58 - Zinkgelb

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▷ cvmel - light of my life


Müde reibe ich mir den Schlaf aus den Augen und versuche, Schritt mit Theo zu halten. Er erinnert mich immer mehr an einen Labrador, wobei auch ein bisschen Schäferhund in ihm zu sein scheint. Oma ist zu Hause und backt Kuchen für Noahs Besuch heute Nachmittag. Ich muss lächeln bei dem Gedanken ihn heute wieder zu sehen. Er fehlt mir und ich muss zugeben, dass ich wirklich sehr in ihn verliebt bin. So wie man es aus Filmen und Bücher kennt. Und die Protagonistinnen die ich früher so belächelt habe, sind mir heute gar nicht so unähnlich. Ich seufze und atme tief ein. Es tut gut, an der frischen Luft zu sein und sich zu bewegen und ich nehme mir vor, die Gassirunden mindestens zweimal am Tag zu übernehmen. Entgegen aller Erwartungen tut es gut und ich werde automatisch etwas wacher. Außerdem habe ich das Gefühl, dass meine Kondition sich ein wenig bessert - was auch daran liegen mag, dass ich nach und nach meinen Zigarettenkonsum einschränke. Theo und ich passieren ein Haus mit einem Gartenzaun aus Holz und einer riesengroßen grünen Hecke. Mich hat schon immer interessiert wer in diesem Haus wohnt, das sich hinter dieser Hecke versteckt. Vielleicht ist es auch eine Villa und da drin haust ein Promi oder Fußballspieler. Der Garten ist von der Straße aus nicht einzusehen, weswegen man überhaupt keine Schlüsse auf den Bewohner ziehen kann. Wir passieren ein Haus mit offenem Garten und ich bleibe kurz stehen, um ihn zu bewundern. Obwohl Winter ist und kaum noch Blätter an den Pflanzen, sieht der Garten gepflegt aus und gerade im Frühling muss es wunderschön sein, dort zu sitzen und zu lesen. Ich beschließe, Omas und meinen Garten ebenso schön herzurichten und freue mich über die Aufgabe. Vielleicht kann ich Leonie, Nico und Noah dazu überreden, mich dabei zu unterstützen.

Nach einer Stunde kehre ich um und wechsle die Straßenseite. In dieser Straße fahren kaum Autos und dennoch achte ich darauf, dass ich über den Zebrastreifen gehe - es könnte mich ja ein Kind dabei beobachten, wie ich mitten über die Straße renne. Ein schlechtes Vorbild als Kind und das ganze Erwachsensein hat seine Tücken.

Ich wechsle die Straßenseite, weil Theo ja nicht an der gleichen Seite laufen soll und die ihm bereits bekannten Gerüche erforschen müssen. Es hat keine zwei Tage gedauert und ich habe einen Narren an ihm gefressen. Man kann ihm nicht böse sein, egal, wie viel er schon angestellt hat. Wenn er weiß, dass er etwas ausgefressen hat, legt er den Kopf schief und schließt die Augen - in der Hoffnung, dass wir ihn nicht mehr sehen. Manchmal kriecht er dann auch unter die Couch und hofft, dass wir nicht mehr wissen, wo er ist. Aber an seinen Hintern, der unter der Couch hervorlugt, denkt er nicht. Kataloge sind übrigens seine Lieblingsmahlzeit - möchte man denken, so oft wie er diese schon auseinandergerissen hat und darauf herumkaut. Die ganzen Papierfetzen liegen dann natürlich immer bei Oma im Haus verteilt, die grinsend die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Auch so ist Theo lebensfroh, er liebt Menschen - außer Menschenmassen, wie ich festgestellt habe, als ich ihn einmal mit an den Alexanderplatz genommen habe. Das fand er nicht besonders toll. Irgendwann hat er sich auf den Boden gelegt und ist nicht mehr weitergelaufen. Und egal, was ich gemacht habe, er ist liegen geblieben, hat sich nicht bewegt und war starr wie ein Stein. Alle Passanten mussten über ihn drübersteigen, was ihn noch wahnsinniger gemacht hat und ihn zum Jaulen gebracht hat. Mit dem Jaulen hat er mich an einen Wolf erinnert. Es war wirklich peinlich, weil es für die anderen so aussah, als hätte ich meinen Hund nicht im Griff. Aber dass er solch eine Angst vor Menschenmassen hat, wusste ich nicht. Deswegen meiden wir Menschenmassen, so gut es geht. Auch wenn ich versuche, ihn langsam daran zu gewöhnen. So nehme ich ihn Stück für Stück in die Busse und U-Bahnen mit - natürlich nicht zur Rush-Hour. Langsam findet er gefallen daran, von allen gestreichelt zu werden. Vor allem Frauen vertraut er, was mir natürlich besonders gefällt. Nur Noah liebt er noch mehr als all die fremden Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Noah bringt ihm stets Leckerlies mit, die er ihm heimlich verfüttert, wenn Oma nicht hinsieht.

NOAH | ✓Onde histórias criam vida. Descubra agora