Kapitel 57

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***23. Dezember 2018***

Weihnachten werden wir in der Schweiz verbringen. Ganz traditionell bei Romans Familie, ich hab ja keine. Da Leandro bei seiner Nonna in Italien ist muss ich mir keine Sorgen machen, dass er über die Festtage alleine sein könnte. Anschliessend werden wir direkt von Zürich in die Ferien fliegen, dann sind wir über Neujahr weg. Gemeinsam mit Familie Bartra werden wir die Tage am Meer in Ibiza verbringen, Roman fliegt jedes Jahr mit seinen Freunden dorthin, dieses Jahr waren sie leider verhindert und mussten passen, dafür werden sie im Sommer mit ihm zusammen verreisen.

Voller Vorfreude packe ich meinen Koffer. Wie immer bin ich für alles gewappnet, selbst bei einem erneuten Verschwinden im Kaukasusgebirge Russlands wäre ich vorbereitet. Auch wenn wir nicht über Russland fliegen. Roman schaut den ganzen Nachmittag kopfschüttelnd zu, wie ich meine Packliste systematisch abarbeite und selbst die kleinsten Tuben und Fläschchen in Plastikbeuteln verstaue.

Noch heute Abend geht's in die Schweiz, dann feiern wir morgen Weihnachten und haben eine ganze Woche für uns. Anschliessend geht's ab nach Zürich und dann nach Ibiza. Doch es ist sehr schwierig, den Koffer erst für eine Woche Winter und dann für eine warme Woche zu packen. Roman hat den Wetterbericht hervorgekramt. In der Schweiz schneit es, auf Ibiza haben sie 20 Grad! Am besten packe ich zwei Koffer und lasse einen dann bei den Bürkis stehen. Cliff kann mit uns in die Schweiz, in den Süden darf er aber nicht. In der Zwischenzeit darf er bei Romans Eltern bleiben. Wir holen ihn dann auf dem Rückweg wieder ab.

„Na, packst du den ganzen Haushalt ein? Du weisst aber schon dass wir in Münsingen auch Kleiderläden und so haben?", fragt Roman mich belustigt und begutachtet meinen Stapel Pullover. „Ja, aber ich muss schliesslich auch mal überleben ohne viel Geld auszugeben. Und ohne ständig irgendwo shoppen zu gehen.", jammere ich. Roman schüttelt den Kopf. „Du schaffst das. Jetzt hopphopp, in zwei Stunden wollen wir fahren. Und ich muss noch den Schlüssel unserer Nachbarin übergeben, Kleines.", meint er, schlüpft in seine Schuhe und knallt pfeifend die Türe zu.

Eilig packe ich den Rest in meinen Koffer und schleife ihn die Treppe runter. Es knallt zweimal, der Koffer stürzt die letzten zehn Stufen alleine runter, ich kann mich gerade noch am Geländer festhalten. „Alles okay Sarah?", fragt mein Freund besorgt als er die Türe aufreisst und reingerannt kommt. Ich nicke und steige vorsichtig die letzten Stufen nach unten. „Du sollst doch nicht alles tragen meine Liebe. Ich kann das doch auch." „Jetzt tu nicht so als wäre ich schwanger. Und ich bin auch kein Baby.", meine ich gespielt schmollend. Sofort kitzelt er mich aus. Er kennt schon seine Tricks. Während ich mich vor Lachen kaum halten kann geht er ruhig nach oben und kramt seine Koffer hervor.

Als alles im Auto verstaut ist atmen wir gleichzeitig auf. „Jetzt noch die Handtasche, der Schlüssel und noch der Besuch in der Chaos WG, anschliessend kann's losgehen." Schnell suche ich meine Sachen zusammen, Roman schliesst gefühlte 328 Mal die Türe und wir fahren los.

Bei der WG halten wir und gehen die Treppe hoch, wo man schon Gegröle hören kann. Als ich die Wohnung betrete höre ich, dass die Jungs FIFA spielen. Grinsend laufe ich ins Wohnzimmer und sehe das köstlichste Bild, was sich mir je geboten hat. Erik kriecht vor lauter Nervosität fast in den Fernseher rein, Ju nagt an seiner Konsole wie ein Hamster an seinem Korn, Leo stopft Chips in sich rein und Felix tippelt mit seinen Füssen auf dem Boden rum, während er nervös an der Etikette auf seiner Bierflasche knibbelt. Milli schläft hinter ihnen auf der Couch, das heisst sie sitzen auf dem Couchrand während er hinten in die Ecke eingequetscht ist und sich ausruht.

Gerade schiesst Ju ein Tor, Milli schreit laut auf und Felix zuckt vor Schreck zusammen. Milli ist mit einem Mal hellwach und als Jule gerade Lewys Torjubel nachimitiert, sieht er mich. Grinsend laufe ich auf ihn zu und scheuche dann alle anderen von der Couch weg, bevor ich nach unserem Patienten sehe. „Schauen sie gut zu dir?" „Geht so, ist etwas laut. Aber es geht, sie geben mir alles was ich brauche.", meint er müde und schliesst die Augen wieder. „Und ihr", meine ich mahnend in die Runde, „, ihr seid gefälligst etwas leiser. Ihr habt einen kranken Mitbewohner also nehmt Rücksicht. Wenn was mit ihm ist ruft einfach Jay oder mich an, unsere Nummern sind auf Millis Handy eingespeichert."

Ich gebe allen ein Küsschen auf die Wange und prüfe nochmal Millis Temperatur. „Ciao ihr Spinner, bis in 20 Tagen.", meine ich, bevor ich mit einem Winken das Haus verlasse. Im Auto schüttelt Roman nur den Kopf. Ich grinse wieder. „Weisst du was? Das letzte Mal bin ich in die Schweiz gefahren, dieses Mal fährst du, ok?", frage ich ihn. Roman lacht bloss und setzt sich hinters Steuer. „Zu Befehl, eure Majestät."

Drei Stunden später, wir haben elf Uhr Nachts. Die Hälfte der Strecke ist geschafft, das heisst Kaffeepause. Wir lösen uns jetzt ab mit Fahren, Roman ist ziemlich erschöpft und ich möchte ehrlich gesagt keinen Unfall bauen. Im Geschäft kaufe ich einen Cappuccino und Roman ein Tee. Er will schliesslich nachher noch schlafen können, ein Kaffee würde ihn nur aufputschen. Dazu gibt's für mich ein Croissant, Roman lacht mich wegen meiner Aussprache aus. Auf Schweizerdeutsch sagt man nämlich Gipfeli. Das tönt wie ein kleiner Gipfel eines Berges, und dann wieder dieses Li am Schluss. Gipfeli.

Kopfschüttelnd will ich gerade beides bezahlen als Roman mir das Portemonnaie aus der Hand reisst und mit seinem Geld bezahlt. Er meint noch immer, dass Krankenschwestern nichts verdienen. Kopfschüttelnd laufe ich ihm hinterher aus der Raststätte. Im Auto schliesst er die Türe, lehnt sich an und trinkt sein Tee.

Ich fahre konzentriert, werfe ab und an einen Blick auf meinen Freund, dem nach einer halben Stunde die Augen zufallen. Wie schon beim letzten Mal hole ich die Wolldecke und decke ihn zu. Lächelnd fahre ich in Richtung Bern und erreiche nach insgesamt sieben Stunden Fahrt endlich Romans Heimatdorf.

„Aufwachen Siebenschläfer, wir sind hier.", wecke ich ihn auf. Er streckt sich und steigt langsam aus. Ich reisse unsere Koffer aus dem Auto, als Marco schon aus dem Haus stürmt und mir um den Hals fällt. Ich grinse. „Willst du denn deinen Bruder nicht auch so stürmisch begrüssen?", frage ich ihn. „Ach was, der pennt noch halb im Stehen. Ich trage euch jetzt die Koffer hoch und ihr legt euch beide hin. Morgen ist schon Weihnachten, da müsst ihr ausgeschlafen sein.", trägt er uns auf. Ich nehme Roman an der Hand, streife meine Schuhe ab, gehe mit ihm hoch und lasse mich aufs Bett fallen. Ich streife nur meine Hose aus, den Rest lasse ich so wie er gerade ist. Wir schaffen es nicht mal mehr, die Zähne zu putzen.

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Wow, das war Kapitel 57! Und wisst ihr, was ich gerade eben gecheckt habe? Die Geschichte ist auf Platz #746 in Fan-Fictions. Das ist für mich eine unglaubliche Ehre und daran seid ihr Schuld! Danke, danke, danke!!!

Die Story hat mehr als 4.5K reads und vor einigen Wochen habe ich mich noch über 4K gefreut! Erst hat es für mich irgendwie ein bisschen Überwindung gekostet, die Story zu posten. Ich war mir nicht sicher, ob sie überhaupt jemand lesen möchte und ob sie überhaupt jemand jemals finden wird. Das war September des letzten Jahres, glaube ich jedenfalls. Tausend Dank für alles!

T.

47 degrees north (Roman Bürki FF)Where stories live. Discover now