27 - Cremeweiß

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▷ The Neighbourhood - Void ◁


Noah bringt mich zu unserem Pfleger, der wiederrum mit Frau Eichendorf ein Krisengespräch im Laufe des Tages vereinbart. Ich lasse alles schweigend über mich ergehen, ich bin mit meinen Kräften am Ende. Es tut weh, immer und immer wieder gesagt und gezeigt zu bekommen, wie wenig man wert ist; wie wenig man jemandem bedeutet. Wie unwichtig es ist, dass es einem gut geht - Hauptsache der Ruf stimmt.

Die Zeit bis zum Termin mit Frau Eichendorf verbringe ich alleine in meinem Zimmer. Leonie ist unterwegs und ich bin ganz froh, etwas für mich zu sein. Einerseits tut es gut, nicht so viele Menschen um sich zu haben - andererseits ist Alleinesein genau das Falsche was ich in diesem Moment tun kann.



"Sie und Herr Eisold scheinen sich ja sehr gut zu verstehen."

Ich sehe von meinen Händen auf und starre Frau Eichendorff sprachlos an. Wie von selbst öffnet sich mein Mund, doch ich bin zu schockiert um irgendetwas zu sagen. Fahrig wische ich mir mit meinen Händen über das Gesicht und schüttle den Kopf. Innerlich zähle ich bis drei und hole tief Luft.

"Ja, das tun wir. Wir haben auch regelmäßig Sex. Am liebsten im Speisesaal auf sämtlichen Tischen." Genervt lasse ich mich im Stuhl zurückfallen und richte meine Augen gen Zimmerdecke.

Frau Eichendorf holt tief Luft und seufzt.

"Es scheint Sie zu nerven, dass ich Sie darauf angesprochen habe?"


Schnaubend richte ich mich wieder auf. "Da liegen Sie richtig. Warum unterstellt uns hier jeder so etwas in die Richtung, nur, weil wir uns langsam besser verstehen? Es ist doch offensichtlich, dass ich nicht sein Typ bin. Ich bin niemandes Typ, verdammte Axt", fahre ich sie an.


"Ob Sie sein Typ sind, das kann ich nicht sagen. Ist er denn Ihr Typ?" Herausfordernd und abwartend sieht sie mich an.

Ich runzle die Stirn. Worauf will sie hinaus? Fragend lege ich den Kopf schief und schürze die Lippen.

"Naja, er ist nett anzusehen, ja. Aber das allein macht mich nicht gleich zu einer verliebten Irren." Ich verschränke die Arme und lasse mich erneut zurückfallen.

Frau Eichendorf notiert etwas auf ihrem Block. Ich will sie fragen, was sie notiert, aber sie kommt mir zuvor.

"Er war es auch, der Sie aus dem Wasser zog, richtig?"

"Nachdem er mich in das Becken geschubst hat, ja." Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper, als ich an den Moment zurückdenke, in dem ich die harte Wasseroberfläche durchbrochen habe.

"Warum haben Sie nie erzählt, dass Sie Probleme mit dem Wasser haben?" Frau Eichendorfs Stift huscht in rasendem Tempo über den Block. Eine Strähne hat sich aus ihrem Zopf gelöst, die mit der Bewegung ihres Körpers mitschwingt.

"Weil ich es nicht für wichtig empfand. Meine Mutter war auch nie der Ansicht, dass es ein großes Problem ist", antworte ich ihr und zupfe die rissige Nagelhaut von meinen Fingern. Erneut.

"Aber es war ein Problem?", erkundigt sich die Therapeutin.

"Es ist ein Problem. Nach wie vor", gebe ich schließlich zu und sehe sie kurz an.

"Aber für Ihre Mutter ist das kein Problem? Ihre Mutter scheint sich selbst sehr gerne über Sie zu stellen", merkt sie an und wartet mit geduldigem Blick auf meine Antwort. Sie streicht sich schließlich die gelöste Strähne hinter ihr Ohr und zieht die Stirn nachdenklich zusammen.

NOAH | ✓Where stories live. Discover now