Kapitel 62

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Währenddessen reisse ich von meiner Bluse ein Stück ab und stoppe damit die Durchblutung von Marcs Bein, um eine Blutvergiftung zu verhindern. Natürlich brauchen wir eine Viertelstunde bis zum nächsten Krankenhaus, Roman rast wie ein Krankenwagen mit Blaulicht.

Beim Spital angekommen rennt Melissa rein und erklärt jemandem in der Notaufnahme was passiert ist. Sie kommen mit einer Trage wieder raus und mit vereinter Kraft schaffen wir Marc ins Spital rein. Doch natürlich dürfen wir wieder in der Notaufnahme warten während unser Freund untersucht wird. Eine halbe Ewigkeit.

Der Arzt, der dann rauskommt erklärt uns etwas über Risiken beim Tauchen, Fische, die stechen und Rochen. Roman versteht fast nichts, ich übersetze mehr oder weniger alles. Melissa hat beinahe einen Nervenzusammenbruch. Wir beruhigen sie und werden dann zu Marc gebracht, der hier stationär aufgenommen wurde. Er hat natürlich auf der Stelle das Gegengift erhalten, glücklicherweise konnte der Fisch nicht sehr viel von seinem tödlichen Gift auf ihn übertragen und er wird demnach schnell wieder fit sein. Über Nacht soll er noch bleiben, morgen kann er nach Hause.

Gegen Abend fahren Roman und ich nach Hause, um die kleine Gala und ihre Schwester von ihrer Zimmernachbarin abzuholen. Ich schildere letzterer kurz die Zustände und sie ist sehr verständnisvoll.

Als Roman Gala ins Bett bringt, was mir mehr oder weniger meinen Schlafplatz klaut, da sie beide mitten in unserem grossen Doppelbett einschlafen, hole ich das Tablet raus, setze mich auf den Balkon und öffne Face-Time. Natürlich nimmt Leo sofort ab. Auf dem Bildschirm erscheinen drei Köpfe, einer gehört Milli, einer Leandro und einer Jule.

„Wo habt ihr denn Erik gelassen?", frage ich schmunzelnd. „Ach weisst du, der ist irgendwie mit einer ausgegangen, was weiss ich.", jammert Julian. Ich lache. „Aber Freunde, ich habe euch was zu erzählen. Marc ist im Spital.", platze ich mit der Nachricht heraus. Alle reissen erschrocken die Augen auf. „Was, im Spital? Was ist passiert?", fragt Milli besorgt.

„Er wurde von einem Fisch gestochen, der giftig war. Aber er hatte Glück, der Fisch hat nicht viel Gift abgegeben. Jedenfalls bekommt er jetzt Gegengift. Meli ist aber bei ihm. Roman passt schön auf Gala auf.", schmunzle ich und drehe den Bildschirm so, dass die drei Zurückgebliebenen das ganze Bett sehen können.

„Wie süss. Leg dich doch dazu. Ma cucciola, per favore, le bambine sono nella camera.", meint Leandro zu mir. Ich schüttle den Kopf und schimpfe mit meinem besten Freund. „Du dreckiges Schwein, hör auf mit diesem Scheiss. Denk doch nicht immer gleich so!", lache ich laut. Leo runzelt die Augenbrauen und zieht die Schultern hoch. „Also, ich muss Schluss machen, Abril weint.", meine ich und will gerade mein Handy greifen und Melissas Nachricht lesen, als mein bester Freund mich unterbricht.

„Momentchen Cucciola. Was ist das da an deinem rechten Ringfinger?", fragt er mit erhobenem Zeigefinger. Ich stottere. „Äääh nix, wieso?" „Das ist ein Ring, das riecht jeder Blinde zehn Kilometer gegen den Wind. Jetzt sag schon.", hakt er weiter nach. Ich nicke. „Ja, es ist ein Ring. Und zu eurer Frage, die in mindestens zwei Sekunden kommt, ja er ist von Roman.", sage ich genervt. „Aber ich erklär euch zuhause mehr. Gute Nacht jetzt.", unterbreche ich das Gespräch. „Gute Nacht Sarah.", ertönt es von der anderen Seite des Kontinents.

Ich klappe die Hülle des Tablets zu und öffne WhatsApp. Melissa ist auch online. „Hi du.", schreibe ich. „Hi." „Wie geht's euch?" „Mir geht's gut. Und Marc schläft gerade." Ich muss grinsen. „Gute Nacht euch beiden. Und wenn was ist, ruf mich an, ja?" Melissa verspricht mir, mich zu kontaktieren, wünscht mir süsse Träume und geht dann offline. Abril hat sich längst wieder beruhigt und ich lege sie in den Kinderwagen.

Schliesslich lege ich mich zu den zwei Siebenschläfern, so gut es geht halt. Denn Roman braucht beinahe den ganzen Platz für sich alleine und auch die Kleine macht sich breit. Als ich mich aber hineinquetschen will, wacht mein Freund auf und rutscht ein Stück zur Seite. „Wie geht's Marc?", fragt er mich besorgt. „Ganz gut, er schläft." „Das sollten wir jetzt auch tun.", meint er halb schlafend halb wach. „Ja, definitiv. Gute Nacht, ich liebe dich.", seufze ich und gebe ihm einen Kuss. Er legt seinen Arm so hin, dass ich darauf meinen Kopf ablegen kann und dann deckt er mich noch zu. Roman ist wirklich ein aufmerksamer Mensch, überall wo etwas nicht in Ordnung ist kriegt er es wieder hin. Ich spüre seine Wärme und seinen Herzschlag, die beste Gute-Nacht- Melodie, die es gibt.

***6. Januar 2019***

Die Tage ziehen ins Land, Marc ist wieder im Hotel und der Tag der Abreise steht schon wieder bevor. Erschreckend schnell sind die Stunden hier vergangen, es war alles viel zu schön um wahr zu sein. Der Urlaub war perfekt, das Meer, das Wetter, die Freunde. Einzig und allein Marcs Zwischenfall wäre nicht nötig gewesen. Zum Glück war er schnell ausser Lebensgefahr. Wenn ich mir überlege, dass er beim Auftauchen erst nicht mehr geatmet hat, mache ich mir schon grössere Sorgen.

Allerdings ging es ihm schon einen Tag später wieder prima und er konnte darüber scherzen, dass ihn ein Fisch angegriffen hätte. Dabei ist diese Tatsache doch alles andere als lustig. Zwei Tage nach dem Zwischenfall ist der Spanier schon wieder vergnügt mit seinen Mädchen in den Wellen rumgeturnt und war auch schon ein zweites Mal schnorcheln. Und nun stehen wir mit gepackten Koffern vor dem Hoteleingang. Gala hat in der einen Hand ihren Teddy, an der anderen hält sie mich fest umklammert.

So steigen wir in unseren Minibus, der uns zum Flughafen bringen soll. Der kleine Bus tuckert die Strasse runter, die Sonne wirkt auf den Bus ein und heizt ihn auf. Ich lehne meinen Kopf gegen das Fenster und schaue ein letztes Mal die schöne Landschaft an. Das Meer, es wird mir so fehlen. Roman drückt meine Hand. „Was denn?", frage ich besorgt. „Mir ist übel, ich hasse es in solchen Klapperkisten zu fahren.", meint er. Ich grinse. „Gut dass du keine Klapperkiste besitzt. Sonst könntest du ja auch nicht damit fahren." Er lacht. „Ja, das ist wahr."

Seufzend lege ich mich auf seinen Schoss und ziehe die Beine auf den Sitz. „Weisst du, wie sehr ich dich liebe?", fragt mich Roman und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. Ich schaue hoch zu ihm. Sein grinsendes Gesicht schwebt über meinem Kopf und seine Augen strahlen mich an. Ich ziehe ihn am Hals zu mir runter und küsse ihn.

 Hinter mir quäkt Marc auf Spanisch: „Bäääh, lasst das. Hier sind noch kleine Kinder." Ich fahre hoch, setze mich auf und gucke ihn gespielt böse an. „Du mieser kleiner Stinker.", spreche ich ebenfalls in seiner Muttersprache. Roman schaut mich fragend an, ich kann noch knapp den ersten Satz übersetzen bevor Roman auf Marc mit komischen deutschen Fluchwörtern einprasselt. Ich lache, natürlich meint mein Freund es bloss ironisch. Marc versteht die Welt nicht mehr und lacht einfach mit mir. Aber ich muss zugeben, ein bisschen verrückt zu sein tut gut.


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Aber klar doch, manchmal müssen wir eben alle ein bisschen crazy sein!


Übrigens, danke für 5K Reads!!!


Hoffentlich seid ihr nicht enttäuscht vom Kapitel aber ich glaube einige unter euch liegen jetzt fast hyperventilierend auf dem Boden (ich denke da an jemanden bestimmtes ;) )

See you later alligator!

T.

47 degrees north (Roman Bürki FF)Where stories live. Discover now