22|zersprengter Bilderrahmen

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Langsam, aber sicher drehte ich hier durch.

Ich wollte gerade mit meinen Hausaufgaben beginnen, als mein Blick zu dem Bild auf meinem Nachttisch wanderte. Chloé und ich grinsten in die Kamera, während Alice und Brandon rumknutschten.

Ich konnte mich nur zu gut an diesen Abend erinnern. In jener Nacht hatte ich Drew zum ersten mal getroffen, jedoch nicht unter schönen Umständen.

Ein Schauer lief mir den gesamten Körper entlang, als mir eine Erinnerung durch den Kopf schoss.

Flashback

,,Hailey!", rief Chloé verzweifelt.

,,Hailey! Nein!" Pure Verzweiflung, die in ihrer Stimme lag. Ihre Rufe waren voller Angst und Trauer.

,,Nein! Bitte nicht, Hailey!", schrie sie so laut sie konnte.

Ihr Gesicht war Tränen verschmiert.

Meine Lunge schnürte sich immer mehr zu.

Ich bekam keine Luft.

Ich bekam keinen Ton raus.

Ich hörte nur ihre verzweifelten Rufe, ihre Schluchzer und ihre Angst.

End of flashback

Ich schloss meine Augen und atmete einmal tief durch. Als meine Augen sich wieder öffneten, wanderten sie wie von selbst zum Bild.

Mit einer plötzlichen Handbewegung drückte ich das eingerahmte Foto auf den Tisch.

Pure Wut keimte sich in mir auf.

Wo waren Brandon und Alice?

Sie haben Chloé's verzweifelten Rufe mit Sicherheit gehört und sie allein gelassen. Sie sind einfach gegangen.

Ich nahm das Bild nun doch in die Hände und musterte es gründlich. Ruckartig schmiss ich es gegen die Wand, weswegen das Glas sich in viele kleine Splitter verwandelte und die hölzernen Rahmen auseinander sprungen.

Augenblicklich kam mir eine Idee. Keuchend erhebte ich mich von meinem Bett, auf dem meine Schulsachen noch verstreut herumlagen.

Mit schnellen Schritten lief ich die Treppen hinunter, um mir meine Stiefel, Jacke und Schlüssel zu schnappen. Nachdem ich mich angezogen hatte, lief ich auf meinen Motorrad zu.

Auf dem Weg zum Diner überlegte ich, was genau ich überhaupt sagen soll, wenn ich Drew antraf. Vielleicht war er momentan noch in der Uni.

Jedenfalls konnte ich keinen Rückzieher mehr machen, denn ehe ich mich versah, stand ich schon im Diner.

Ich sah, wie Drew vollbepackt mit dreckigen Tellern hinter der Theke verschwinden wollte, jedoch holte ich ihn ein. ,,Warte, ich helf' dir eben." Ich nahm ihm die Hälfte der dreckigen Teller ab und folgte ihm anschließend nach hinten.

,,Nicht, dass es mich nicht freut, aber was machst du hier?", fragte Drew mit zusammengezogenen Augenbrauen. ,,Ich wollte mit dir reden, wann hast du Schluss?", fragte ich erwartungsvoll.

,,In einer halben Stunde." Schelmisch grinsend ließ er eine Augenbraue wieder sinken. ,,Hast du dich entschieden?" Das Grinsen auf seinen Lippen wurde immer breiter. Ein Seufzen entfuhr mir. ,,Das weiß ich selbst auch nicht so ganz, aber können wir später darüber reden?"

,,Ja, klar. Wir können zu mir gehen. Ich hab ein kleines Apartment, ganz in der Nähe", bot er an. Prüfend sah ich in seine Augen. ,,Geht klar, aber davor möchte ich noch meine gratis Pommes, bitte." Langsam fand ich meine gute Laune wieder, weshalb meine Mundwinkel sich nach oben bewegten.

Schmunzelnd nickte er, nachdem ich ihn einen fragenden Blick zuwarf. Also machte ich mich auf die Suche nach einen freien Platz. Ich wurde auch ziemlich schnell fündig, weswegen ich mich schon nach einer Minute seufzend auf einen freien Platz fallen ließ.

Ich sah aus dem großen Fenster, welcher in der Mitte, der schäbigen Wand aus Holz, vorzufinden war. Einzelne Tropfen lieferten sich ein Wett-Rennen, wer zuerst den Boden berührte.

Ein kleiner Junge, wessen Mutter ihn lächelnd betrachtete, sprang lachend in eine Pfütze. Er griff nach der Hand seiner Mutter, nachdem er zu ihr lief, und zog sie mit, so dass sie neben der Pfütze stehen blieb. Dann sprang er wieder rein und spritzte seine Mutter somit voller das Wasser. Die Mutter fing an zu lachen und sprang mit ihm.

Das Grinsen auf meinen Lippen wurde immer größer, bis es schließlich zu ein herzhaftes Lachen wurde.

Ein raues Lachen erklang hinter meinem Rücken, weshalb ich kurz aufschreckte und mich wieder umdrehte. ,,Deine Pommes", sagte Drew knapp, jedoch grinsend, da er den kleinen Jungen immer noch betrachtete.

Kopfschüttelnd, jedoch auch lachend, wendete er seinen Blick wieder mir zu. Ich konnte nur ein ehrliches Lächeln hervorbringen, was Drew mit einem schelmischen Grinsen quittierte.

,,Danke", sagte ich jetzt seufzend und mit einer ernsteren Miene. ,,Ich nehme an, nicht nur für die Pommes", schlussfolgerte er daraus und sah mich mit einem besorgten Gesichtsausdruck an. Darauf antwortete ich nicht. Ich lächelte ihn regelrecht schwach an.

,,Ich wollte nur sagen, dass Onkel Jeffrey erlaubt hat, dass ich früher Schluss machen kann", sagte er dann, als er bemerkte, dass ich darauf nicht mehr eingehen würde.

,,Oh, okay." Ich stand auf und griff nach meiner Jacke. ,,Dann können wir ja los", sagte ich lächelnd. ,,Und deine Pommes?", fragte Drew mit gerunzelter Stirn. ,,Pack ich ein." Schulterzuckend ging ich mit Drew hinter den Tresen, wo er sich umzog und ich die Pommes in einen, aus pappmache bestehenden, Behälter reinschüttete.

,,Hast du immer noch kein Auto?", fragte ich schmunzelnd, als er auf die Bushaltestelle zusteuerte. ,,Ja", sagte er mit zusammengepressten Lippen. ,,Ich bin mit meinem Motorrad hier." Ich nickte mit meinem Kopf in die Richtung des Supermaktes.

,,Wow", entfuhr ihm leicht lachend. ,,Du hast es wirklich durchgezogen", schob er noch hinterher. Ein Grinsen bildete sich auf meinen Lippen. ,,Das hab ich."

Also liefen wir rüber zu meinem Motorrad, damit ich ihm den Helm in die Hand drücken konnte und mich auf den Sitz pflanzte. ,,Mach schon", sagte ich lachend, als Drew unentschlossen neben mir stand.

Zögernd schob er sich den Helm über den Kopf, um sich dann hinter mich zu setzen und seine Arme um meine Taille zu schlingen. Das gab mir das Zeichen loszufahren.

Während der Fahrt gab es keine Unterhaltung. Nur gelegentliche Wegweiser von Drew, da ich nicht wusste, wo er wohnte.

Ich stieg vom Motorrad ab und zog mir den nassen Helm wieder über meinen Kopf. Der Regen hat auf dem Weg hier her nachgelassen, weswegen es jetzt nur noch nieselte.

Drew schloss gerade seine Wohnungstür auf, als mein Handy klingelte. 'Jared' stand fettgedruckt auf meinem Handy. Ich ließ es klingeln, bis er schließlich auflegte.

Drew sah mich mit gerunzelter Stirn an. ,,Nicht so wichtig", sagte ich mit aufeinandergepressten Lippen. ,,Denke ich zumindest", schob ich in Gedanken hinterher.

Wenn Jared kein zweites mal anrief, war es nicht so wichtig.

Shit happens  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt