Kapitel 26

709 21 4
                                    

Keine zwei Stunden später will die Schwester mich im Bett auf die normale Station fahren. „Stopp, ich fahr mit dem Rollstuhl." „Sind Sie sicher, Sie sind noch..." „Ja ich bin mir sicher. Roman, fährst du mich bitte?" Lächelnd hängt die Schwester die Infusionsbeutel an den Ständer am Rollstuhl und ich richte mich vorsichtig auf.

„So, jetzt steht ihr Freund auf diese Seite und ich auf die andere Seite, dann stehen Sie vorsichtig auf. Aber Sie melden uns sofort wenn ihnen nicht wohl ist oder wenn Ihnen schwindelig wird." Ich nicke eifrig und nehme Romans Hand. Vorsichtig setze ich meine Füsse auf dem Boden auf und rücke sie zurecht. Da mein Knie noch in einer unbeweglichen Schiene steckt sieht das ganze aus, als hätte ich einen Stock im Arsch stecken. Doch nach einigen Versuchen stehe ich schliesslich. Die Schwester weist mich an, ein bisschen mit den Füssen auf den Boden zu trappeln, doch meine Knie werden sofort butterweich und ich bemerke, dass mein Kreislauf in den Keller geht. Sofort lasse ich mich nach hinten in den Rollstuhl plumpsen und die Frau in Weiss prüft mit strengem Blick meinen Puls und misst anschliessend meinen Blutdruck. „Na, aber immer mit der Ruhe, junge Dame. Rufen Sie mich, wenn was ist.", meint sie noch, bevor sie vor uns den Raum verlässt.

Roman schaut mich kritisch an. „Du bist so blass. Ist das wirklich eine gute Idee?", fragt mein Freund besorgt. „So, wir machen jetzt noch einen Zwischenstopp bei Hendrik, dann fahren wir zu Milli und Erik und erst danach gehen wir in mein Zimmer.", ignoriere ich seine Frage geschickt. Lachend schiebt Roman mich den Gang entlang. „Natürlich eure Majestät, ganz wie Sie wünschen." Ich boxe ihm leicht gegen seinen Unterarm und er schiebt mich munter durch die Tür in Hendriks Zimmer. Doch dort vergeht mir das Lachen. Er sieht richtig schrecklich aus. Das künstliche Koma sei ausgeleitet, hat der Arzt gesagt. Es läge jetzt an ihm, wann er bereit sei aufzuwachen. Der Schlauch in seinem Mund sieht bedrohlich aus, doch es ist nur ein Gerät, welches ihn beim Atmen unterstützt. Roman schiebt mich ganz nahe ran, sodass ich Hendriks Hand greifen kann.

„Hendrik, bitte! Wir wollen dich wieder in die Arme schliessen. Wir wollen dich Fussball spielen sehen. Wir brauchen dich!" Doch keine Reaktion kommt von meinem Gegenüber. Der Schlauch, welcher in seinem Hals steckt macht alle vier Sekunden ein zischendes Geräusch. Roman beobachtet mich und dreht nach einer Weile mein Gesicht so, dass ich in seine tiefbraunen Augen schaue. „Das ist nur das Gerät, das ihm beim Atmen hilft. Das ist keine Gefahr für ihn, im Gegenteil. Jetzt weisst du wie du ausgesehen hast als sie dich hierher geflogen haben. Was meinst du, was für eine schreckliche Angst ich doch um dich hatte. Jetzt müssen wir um Hendrik beten. Aber er schafft das, er ist stark und..."

Und dann küsst er mich plötzlich. Mitten im Satz! Doch die Tränen drängen sich wieder hinter meine Augen. Jetzt einfach nicht weinen Sarah, sage ich mir innerlich. „Du darfst weinen, das beweist Stärke Kleines!", meint Roman plötzlich, als ob er meine Gedanken lesen könnte. „Komm, wir gehen jetzt zu Milli. Hendrik braucht noch etwas Ruhe und vor Allem Zeit.", meint er und schiebt mich raus aus dem Zimmer.

Doch kaum haben wir das Zimmer verlassen beginnt neben Hendriks Bett ein Lämpchen rot aufzuleuchten, im nächsten Moment ertönt ein schriller Ton, der mich zusammenfahren lässt. Einige Pfleger und Ärzte kommen den Flur entlanggerannt und stürzen ins Zimmer. Dort liegt Hendrik, noch genauso wie vorher. Erst als der eine Arzt auf seiner Brust herumzudrücken beginnt begreife ich den Ernst der Lage. Sofort schreie ich auf vor Verzweiflung, Hendrik ringt gerade um sein Leben! Das darf doch alles nicht wahr sein! Ich stütze mich auf dem Rollstuhl ab, hieve mich hoch und hüpfe auf einem Bein zur Glasscheibe, die uns vom Raum trennt. „Nein Sarah! Setz dich wieder hin bitte!", fleht Roman verzweifelt. „Nein, ich...." In mir herrscht komplettes Chaos. Ich drehe mich um und stehe mit dem Rücken zur Wand, dann lasse ich mich langsam daran runtergleiten und treffe auf den kalten Boden.

„Sarah, steh auf! Du wirst krank!" Weinend sitze ich wie ein Häufchen Elend auf dem kalten Fliesenboden der Intensivstation, Roman hockt neben mir und versucht verzweifelt mich zu trösten. „Komm, wir gehen zurück ins Zimmer." „Nein, ich will Hendrik jetzt einfach so nahe wie möglich sein. Wenn ich schon so weit weg bin will ich wenigstens an ihn denken und für ihn hoffen." „Ja, ich doch auch, aber das kannst du doch auch im warmen Zimmer und nicht auf dem eiskalten Boden der Intensiv!" Ich schüttle aber nur den Kopf, um ihn anschliessend in meinen Händen zu vergraben. Dieser schreckliche Albtraum, er muss doch mal ein Ende nehmen. Roman hat aufgegeben und setzt sich neben mich auf die Fliesen. „Weisst du, egal was mit Hendrik passiert, wir schaffen das.", meint er traurig und nimmt meine Hand in seine. Auf einmal geht die Türe auf und ein Arzt kommt mit gesenktem Kopf raus. Ich breche sofort in Tränen aus und auch Roman seufzt laut auf. „Sind Sie die Angehörigen von Herrn Bonmann?" „Ja, wir sind seine Freunde." „Also, es ist so... er ist leider...."

-----------

Der arme Hendrik! Er ist schon ein wenig das Sorgenkind! Seine Freunde müssen ja sterben vor Angst.

Und ich sterbe gleich vor Wut. Okay, so schlimm ist es nicht. Aber wenn das Kapitel nach dem 3. Versuch, es endlich fertigzustellen gelöscht wird, steht man kurz vor dem Ausrasten. Spinnt es bei euch auch derartig? Jedenfalls hätte dieses Kapitel schon gestern hier sein müssen. Ich habe es versucht. Ganze 6 Versuche habe ich gebraucht, bis ich begriffen habe, dass ich es besser für heute lassen sollte.

Ich hoffe ihr freut euch trotzdem ein bisschen. Denn es ist einer der Höhepunkte der Story. Okay, es ist auch ein bisschen fies mit diesem Ende. Zu guter Letzt wollte ich euch (noch einmal) auf gut Schweizerdeutsch "Merci fiu mau" sagen. Ich habe nämlich die 1000 Reads erreicht. Ich bin euch so unendlich dankbar, es sind mittlerweile so viele Leute, die meine Story regelmässig lesen. Danke!!!!

So, jetzt noch eine gute Nacht und bis bald.

T.

47 degrees north (Roman Bürki FF)Where stories live. Discover now