44. Kapitel

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Wir bogen händchenhaltend um die Ecke und ich musterte meinen Freund argwöhnisch.
“Wohin gehen wir denn?”
Abgesehen von den vielen, umwerfenden Eigenschaften die mich auszeichneten, gehörte Geduld leider nicht zu meinen Tugenden.
Die Ungeduld tat sich leider viel zu oft mit meiner Neugier zusammen und sie bildeten ein übermächtiges Team-up.
Da war ich chancenlos.
Dieser Zug an mir, nervte jeden in meinem Umfeld, am allermeisten jedoch mich selbst.
Das ging sogar so weit, dass ich bei Filmen und Büchern vorab das Ende las, weil ich die Auflösung nicht abwarten konnte.
Weil ich es nicht aushalten konnte, es nicht zu wissen.
Bei jedem Fernsehkrimi wurde ich zum nervlichen Wrack.
Aber der wars doch! -Nein! Warte! Der wars!
Und hinterher hatte ich jedes mal meine hübschen, langen Fingernägel zu betrauern.

Ungeduldig wie ein Kind, dass am Wochenende seine Eltern aus dem Bett kegelte, zupfte ich mit der freien Hand an Hicks schwarzem T-shirt.
Von der Seite konnte ich das verschmizte Grinsen erahnen, welches nun sein schönes Gesicht zierte.
Aber beantwortet war damit nichts.
“Wohin gehen wir?” wiederholte ich also noch einmal um die Dringlichkeit zu unterstreichen.
Wieder gab er mir nur sein umwerfendes Lächeln zur Antwort.
Nicht zu wissen was als nächstes passierte gab mir das unangenehme Gefühl von Kontrollverlust.
Und doch beschloss ich Hicks einfach zu vertrauen. Was sollte schon schlimmstenfalles passieren?
Es war nachts, sehr viele Optionen blieben ja nicht..was hatte denn jetzt noch auf?
Obwohl… in meinem Kopf erschien wie eine Pop-up-Anzeige eine Liste an Läden die zu so später Stunde noch geöffnet waren.
Nichts davon fand ich lustig.

Plötzlich wurde mir bewusst wo genau wir uns befanden. War hier nicht der Schuppen in den Anna's widerlicher Ex-Freund Hans immer gewesen war?
Aber so einer war Hicks doch nicht, oder?
Ich sah ihn aus großen Augen an. Sowas würde er nicht tun, oder?

Und wenn sich Jacks schlechter Einfluss, just in diesem Moment gemeldet hatte?
In mir machte sich Panik breit. Die Hitze die von diesen Gedanken ausging weitete sich in meinem Körper aus und ich spürte wie ich rot wurde.
Noch immer starrte ich ihn an.
Ich hatte ihm zwar eben noch meine Gefühle gestanden, aber so weit war ich nicht.
Soweit wäre ich wohl niemals in meinem Leben.
Ich musste ihm sagen, dass ich nicht so ein Mädchen war.
Von weitem sah ich schon das rote Neon-Schild.
Mit jedem Schritt kam es näher und schrie mir die Bestätigung meiner Angst ins Gesicht.
Oh Gott.
Ich sah wieder zu Hicks, der ungerührt mit entschlossenen Schritten darauf zu hielt.
Meine Hände wurden schwitzig und mein Herz pochte.
Das könnte ich nicht! Das wollte ich nicht!
Mit einem Ruck ließ ich seine Hand los und blieb stehen.
“Hm?” etwas verwirrt blieb auch er nach einem weiteren Schritt stehen.
“Was hast du?”

“Da geh ich nicht rein.”
Wir standen direkt neben dem roten Schild.
Die Fassade war grau und an einigen Stellen rissig. Insgesamt gab das Haus einen sehr schäbigen Eindruck ab. 
Ich sah fast flehend zu Hicks.
Der Laden schien früher einmal eine Boutique oder etwas ähnliches gewesen zu sein.
Jetzt waren die großen Schaufenster mit einem billig wirkenden schwarzen Samtstoff verhangen.
Hicks schien wie vor den Kopf gestoßen.
“Ich dachte, das könnte dir gefallen” gab er langsam zurück. Offensichtlich war ihm meine heftige Reaktion ein Rätsel.
Ich sah zu dem großen Schild.
“KARAOKE TONIGHT” stand in schnörkeliger Schrift aus einer Neonröhre geformt.
Hicks folgte meinem Blick und als seine Augen wieder bei meinem Gesicht landeten sah man förmlich wie der Groschen fiel.
Noch ehe der besagte Groschen auch bei mir purzelte, brach Hicks in ein unbändiges Lachen aus.
Seine schlanke Silhouette krümmte sich und er musste sich den Bauch halten.
Hin und wieder sah er zwischen meinem Entsetzen und dem Schild hin und her.
Er durchlief die klassischen Stufen eines Lachkrampfes.
Glucksen, Losprusten, daran scheitern die Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen, Tränen in den Augen, wieder schallendes Gelächter.

Ich stutzte.
Lacht der mich aus?!
Mein Gesicht durchlief ebenfalls ein paar Stufen.
Von Verständnislosigkeit zu Ratlosigkeit, zu angepisste Freundin.
"Was?!" herrschte ich ihn an.
Die Nummer mit der Geduld..

Hiccstrid FanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt