11 Frei, wie ein Vogel.

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Isabell hielt mir eine graue Mütze unter die Nase und ich verstand. Gerade setzte ich die Mütze auf, als Jerry erschien. Dick eingepackt und unsicher sah er mich an: „Gibt's Probleme?"

„Wieso?", Isabell schien verwirrt. „Ich hoffe, du bist nicht gelangweilt, wenn wir wieder den Hafen besuchen. Aber dieses Mal ist wirklich was Cooles dabei!"

Wir verließen das Hotel und ich wollte gerade ein Taxi rufen, als Jerry meinte: „Der Wagen fährt gleich vor. Ich bringe euch hin, wo ihr hin wollt."

„Ach Unsinn, wir können doch die Bahn nehmen, so wie gestern", fand Isabell. Mir fehlte jede Ausrede, doch mein Personenschützer war schwer auf Zack: „Hm, ich denke, es wäre besser, wenn wir dich heute nicht so viel laufen lassen. Du warst gestern ganz schön kaputt."

Das konnte Isabell nicht abstreiten und so wurde Jerry vom Bodyguard zum Chauffeur befördert. Der Rechtsverkehr in Deutschland machte mich nicht mehr nervös, seit ich in den amerikanischen Staaten selbst Auto fuhr.

„Im übrigen", begann Isabell im Auto, „du bist ein schlechter Lügner. Die Reeperbahn ist etwas völlig anderes. Ich habe es nachgeschlagen."

Abwehrend hob ich die Hände: „Sorry. Willst du da trotzdem heute Abend hin?" Ich würde sie kaum begleiten können. Doch zu meiner Erleichterung schüttelte den Kopf: „Ach nein, das muss ich nicht ohne dich machen und du warst da wahrscheinlich schon, oder?"

Ertappt gab ich zu: „Ja."

Erwartungsvoll sah sie mich an: „Und? Jetzt erzähl schon, wie kam es dazu?"

„Na ja... ich... war schon öfters in Hamburg und habe Familie hier." Und ich begann schließlich Isabell von Tante Angelika und Onkel John zu erzählen. Beide lebten seit Jahren in Deutschland und meine Cousine Larissa besuchte häufig Konzerte von mir.

Ich mochte den Teil der Familie, doch ich sah sie viel zu wenig, weil Tante Angelika den Medienrummel um mich herum nicht mochte und auch nicht wollte, dass meine Cousine da zu tief mit rein gezogen wurde. Etwas, was ich gut verstehen wollte. Onkel John nannte mich deshalb oft den Besucher aus einem anderen Universum. Als wäre ich E.T.

Aufmerksam hörte Isabell zu: „Hast du sie diese Woche schon getroffen?"

„Ja, ich war für zwei Stunden bei ihnen, einen Tag bevor du gelandet bist. Und als ich volljährig war, da hat Onkel John mir die echte Reeperbahn bei Nacht gezeigt."

„Und, war's toll?", mit einem breiten Grinsen sah sie mich an, genauso begeistert, als ich ihr von Japan und der unzensierten Version berichtete.

Knapp zuckte ich mit den Schultern: „Keine Ahnung, ich habe einen ziemlichen Filmriss. Das Einzige, was ich noch weiß ist, dass das deutsche Bier verdammt lecker und irgendwie stark ist." Außerdem waren da nackte Hintern gewesen, auf denen ich meinen Namen setzten sollte und zu guter Letzt hatte ich einen pinken Spitzentanga in meiner Jackentasche gefunden.

John tat am Morgen so, als wäre sein Name Hase und er wüsste von nichts.

Jerry parkte den Wagen im Parkhaus und dann machten wir uns zu Fuß weiter auf dem Weg zum Hafen. Meine Hand griff nach Isabells und ihre kalten Finger verschränkten sich mit meinen warmen. Es war kalt, ein kühler Wind wehte, aber dafür erstreckte sich über uns ein wolkenloser blauer Himmel.

Der Wind spielte mit Isabells rotblonden Haaren, die sie sich zu einem schlichten Zopf gebunden hatte. Es waren eine ganze Menge Leute am Hafen unterwegs und verstopften die Wege. Hier und da drängelten sich Leute aneinander vorbei.

Fahrradfahrer, Hundeführer, Eltern mit Kinderwagen, sie alle hatte das gute Wetter nach draußen gezogen. Einige tranken heiße Getränke in den Cafés, andere saßen auf Bänken und beobachteten Schiffe oder betrachteten das Treiben. Wir suchten uns ebenfalls einen Sitzplatz und eroberten eine Bank. Dort packte Isabell ihre Kamera aus.

Jenseits der Stille ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt