Timo W. & Timo B.@DFB/VfB

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"I'm coming home, I'm coming home, tell the world that I'm coming home. Let the rain wash away all the pain of yesterday..."

Timo B

Einerseits freute ich mich unglaublich auf einen spannenden Fußballabend der Nationalmannschaft in meiner Heimatstadt Stuttgart, andererseits war ich auch total nervös und angespannt. Zusammen mit ein paar meiner Mitspielern vom VfB saß ich auf der Tribüne und schaute immer wieder nervös auf die Anzeigetafel. Noch knapp 10 Minuten zum Anpfiff. Das Spiel heute würde kein gewöhnliches werden. Die halbe Mannschaft hatte Stuttgarter Wurzeln, somit würde dieser Abend zu einem einzigen 'Coming-home-Fest' werden, die  Stuttgarter Fans waren mindestens ebenso voller Vorfreude wie wir Spieler, egal ob auf dem Feld oder nur auf der Tribüne.

Für einen jedoch würde es ein ganz besonderer Abend werden, für meinen Freund Timo. Erstmals seit seinem Wechsel zu Leipzig würde er wieder hier in der Mercedes-Benz-Arena spielen und nach all dem was die letzten beiden Jahre vorgefallen war, konnte er sich leider überhaupt nicht auf seine Rückkehr freuen. Er wusste, dass sein Fehltritt gegen Schalke absolut unnötig und falsch gewesen war und wenn man die Zeit zurückdrehen könnte, wäre er sicherlich der erste gewesen, der das versucht hätte, um diesen Fehler ungeschehen zu machen. Ständig Pfiffe, Schmähgesänge und übelste Beleidigungen über sich ergehen lassen zu müssen war furchtbar, aber das schlimmste daran war, dass es einfach nicht aufhören wollte, egal wie erfolgreich Timo sportlich gesehen wurde. Am Anfang hatte es ihn noch mitgenommen, doch mittlerweile hatte er sich fast schon damit abgefunden, zumindest versuchte er in der Öffentlichkeit so rüber zu kommen. Viele verwechselten seine Unsicherheit mit Arroganz, aber was sollte er auch tun, egal was er machte oder wie er sich äußerte, er wurde immer mehr zur Zielscheibe sämtlicher gefrusteter Menschen im deutschen Fußball.

Angespannt ließ ich meinen Blick durch die Blöcke der feierlich hergerichteten Arena schweifen, heute war sie noch viel schöner als sonst. Immerhin hielt noch niemand Spruchbänder in die Höhe, die sich an meinen Freund richten könnten.

Immer fester knetete ich meine Hände, die mittlerweile schon davon schmerzten. Im selben Moment erklang die Musik zur Eröffnungszeremonie, woraufhin sich alle erhoben und dem Spektakel folgten. Gebannt sah ich zum Spielertunnel und spürte wie mein Herz einen kleinen Sprung machte, als ich ihn sah. Sofort brachte er mich zum Lächeln, irgendwie machte es mich aber auch traurig, ich sah ihm doch an, wie angespannt er war. Wahrscheinlich rechnete er jede Sekunde damit, dass ihn halbvolle Bierbecher im Nacken trafen, oder schlimmeres.

Natürlich bemerkte ich, dass auch er im Stadion herumschaute, diese Arena war einfach unser Zuhause und würde es für immer bleiben, sollte es heute wieder zu Ausschreitungen kommen, würde es ihm mehr weh tun als je zuvor.

Nach den Hymnen, die glücklicherweise ohne weitere Zwischenfälle gesungen wurden, ging das Spiel endlich los. Die erste Viertelstunde war es ein ganz normales Fußballspiel der Nationalmannschaft. Bis plötzlich das rhythmische Klatschen der Fans im gewohnten Takt durchs Stadion hallte. Drei, vier mal ohne Text und irgendwann hatte es sich so ausgebreitet dass es durchs ganze Stadion hallte. Die Fans in der Cannstatter Kurve setzten zum Gesang an und hastig sprang ich auf. Ich würde es einfach nicht ertragen, wie sie ihn erbarmungslos fertig machen würden und ich ihm währenddessen nicht beistehen könnte. Holger, der neben mir saß, griff nach meinem Arm und zog mich wieder zurück auf meinem Platz. "Timo warte, hör doch" lächelte er und verwirrt konzentrierte ich mich wieder auf die Kurve. "Timo Werner" hallte laut durch die Arena und dann? Keine Beleidigung, nicht der gewohnte zweite Teil des Liedes, nur anfeuerndes Klatschen. Einfach nur Klatschen. Nur Klatschen. Konnte das wirklich sein?

Überwältigt sah ich Holger an und auch meine restlichen Mannschaftskollegen applaudierten begeistert. Als mein Freund keine fünf Minuten später ins Tor traf, sprangen wir alle auf und wirklich jeder Mensch im Stadion freute sich mit uns und Timo.
Immer und immer wieder wiederholten sich die Gesänge und weil ich Timo kannte, wie ihn kein anderer kannte, sah ich ihm an, wie sehr er sich freute.

Mit dem Schlusspfiff fiel der letzte Rest Anspannung von meinen Schultern, es war das ganze Spiel über ruhig geblieben, nein mehr als das, es war laut geworden, richtig laut, aber so, dass es dem Fußball den wir so liebten, würdig war und genau so sollte es immer sein.

Glücklich lief ich durch die Gänge der Arena und wartete hinter dem Medienbereich auf meinen Freund, der mir überglücklich und völlig losgelöst entgegenlief, als er mich sah. Fest nahm ich ihn in meine Arme und drückte den kleineren an mich, den ganzen Abend hatte ich auf diesen Moment gewartet. "Willkommen zuhause" flüsterte ich lächelnd an sein Ohr und küsste ihn unauffällig auf die Wange. "Ich weiß nicht was ich sagen soll" antwortete er leise und vergrub sein Gesicht an meinem Hals. Sanft drückte ich ihn von mir weg und sah ihn an. Wenn ich mich nicht täuschte, waren seine Augen sogar leicht feucht. "Wir lieben dich, du wirst immer einer von uns sein." Liebevoll fuhr ich durch seine Haare und strich über seine Wange. Aufgewühlt wie er war drückte er sich gleich wieder gegen meine Brust und beschützerisch hielt ich ihn in meinen Armen. Diese Umarmung sagte so viel mehr als tausende Worte, alles was zählte war, wie gelöst und überglücklich mein Kleiner wieder war. Diese ganze Last, die die letzten Monate auf ihm gelegen war, hatte er dank dieser großartigen Fans wenigstens für ein Spiel vergessen können. Dass es die nächsten Spiele eventuell wieder anders werden könnte, vor allem in der Liga, das war uns beiden klar, dass der Empfang hier in seinem alten Zuhause aber so für Timo ausgehen würde, war einfach nur überwältigend und entschuldigte so vieles, zu wissen dass man eine Heimat hat, in der man willkommen ist und unterstützt wird, war mit das schönste, was es gab.

Eigentlich wollte ich mich nie zu diesem Thema oder vielmehr Konflikt äußern, weil ich aber gestern selbst in der Arena war, hat es mich einfach unglaublich beschäftigt. Wie alle anfingen zu klatschen und man schon wusste was gleich kommen würde, die Fans uns dann alle aber doch noch überrascht haben, das hat wieder bewiesen, wie großartig dieser Sport ist und was er aus uns grundverschiedenen Menschen macht, wie er uns zusammenschweißt und verbindet und was er uns beibringt. Ich akzeptiere jede andere Meinung zu gestern und zu Timo allgemein, aber wer gestern Abend den Jungen beobachtet hat und diese Atmosphäre miterleben durfte, hat gespürt, dass diese 90+2 Minuten Balsam für die Seele unserer Nummer 11 waren.
Stolz auf meine Stadt #1893 🖤

FOOTBALL is LOVE {BOY X BOY/ONESHOTS}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt