47. Kapitel

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Adriana


„Töte mich schon", keife ich den Wolf an, wobei ich mir nicht sicher bin, ob er mich wirklich versteht. Aber er bewegt sich immer noch keinen einzigen Schritt von der Stelle. Stattdessen bildet sich ein schmerzhafter Ausdruck auf seinem Gesicht. In diesem Moment stellt sich mir augenblicklich die Frage, wieso er mich eben noch töten wollte und jetzt einfach nur ansieht. Ich nehme all meinen Mut zusammen, da ich sowieso keine andere Möglichkeit habe, und knie mich hin. Schließlich bin ich mit dem Wolf auf genau einer Augenhöhe und zwinge mich dazu, nicht wegzusehen.

„Ich weiß nicht, ob du mich hörst, aber ich kann dir helfen. Du musst mir nur sagen, wobei ich dir helfen kann und ich tu's." Wahrscheinlich ist es in diesem Moment mehr als verrückt, wobei ich ja noch nicht mal weiß, ob er mich wirklich versteht. Aber einfach stehen bleiben und darauf warten, dass er mich umbringt, ist auch nicht wirklich eine Variante.

Während ich spreche, verändert er sich. Nicht in dem Sinne, dass er sich zurückverwandelt, sondern in einem anderen Sinne. Er scheint sich zu entspannen und das Glühen seiner Augen verändert sich. Bis eben konnte man noch die Mordlust und den Zorn erkennen, aber nun tritt ein anderer Ausdruck ein, den ich aber nicht genau bestimmen kann. Doch schon im nächsten Moment verschwindet dieser wieder und an seine Stelle tritt nur Schmerz. Nicht mehr und nicht weniger. Bevor ich in irgendeiner Weise handeln kann, dreht er sich um und huscht er um die nächste Ecke.

Augenblicklich löse ich mich aus meiner Starre und selbst, wenn es eigentlich nicht sonderlich schlau ist, folge ich ihm ein paar Schritte. Doch als ich um die Ecke blicke, ist er schon aus meinem Blickfeld verschwunden. Immer noch ein wenig verwirrt, sehe ich ihm nach. Dabei brauche ich noch einige Sekunden, um zu registrieren, dass ich nun nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr schwebe und das Lächeln auf meinen Lippen lässt sich nicht verhindern.

Eben war ich noch mir sicher, dass die anderen nur noch meine verweste Leiche finden würde, doch jetzt atme ich immer noch. Aber schon im nächsten Moment bilden sich neue Szenarien in meinem Kopf aus. Was ist, wenn er nun zu den anderen läuft, um den anderen schwarzen Wölfen zu helfen? Oder wenn er nun Verstärkung holt? Beide Gedanken sind nicht sonderlich erfreulich, doch in jedem Fall sollte ich so schnell wie möglich, wieder zu den anderen zurückkommen. Aus diesem Grund habe ich auch keine Zeit darauf zu warten, dass sie mich zuerst finden werden. Also mache ich mich zögernd auf den Rückweg, wobei der Weg, den ich einschlage, meistens mehr als geraten ist.

Zwar kommen mir die Straßen in keiner Weise bekannt vor, doch schon von weitem kann ich einige Stimmen ausmachen. Also entweder habe ich meine Freunde getroffen oder serviere mich den schwarzen Wölfen gleich auf einem Silbertablett. So leise wie möglich schleiche ich zu der Straßenecke und luge um diese herum. Erleichtert atme ich aus, als ich feststelle, dass es wirklich meine Freunde sind, ganz vornean Scott. Ich komme aus meinem Versteck hervor.

„Hi", begrüße ich sie, da mir nichts Besseres einfällt.

„Adriana?" Scott scheint ein bisschen überrumpelt von meinem Auftreten zu sein und ich nicke einfach nur grinsend. „Was machst du hier? Wo bist du überhaupt gewesen?"

„Ich habe den schwarzen Wolf, gegen den ich gekämpft habe, durch die Straßen gelockt, in der Hoffnung, dass ich ihn abhängen kann. Mein Plan hat aber eher weniger gut funktioniert. Ich dachte eigentlich schon, ich würde den nächsten Tag nicht mehr erleben, aber dann ist er einfach abgehauen", schildere ich ihnen kurz alles, was passiert ist. „Danach wollte ich zu euch kommen, um zu sehen, ob es euch gut geht."

„Keine Sorge, uns geht es allen gut. Uns ist in etwa das Gleiche passiert, wie dir. Wir hatten fast alle Wölfe besiegt, doch dann sind sie auf einmal alle verschwunden", erklärt Newt mir, der hinter Scott steht. Ich nicke einfach nachdenklich, wobei dieses Verhalten der Wölfe schon ein bisschen auffällig ist. Doch bevor ich mir weiter irgendwelche Gedanken machen kann, fällt mir eine andere Frage ein.

„Was macht ihr überhaupt hier? Und wo sind die Anderen?"

„Die anderen sind noch im Rudelhaus. Sherine hatte vorgeschlagen, dass wir uns trotz deines Verschwindens schon mal auf die Reise in das Schloss begeben, damit wir so wenig Zeit wie möglich verlieren. Sie wollten dich dann später suchen gehen", erklärt mir wieder Scott und ich nicke abwesend. Wenn sie später nach mir suchen wollen, sollte ihnen vielleicht jemand Bescheid geben, dass ich mit den anderen gehe.

„Wo geht ihr gleich lang? Ich renne eben zurück, sag ihnen Bescheid und hole euch dann schon wieder ein", spreche ich meinen Vorschlag laut aus. Sott stimmt mir nickend zu und erklärt mir kurz den Weg, den sie einschlagen werden. Danach trennen wir uns wieder voneinander und während sie ihren Weg fortsetzen, laufe ich eben zurück. Als ich die Stelle erreiche, wo das Rudelhaus steht, höre ich schon von außen mehrere Stimmen, die laut miteinander diskutieren. Ich bleibe für einen kurzen Moment stehen, um herauszufinden, worüber sie reden.

„Ich sage es euch, sie ist es ganz sicher. Woher sollte sonst diese Ähnlichkeit kommen?" Die Stimme von Ceadda erkenne ich sofort und er klingt von sich mehr als überzeugt.

„Nein, nein, das kann nicht sein. Wieso hat sie uns nicht darauf angesprochen? Ich stimme ja zu, dass mit Adriana irgendwas nicht stimmt, aber so nun auch wieder nicht." Ich brauche einige Sekunden, um die Stimme von Sherine zu erkennen. Doch jetzt ist wahrscheinlich der Zeitpunkt gekommen, die Lauscherei zu beenden.

„Hallo?" Als ich den Raum betrete, wird es augenblicklich still und alle Augen richten sich auf mich. Unsicher verlagere ich mein Gewicht von der einen Seite auf die andere und wieder zurück.

„Adriana, gut, dass du nun auch aufgetaucht bist." Sherine schenkt mir ein Lächeln, doch ich gehe darauf gar nicht ein. Am liebsten würde ich nun erstmal erfahren, worüber sie eben geredet haben, aber ich habe so die Ahnung, dass ich es eher nicht so schnell erfahren werde. Und das wäre eher unpraktisch, da wir die schwarzen Wölfe so schnell wie möglich besiegen möchten.

„Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich mit den anderen zum Schloss zurückkehren." Mit diesen Worten drehe ich mich um und verlasse das Haus. Zwar interessiert es mich wirklich brennend, worüber sie geredet haben. Doch gleichzeitig muss ich nicht allwissend sein, um zu wissen, dass sie es mir nicht so leicht sagen werden. So wie Ceadda es damals auch alles abstritt. Aber als ich mich langsam von dem Haus entferne, kommt mir aber auch keiner nach und automatisch verschnellere ich meine Schritte, um die anderen so schnell wie möglich einzuholen.

Schließlich erreiche ich den Rand des Dorfes und lasse meinen Blick über die Umgebung schweifen. Mit den Augen folge ich dem rechten Weg und in der Ferne kann ich die anderen entdecken, wie sie sich immer weiter vom Dorf entfernen. Ich fange an, zu rennen und nach einigen Minuten habe ich zu ihnen aufgeholt. Keuchend schnappe ich nach Luft und bekomme dafür nicht wenige seltsame Blicke zugeworfen.

„Adriana, alles in Ordnung?" Scott wirft mir einen fragenden Blick zu, da er weiß, dass ich normalerweise besser in Form bin. Ich nicke einfach nur.

„Immer noch ein bisschen erschöpft von dem Kampf eben und jetzt noch von dem kurzen Sprint", gebe ich einfach als Antwort. Allerdings bin ich mir mehr als sicher, dass das nicht der einzige Grund ist. Doch ich ignoriere das seltsame Gefühl einfach und zusammen setzen wir unseren Weg fort.

Der schwarze BetaWhere stories live. Discover now