13. Kapitel

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Scott

Schon seit Stunden sitzen wir hier auf der Bank, mittlerweile neigt sich der Tag dem Ende zu und vor wenigen Minuten ist auch noch Alissa in eine der Hütten verschwunden.

Ich habe keine Ahnung, was genau passiert ist, aber als Alissa mit der leuchtenden Spitze angekommen ist, ist plötzlich totales Chaos ausgebrochen und Damara hat uns rausgeschmissen, als ein Ratstreffen einberufen wurde.

„Hier, ich habe euch etwas mitgebracht. Bedient euch ruhig." Alissa ist wieder zurückgekommen und hält mir und Niklas eine Schale mit verschiedenem Obst hin. Dankbar nehme ich diese an, während Niklas sie noch ein bisschen misstrauisch beäugt.

„Ich werde euch schon nicht vergiften." Alissa hat seinen Blick scheinbar bemerkt, doch nach einigen Sekunden greift auch er nach einem Stück Apfel.

„Also, wenn diese komische Turmspitze anfängt zu leuchten, sollen alle weißen Werwölfe in der Welt versammelt sein? Aber es geht doch eigentlich gar nicht, weil Esperanza tot ist." Niklas klingt interessiert und sieht Alissa fragend an.

„Ja, zumindest laut der Legende nach. Ich persönlich glaube, dass nicht einmal die Alphas selbst wissen, welche Legenden wahr sind und welche eine Lüge. Auf jeden Fall ist es noch nie vorgekommen, dass die Turmspitze angefangen hat zu leuchten." Alissa dreht sich weg und starrt auf den leuchtend hellen Punkt im Nachthimmel, der Kilometer von uns entfernt zu sein scheint.

Fast hätte ich ihn sogar für einen Stern gehalten, doch dafür leuchtet er schon fast zu hell und zum anderen kann man das Schloss darunter erkennen, dass mit diesem verbunden ist. Selbst aus dieser Entfernung sieht das Schloss einfach nur atemberaubend und magisch aus, wobei ich mir noch gar nicht mal vorstellen möchte, wie es aussieht, wenn man direkt davor steht.

„Bist du je dort gewesen?" Niklas braucht nicht mehr zu sagen, man versteht auch so direkt, dass er das Schloss meint.

„Nein, bisher noch nicht, aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgeben und vielleicht, wenn wegen euch ein Alphatreffen einberufen wird, kann ich euch begleiten."

„Ein Alphatreffen? Was ist das und wieso sollte es wegen uns einberufen werden?" Durch Alissa bin ich mehr als verwirrt und mal wieder merke ich, dass ich gar nichts über diese Welt weiß.

„Beim Alphatreffen treffen sich alle zehn Alphas an einem neutralen Ort, von denen es nur zwei gibt, und alle aktuellen Streitereien und Zankereien werden niedergelegt und vergessen. Zudem darf man auch keine Waffen bei sich tragen und ein Alpha darf nur eine bestimmte Anzahl von Personen mit sich nehmen, die vorher festgelegt werden, damit das Treffen nicht dazu benutzt werden kann, sich über die anderen Alphas zu erheben. Und wahrscheinlich werden sie dort besprechen, wie es zum einen mit den schwarzen Wölfen weitergeht und was mit euch passiert. Schließlich seid ihr ohne Erlaubnis hierhergekommen." Während Alissa erzählt, seufze ich auf. Dieses Ganze Wir-besiegen-die-schwarzen-Wölfe scheint doch etwas komplizierter und länger zu werden, als ich vorher angenommen habe.

„Wie lange bist du eigentlich schon hier in dieser Welt?", wechselt Niklas auf einmal das Thema und scheint damit nicht nur mich, sondern auch Alissa zu verwirren, die sich aber schneller wieder gefasst hat.

„Ich bin mit zwölf hierhergekommen, aber hier vergeht die Zeit anders, weswegen ich auch ein paar tausend Jahre älter bin als ihr." Als sie die Zahl tausend nennt, ziehe ich überrascht die Luft ein und kann nicht anders, als sie entgeistert anzusehen. Doch damit scheint Niklas Fragerei noch nicht beendet zu sein.

„Wieso bist du mit zwölf hierhergekommen?" Betrübt blickt Alissa auf den Boden und man muss nicht sonderlich schlau sein, um zu wissen, dass sie darüber nicht gerne reden.

„Du musst nicht antworten", antworte ich hastig, während ich Niklas einen grimmigen Blick zu werfe.

„Nein, ist schon gut. Es ist doch eine ganz normale Frage." In diesem Moment habe ich absolut keine Ahnung, was in ihr vorgeht, nicht sicher, warum sie wirklich auf seine Frage antwortet. „Ich bin in einen Rudelkrieg geraten und dabei tödlich verwundet worden. Meine Mutter hatte eine Einladung erhalten, hierher zu kommen, und nahm mich mit, damit man meine Wunden heilen konnte. Der einzige Grund, warum ich jetzt noch lebe. Aber meine Mutter durfte eigentlich niemand hierhin mitnehmen, sie bezahlte dafür mit ihrem Leben."

„Das tut mir leid, wirklich. Ich hätte nicht so neugierig sein sollen." Niklas blickt sie entschuldigend an, worauf sie ihm ein halbherziges Lächeln schenkt.

„Du konntest es ja nicht ahnen, oder? Und bei euch, irgendwelche Sachen, die ich wissen sollte?" Wahrscheinlich war ihre Frage nicht wirklich ernst gemeint, doch augenblicklich sieht Niklas mich an und ich wende meinen Blick ab, schließe die Augen, während ihr Gesicht vor mir auftaucht.

Ihr Lachen klingt in meinen Ohren und als ich an ihre tollpatschige Art denke, muss ich unwillkürlich lächeln. Doch gleichzeitig macht sich ein Schmerz in meiner Brust breit, wenn ich daran denke, dass ich nie wieder ihre sanfte Stimme hören werde. Nie wieder ihr bezauberndes Lächeln sehen werde. Verzweifelt balle ich meine Hände zu Fäusten, in der Hoffnung, dass der Schmerz endlich aufhört.

„Alles in Ordnung?" Sowohl die Stimme, als auch die Hand an meiner Schulter reißen mich aus meinen Gedanken und ich drehe mich hastig um. Während Niklas mich mitleidig mustert, kann ich in Alissa's Blick zum Großteil nur Verwirrung erkennen, und vielleicht sogar ein bisschen Verständnis.

„Die Wunde ist noch frisch, oder? Wer ist es gewesen?" In ihrer Stimme steckt Mitleid und Mitgefühl, doch nicht diese Art, wie man sie verabscheute, wenn die Leute meinen, sie wüssten, was man durchmacht, aber nie so etwas gefühlt haben. Nein, es ist echtes Mitgefühl, wie als wolle sie sagen, ich weiß, was du durchmachst, ich habe es selbst gespürt und ich bin immer für dich da.

„Meine Mate. Es ist erst vor ein paar Tagen geschehen. Oder es ist schon Wochen her, ich weiß es nicht genau. Alles fühlt sich an, wie ein Traum, aus dem man jedem Moment erwacht." In diesem Moment habe ich keine Ahnung, woher ich die Kraft und den Mut nehme, ihr schon fast mein ganzes Herz auszuschütten. Alissa nickt einfach nur, wobei ich die Fragen in ihrem Blick schon fast erkennen kann, während ich ihrem Blickkontakt standhalte.

„Also ich denke, ich muss mal irgendwie auf Toilette. Wo ist hier eine? Keine Ahnung, wann ich wiederkomme." Niklas scheint das Ganze mehr als peinlich zu sein, wobei ich nicht weiß, was auf einmal mit ihm los ist. Alissa erklärt ihm kurz, wo er hin kann und schon im nächsten Moment ist er verschwunden und es kehrt wieder Stille ein, wobei ich nicht weiß, was ich sagen soll.

„Meine Mutter ist Heilerin gewesen, ich habe es schon immer faszinierend gefunden, was sie alles mit einfachen Pflanzen anstellen konnte, aber mein Vater wollte immer, dass ich Lehrerin werde, obwohl die Heilerin in der Rangordnung über der Lehrerin kommt. So hatte ich mich auch bei meiner Zeremonie entschieden.

Doch als ich diese Erinnerung wieder durchlebte, als ich durch das Portal kam, da dachte ich eigentlich, ich würde sterben und mir wurde bewusst, dass ich mein Leben genießen sollte und das tun, was mir gefällt, nicht was andere wollen. So wurde ich eine Wechselnde.

So sah ich meiner Mutter dabei zu, wie sie die Giftpflanze nahm, wie sie ihre Augen schloss und aufhörte zu atmen. Die Tage danach waren die schlimmsten. Es fühlte sich so an, als ob sie jeden Moment durch die Tür kommen würde und mir mit ihrem besonderen Lächeln in den Arm nehmen würde, wie, wenn nichts passiert wäre. Aber das passierte nicht." Wie in Trance stehe ich auf und nehme Alissa in den Arm, während ihre Augen kurz davor sind, sich mit Tränen zu füllen.

Doch genau in dem Moment, als ich etwas sagen will, öffnet sich die Tür hinter uns und wir fahren erschrocken auseinander, wie, wenn etwas passiert wäre, wofür wir uns schämen würden. Damara mustert uns mit einem wissenden Lächeln, während ich ihren Blick erwidere und Alissa auf den Boden starrt.

„Wir sind zu einer Entscheidung gekommen."

Der schwarze BetaWhere stories live. Discover now