10. Kapitel

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Newt

Erschöpft lehne ich mich gegen die kühle Hauswand, während Ben immer noch auf das Meer hinaus starrt. Keine Ahnung wieso, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass ihn das Ganze mehr mitnimmt. Langsam erhebe ich mich und bleibe neben ihm stehen.

„Wie geht es dir?" Meine Stimme klingt unglaublich erschöpft und schwach und ich lasse meinen Blick über das Meer schweifen.

„Ich mache mir Sorgen um Ace. Er ist mein bester Freund und ich habe keine Ahnung, ob wir schon einmal länger als 24 Stunden voneinander getrennt gewesen sind." Anders als Ben habe ich zu keinem der anderen eine so gute Verbindung, nicht mal zu Phileas, meinem eigenen Bruder. Betrübt blicke ich zu Boden, vollständig in meine Gedanken vertieft.

„Newt! Guck mal." Aufgeregt deutet Ben auf einen kleinen Punkt mitten im Meer und angestrengt versuche ich, diesen genauer zu erkennen. Leider ist er dafür viel zu weit entfernt, aber der Punkt bewegt sich. Mit jeder Sekunde kommt der kleine Punkt stetig näher und wird größer.

„Da ist jemand!" Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen und im ersten Moment wäre ich am liebsten auf und abgesprungen wie ein kleines Kind, aber im letzten Moment kann ich mich noch davon abhalten.

„Hallo! Wir sind hier!" Verzweifelt versuchen wir, diese Person auf uns aufmerksam zu machen.

Anscheinend funktioniert es auch, denn mit einem Mal wird das Boot schneller und nach und nach zeichnen sich immer mehr Details ab. Schließlich ist das Boot so nah, dass wir endlich die Person erkennen können. Bei diesem Anblick bleibt mir der Mund offen stehen und ich kann es nicht glauben.

„Kilian!" Auch Ben kann sein Erstaunen nicht verbergen und er scheint auch nicht mehr zu wissen, als ich. Nur wage mache ich das Lächeln auf den Lippen von Kilian aus, doch mittlerweile ist mir vollkommen klar, dass er es wirklich ist.

Nach nur wenigen Minuten hat er uns endlich erreicht und übermütig umarmt er uns zu Begrüßung.

„Was macht ihr hier?" Fragend blickt Kilian uns an und ich werfe Ben einen kurzen Blick zu, wobei wir beide wahrscheinlich das gleiche denken.

„Diese Frage sollten wir eigentlich dir stellen. Du warst doch auf dem Weg zu Adriana und jetzt treffen wir dich hier. Beantworte du unsere, dann beantworten wir dir deine." Streng mustere ich meinen Gegenüber, da ich dem Braten immer noch nicht so ganz traue.

„Das ist eine gute Frage, ich habe selber keine Ahnung. Ich war auf der Reise und dann hört meine Erinnerung auf dem Weg zum Rudel vom Flugzeug plötzlich auf und als Nächstes erinnere ich mich daran, wie ich auf einer nahgelegenden Insel aufgewacht bin und dort habe ich auch dieses Boot gefunden. Aber jetzt ihr."

„Wir sind hier wegen den schwarzen Wölfen, diejenigen, die auch dein Rudel angegriffen haben. Vorher sind wir noch in Kanada vorbeigekommen, um Adriana mit ins Boot zu holen. Sie ist auch irgendwo hier, genau wie die anderen. Wir sind voneinander getrennt worden." Während Ben ihm alles erzählt, reißt er erschrocken die Augen auf.

„Adriana? Sie ist hier? Wie geht es ihr? Hat sie irgendwas über mich gesagt?"

„Adriana war kurz davor das Vereinigungsritual mit Scott zu vollziehen, also nein, wir konnten keinen wirklichen Plausch mit ihr halten. Stattdessen waren wir erst damit beschäftigt, sie von ihrem Vorhaben abzubringen und dann sind wir praktisch auch schon hierher gereist."

Meine Stimme klingt seltsam wütend, als ob er oder Adriana oder jemand anderes etwas falsch gemacht hätte. Doch schon als ich das Vereinigungsritual mit Scott erwähnen, verhärtet sich der Gesichtsausdruck von Kilian und als ich ende, kann ich absolut keine Emotion in seiner Miene erkennen.

Eine unangenehme Stille kehrt ein, die niemand durchbrechen möchte, bis Kilian sich schließlich aufrafft.

„Kommt mit. Verlassen wir diese Insel und suchen am besten die anderen. Vielleicht kann ich so auch herausfinden, wie ich hier gelandet bin." Mit einem Nicken stimmen sowohl Ben als auch ich Kilian's Vorschlag zu und zu zweit tragen Kilian und ich Ben mit seinem Rollstuhl aufs Boot.

Gemeinsam mit Kilian schiebe ich das Boot auf das Meer hinaus, während Ben ein kleines bisschen mit dem Paddel mithilft und nur nach wenigen Minuten treiben wir mehrere Meter vom Strand entfernt auf dem Meer.

„Soll ich dir helfen?" Interessiert mustere ich Kilian nach einigen Sekunden, der damit beschäftigt ist, dass Boot anzutreiben. Dieser hält seinen Blick aber auf das Wasser gerichtet und schüttelt einfach nur den Kopf, mit den Gedanken ist er wahrscheinlich immer noch bei Adriana.

So langsam bin ich schon fast froh, meine Mate nicht gefunden zu haben, wenn ich daran denke, wie Scott sich fühlen muss und dann auch noch die Probleme zwischen Adriana und Kilian. Da er meine Hilfe scheinbar wirklich nicht will, blicke ich zu Ben, der gedankenverloren in den Himmel starrt und wahrscheinlich wieder an Ace denkt.

„Es wird alles wieder gut, schließlich sind wir jetzt schon mal von der Insel runter." Erschrocken sieht er mich an, scheinbar habe ich ihn vollkommen aus seinen Gedanken gerissen, doch schon im nächsten Moment lächelt er wieder und ich kann die Dankbarkeit für meine Worte in seinen Augen erkennen.

Langsam nehme ich seine Hand und drücke sie, einfach nur, um ihm zu zeigen, dass ich da bin. Während wir so wie erstarrt sitzen bleiben und immer weiter fahren, entfährt mir ein Lachen, nie hätte ich gedacht, dass ich einmal so sentimental werde oder so etwas in der Art.

Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal hier sitzen werde und jemanden versichern werde, dass ich für ihn da bin, da Bindungen für mich noch nie sonderlich leicht gewesen sind. Aber in diesem Moment verändert sich etwas in mir, ich weiß nicht genau, was es ist, nur, dass etwas anders ist und vielleicht ist es ja so gut.

Der schwarze BetaWhere stories live. Discover now