort gesagt. Lavea hat mich weitestgehen ignoriert, Ceadda und Mirko haben auch nur geschwiegen und wahrscheinlich gar nicht erst daran gedacht, mit mir über diese Wahrheit zu reden, doch genauso wenig habe ich sie versucht, darüber auszufragen. Die einzigen, die weder mit jemanden Streit haben, noch irgendwelche Geheimnisse zu verbergen haben, sind Ace und Isabella, die erstaunlich viel aneinanderkleben. Die Sonne steht mittlerweile recht hoch am Himmel und als ich meinen Blick wieder nach vorne richte, kann ich in der Ferne irgendwelche Bauten ausmachen.

„Ist das da hinten ein Dorf?", stellt Ace die Frage, die mir schon auf der Zunge lag.

„Ja, das wird das Rudel von Sherine sein. Sofern sie noch nicht aufgebrochen ist, werden wir dort rasten und unsere Kräfte ein bisschen auftanken. Dann können wir den letzten Teil des Weges in einem Stück zurücklegen", erklärt Mirko mir. Scheinbar läuft es bei jedem Alphatreffen so ab. Bei dem Gedanken an etwas Ordentliches zu essen und ein warmes, gemütliches Bett fühlt es sich an, als hätten meine Kräfte nochmal einen Extraschub bekommen und den anderen scheint es nicht anders zu gehen. In einem erstaunlichen Tempo legen wir den Weg zurück und es ist interessant, wie die Häuser mit jedem Schritt immer größer und größer werden, bis man sogar einzelne Personen erkennen kann.

Bei denen dauert es auch nicht sonderlich lange, bis sie zu bemerkt haben und mit einem Mal herrscht auf dieser Seite des Dorfes ein reges Treiben, was wahrscheinlich alles andere als normal ist. Als wir schließlich nur noch wenige Meter von dem Dorf entfernt sind, löst sich eine Frau aus der Menge und kommt mit einem Lächeln auf uns zu.

„Lavea, Mirko, es ist so schön, euch wohlauf wiederzusehen." Mit einer kurzen Umarmung begrüßt sie sie und so, wie die anderen beiden sich verhalten, scheint dies Sherine, eine weitere weiße Wölfin zu sein.

„Sherine, schön dich wiederzusehen", umarmt nun auch Ceadda die Alpha, die ihm kurz danach durch die Haare wuschelt.

„Oh, du bist so groß geworden, Ceadda. Ich erinnere mich noch genau, als du das letzte Mal hier mit Lavea vorbeigeschaust hast, bist du noch so ein kleiner, süßer Junge gewesen, der seine Nase überall reingesteckt hat. Wie lange ist das jetzt schon her?" Selbst, wenn sie lächelt, wirkt sie seltsam. Ihre Stimme klingt befremdlich emotionslos und ihre Augen funkeln nicht. Ceadda schient das Ganze hingegen ein bisschen peinlich zu sein, denn er senkt den Kopf und seine Wangen färben sich leicht rot.

„Darf ich dir jemanden vorstellen? Das sind Adriana, Isabella und Ace. Sie kommen von der Erde", wechselt er nach einigen Augenblicken das Thema und lenkt die Aufmerksamkeit somit auf uns, wobei wir uns bisher ganz gut im Schatten halten konnten. Misstrauisch mustert Sherine uns, ehe sie auf uns zukommt.

„Ich bin Sherine, Alpha dieses Rudels." Sie reicht mir die Hand und ich nehme sie entgegen.

„Adriana, Alpha des Amerika-Rudels." In ihrem Gesicht zeichnet sich Erkenntnis ab, als ich den Namen meines Rudels nenne.

„Es freut mich, Euch kennen zu lernen. Auf der Erde hört man sehr viel von Euch, Ihr sollt eine starke und gute Alpha sein. Nur bis hier ist Euer Ruf leider nicht vorgedrungen."

„Euch scheint mein Name hingegen etwas zu sagen. Verbringt Ihr sehr viel Zeit auf der Erde?"

„Ein bisschen mehr, als die meisten anderen, aber wahrscheinlich bei weitem nicht so viel, wie das Rudel der Boten, angeführt durch Nikita." Danach wendet sie sich Ace und Isabella zu und begrüßt sie mit der gleichen Höflichkeit wie bei mir. „Ich nehme mal an, ihr wollt hier rasten. Ihr seid genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen, es gibt gerade Mittagessen." Mit diesen Worten dreht Sherine sich um und geht auf das Dorf zu, wobei die Menschenmenge sich mittlerweile zum Großteil aufgelöst hat. Nur noch wenige Menschen stehen hier und beobachten uns staunend. Doch auch diese beginnt Sherine zu verscheuchen, damit alle wieder an ihre Arbeit kommen.

„Erlaubt mir eine Frage, Sherine, könnte es sein, dass wir uns irgendwoher kennen?" Interessiert mustere ich sie, da ich schon die ganze Zeit irgendwie das Gefühl habe, dass sie mir bekannt vorkommt. Aber immer wenn ich genauer darüber nachdenke, woher ich sie kennen könnte, verflüchtigen sich die Gedanken, als würde ich sie nicht zu packen bekommen, genau wie Kolibris.

„Es ist ein Wunder, dass Sie sich überhaupt erinnern. Es sollte vor sieben oder acht Jahren gewesen sein, da habe ich Ihrem Vater einen kurzen Besuch über ein paar Tage abgestattet." Bei diesen Worten fällt es mir wieder ein und ich könnte mich dafür schlagen, dass es mir nicht schon früher eingefallen ist. Damals ist sie ohne Begleitung gekommen und hat mehrere Tage bei uns im Rudel verbracht. Ich habe sie total faszinierend gefunden, da sie die gleiche Haarfarbe wie ich hat und ich so etwas noch nie bei einem anderen Werwolf gesehen habe.

„Jetzt erinnere ich mich wieder. Sie haben mir damals Mut gemacht, dass es immer wieder ein Licht am Ende des Tunnels gibt, als ich damals wegen meinen Haaren geärgert worden bin."

„Das stimmt allerdings. Ich bin damals bei Ihrem Vater gewesen, um ihn in diese Welt hiereinzuladen. Doch er hat meinen Vorschlag abgelehnt, mit der Begründung, dass er Sie nicht dort alleine lassen könnte. Seine Liebe zu Ihnen habe ich damals schon bewundert. Wie geht es ihm?"

„Er ist tot, schon vor zwei Jahren gestorben. Deswegen bin ich jetzt schon Alpha", erkläre ich ihr kurz und knapp, da ich über dieses Thema immer noch nicht sonderlich gerne rede.

„Das tut mir leid", erwidert sie einfach nur und ich bin schon fast froh, dass sie nicht noch weiter auf das Thema eingeht. Nach einigen Minuten betreten wir eins der größeren Häuser, höchstwahrscheinlich ihr eigenes, und aus der Küche kommt ein wunderbarer Duft zu uns hinübergeschwebt. „Kommt alle rein." Wir lassen uns alle in ihrem Wohnzimmer nieder, entweder auf der Couch oder am Esstisch und es dauert einige Sekunden, bis sie mit einem Eintopf zu uns stößst. „Jeder von euch kann sich etwas nehmen." Es erstaunt mich zunehmend immer mehr, wie herzlich sie uns doch aufnimmt, wo sie doch die Hälfte nicht mal kennt, während sie jedem einen Teller gibt.

Nach einigen Minuten ist jeder am Essen und es tut mehr als gut, endlich wieder eine richtige Mahlzeit zu essen.

„Ich würde sagen, wir warten noch auf Thore und Noah und gehen mit ihnen gemeinsam zur verlorenen Stadt. Schließlich ist dies kein Ort, wo man sich alleine herumtreiben sollte", schlägt Sherine vor und bekommt von allen Seiten zustimmende Blicke. „So lange ihr keinem meiner Rudelmitglieder schadet, könnt ihr euch hier frei bewegen und euch entspannen, später könnt ihr hier im Haus schlafen." Mit diesen Worten entlässt Sherine uns und mach sich selber auf den Weg, um wahrscheinlich noch ein paar Dinge vorzubereiten.

Ich hingegen werfe einen kurzen Blick zu Ace und Isabella, doch die scheinen ganz ins Essen vertief zu sein, ehe ich aufstehe, um mir einen ruhigen Ort zu suchen. Einen Ort, wo ich entspannen kann und endlich mal wieder für mich. Schließlich finde ich einen Ort, am Ufer des Sees auf der gegenüberliegenden Seite vom Dorf und lasse meine Füße im Wasser baumeln. Mit geschlossenen Augen genieße ich die Stille, die ich in letzter Zeit, so wenig hatte.

Der schwarze BetaWhere stories live. Discover now