22. Kapitel

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Phileas

„Ähm ..." Zu mehr bin momentan nicht im Stande und erst jetzt scheint sie zu bemerken, dass sie mich ziemlich erschrocken hat. 

„Oh, tschuldigung." Langsam löst sie sich von mir und ermöglicht es mir so, in ihr Gesicht zu blicken. Erschrocken ziehe ich die Luft ein und weiche ein paar Schritte zurück. 

„Das ist nicht möglich. Du ... du kannst nicht hier sein." Ich fange an, unkontrolliert zu atmen, immer abgehakter. Doch gleichzeitig kann ich meinen Blick nicht von ihr abwenden. Ihre kantigen Gesichtszüge stehen immer noch im Kontrast zu ihrer zärtlichen Figur, die ich immer noch um einen guten Kopf überrage. Diese zauberhaften moosgrünen Augen, voller Wärme und Liebe, starren mich verwirrt an. Die goldenen Haaren sind in den Jahren nur noch länger und kräusilger geworden. Ich weiche noch einen Schritt zurück und in diesem Moment scheint ihr ein Licht aufzugehen. 

„Oh mein Gott, Phileas. Es tut mir so Leid. Ich ..." 

„Nein. Ich brauche keine Erklärung von dir." Meine Stimme klingt in diesem Moment so unglaublich hart, doch anders kann ich es nicht ausdrücken. „All die Jahre. Alles Lügen, Betrug. Einfach alles." Stückchenweise gehe ich immer weiter nach hinten. Es fühlt sich an, als hätte sie mir vor den Kopf gestoßen. Als hätte sie mich niedergestoßen und würde über mich lachen, wie einen Dummkopf. Ein Dummkopf, dass bin ich. 

In diesem Moment übertrete ich die Linie wieder und die Personen, die mir fassungslos nachschauen, verschwimmen langsam. Ich sehe noch, wie sie mir etwas nachruft, doch höre nichts. Wie sie mir nachlaufen will, doch wird stattdessen von Thore zurückgehalten. Die Anderen stehen einfach nur herum und beobachten das Ganze, als wäre es ein Theaterstück. Danach verschwinden sie vollkommen und ich kann zum ersten Mal wieder richtig Luft holen. Doch ich kann noch immer keinen klaren Gedanken fassen. Ich weiß einzig, dass ich ihr Gesicht nicht mehr ertragen kann. Dass ich hier weg muss. 

In einer fließenden Bewegung drehe ich mich um und verwandel mich im selben Augenblick. Meine Pfoten berühren den Boden und ich presche in voller Geschwindigkeit los. Ich möchte nur noch hier weg. Ich renne in eine beliebige Richtung, keine Ahnung, ob ich aus dieser gekommen bin oder nicht. In diesem Moment weiß ich gar nichts mehr. Mein Herz schlägt in dem Takt, in dem meine Pfoten auf dem Boden aufpralle. Die Regentropfen durchweichen mein Fell bis auf die Knochen. Doch ich spüre weder die Kälte, die mich langsam einhüllt, noch meinen Hunger oder Durst. 

Ich kann nur an sie denken. Wie kann sie mir das Ganze nur antun? Ich dachte, wir wären füreinander bestimmt, doch vielleicht ist auch das eine Lüge gewesen. Immer wieder gerate ich durch den schlammigen Boden ins Rutschen, bis ich es einmal nicht schaffe, mein Gleichgewicht beizubehalten. Stattdessen lande ich auf der Seite und rutsche noch einige Meter weiter, bis ich liegen bleibe. 

Der Sprint hat mich nun vollends ausgepowert und selbst das Atmen fällt mir nun schwer. Doch statt einfach aufzustehen und in die eine oder andere Richtung zu laufen, bleibe ich liegen. Wahrscheinlich sehe ich schrecklich aus, doch mittlerweile ist mir alles egal. Am liebsten würde ich jetzt einfach die Augen schließen und für immer hier liegen bleiben. 

Oder die Zeit zurückdrehen und alles anders machen. Vielleicht würde ich mit Newt und Kate fliehen. Vielleicht würde ich meinen Vater nie verlassen. Oder aber ich würde sie nicht gehen lassen. Keine Ahnung, wann mein Leben eine solche Wendung genommen hat. 

Erschöpft bette ich meinen Kopf ins nasse Gras. Leider ist alles, was ich mir wünsche, unmöglich oder einfach nur irrsinnig. Newt würde jetzt wahrscheinlich irgendeinen dummen Witz reißen, mit dem er jeden aufmuntern könnte. Kate hätte jetzt wahrscheinlich die passenden Worte parat, um mir wieder aufzuhelfen. Doch stattdessen bin nun ich derjenige von uns, der hier im Schlamm liegt und sich im Selbstmitleid suhlt. 

Der schwarze BetaOn viuen les histories. Descobreix ara