Kapitel 7 - 4. Februar

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Hunde sind nun auch meine Feinde. Okay, vielleicht nicht alle Hunde, aber Sparkles gehört nun klar dazu. Wieso hat Nate jetzt auch plötzlich einen dämlichen Hund?!

Wieso komme ich mir bloß so bescheuert vor?

Hm, mal überlegen, muss wohl an der übertrieben großen Sonnenbrille und dem Schal, den ich mir so umwickelt habe, dass man nur die Sonnenbrille, meine Nase und meinen Haaransatz sieht, liegen.

Um nicht ganz geisteskrank und wie ein Stalker rüberzukommen, habe ich mich dazu entschieden den zweiten Brief in der Abenddämmerung vorbeizubringen. Da ist die Sonnenbrille zwar noch unpassender, aber egal.

Ich sehe das große, weiße Einfamilienhaus schon vom weiten. Nates Eltern mussten es aber auch übertreiben. Ich weiß, dass sein Vater, wie mein Dad, eine Kanzlei hat, aber das Haus ist übertrieben groß.
Wir wohnen dank Mum in einem normalem Haus. Wirklich danke, Mum. Große Häuser machen mich immer so nervös, warum auch immer.

Nate hat heute einfach mal den Unterricht geschwänzt und ich hoffe sehr, dass er jetzt auch nicht Zuhause ist. Nach gestern finde ich ihn mehr als gruselig; ich meine wer, verdammt nochmal, sitzt nachts um 0:24 auf dem Bürgersteig und starrt auf das leere Baugrundstück gegenüber? Tut mir leid, er hat ja analysiert!

Wegen dem Streit am Dienstag ist die Sache noch seltsamer. Zuerst zicken wir uns voll an und dann setze ich mich um halb eins nachts neben - okay, mit großem Abstand zu ihm?

Als ich vor seinem Haus stehe, suche ich verwirrt den Briefkasten. Früher hing er am weißen Zaun, der das riesen Grundstück umrandet und jetzt? Anscheinend ist er nun bei der Haustür.

Ich gucke mir noch einmal über die Schulter bevor ich die Klinke der Zauntür, die größer ist, als ich, herunter drücke. Mit einem kleinen, unscheinbaren Quietschen öffnet sich die Tür, als ich etwas gegen drücke. Ich betrete das Grundstück.

Der Vorgarten ist gepflegt und die ersten Frühjahrsblumen sind zu sehen. Seine Mutter legte schon früher großen Wert auf den Vorgarten, weswegen wir dort auch nicht spielen durften, sondern nur im großen Garten hinterm Haus. Der mit Steinplatten belegte Weg zur Haustür ist schnell bewältigt. Die Haustür besteht zum Großteil aus Milchglas. Ich hoffe bloß keiner denkt ich will hier klingeln oder so und öffnet die Haustür.

Der grau-metallische Briefkasten hängt jetzt an der Hauswand, gleich neben einem Metallstreifen auf dem verschnörkelt (keine Ahnung, wie man diesen Schriftzug am besten beschreibt) Johnson steht und der Klingel. Ich jubele leise und ziehe den weißen Umschlag aus meiner Hosentasche. Schnell ist er ihm Briefkasten verstaut.

Ich gehe gerade zurück und hab die Hälfte des Weges zum Tor schon hinter mir gelegt, als ein großer Fellkneul auf mich zu fliegt. Laufen kann man das nicht nennen.

Von der Wucht falle ich nach hinten. Genau auf meinen Po. Ich hätte am liebsten aus Frustration geschrien, aber natürlich lasse ich das.

Das Fellkneul, ein Hund, kommt wieder auf mich zu. Ich ziehe aus Reflex meine Arme in Form von einem X vor mein Gesicht.
Der Hund schmeißt sich auf mich drauf und schleckt meine Arme und einen Teil meines Gesichts ab. Die Sonnenbrille und der Schal haben sich bei meinem Fall selbständig gemacht. Ohne Erbarmen schleckt der Hund mich ab.

Etwas verzweifelt versuche ich den Hund von mit wegzudrücken, aber er rührt sich kein Stück.

"Sparkles! Wo bist du?", ruft jemand. Ich reiße meine Augen auf. Jemand muss im Garten sein!

Aber Sparkles denkt gar nicht daran mich in Ruhe zu lassen und zu seinem Herrchen in den Garten hinter dem Haus zu laufen.

Wer verdammt nochmal nennt seinen Hund auch SPARKLES?!

..Nate.

Verdammt!!

Ich drücke Sparkles mit letzter Kraft von mir. Doch dieser dreckigs-, ähm Hund, will einfach nicht aufhören mit seiner Zunge meine Arme und einen Teil meines Gesichts zu vergewaltigen.
"Sparkles, verdammt. Geh weg!", fauche ich.

"Sparkles! Lass den armen Jungen in Ruhe!", zügelt eine weibliche Stimme das süße Fellkneul auf mir.
Moment- JUNGE?!

"Ich bin ein Mädchen", rufe ich aus. Man muss ja auch um seine Ehre kämpfen!

Jedoch lässt Sparkles endlich seine Aktivität und entfernt sich von mir. Danke, unhöfliche Stimme.

Ich nehme endlich meine Arme runter und erhebe mich seufzend von den Steinplatten. Genervt klopfe ich mir den Dreck von Sparkles Pfoten von der Hose.

"Tut mir leid! Geht es dir- Sony?!", setzt die Stimme an, unterbricht sich aber selbst. Ich schaue verwirrt und auch etwas - zugegeben - ängstlich zu dem Ort, wo ich die Stimme vermute und erstarre.

Nates Mum sieht mich lächelnd an. "Was machst du denn hier?", sie kommt auf mich zu und umarmt mich. Sie kennt mich immerhin schon ewig. "Ich..ähm..", stottere ich.

"Schickt deine Mum dich?", lächelt Susan, so heißt Nates Mum. "Genau!", grinse ich, "Sie wollte, dass ich das..ähm.. Tut mir leid, ich bin ja so vergesslich. Ich habe leider vergessen, was ich abholen soll." Hoffentlich glaubt sie mir. Aber Susan ist eigentlich echt nett und lässt mich bestimmt nicht peinlich auflaufen.

"Das Rezept!", lächelt sie warm, "Du sollst bestimmt mein berühmtes Rezept für Kartoffelauflauf abholen." Obwohl ich Kartoffelauflauf hasse, nicke ich. "Genau, das wird es sein."
"Dann komm am besten mal mit. Sparkles, bei Fuß", sie geht vor in Richtung Haus. Ich folge ihr einfach. Sparkles kommt bellend angerannt und läuft neben Susans rechtes Bein. Ich weite meine Augen, als ich sehe, was er un seinem Maul hat; meine Sonnenbrille und den Schal.

"Weißt du, Sparkles ist der Hund meiner Cousine. Sie ist gerade aber verreist und hat uns, na ja eigentlich eher Nathan, gebeten Sparkles aufzunehmen", lächelt Susan und dreht sich kurz zu mir um, "Er ist ein sehr stürmischer Hund." Ach, wirklich?! Ist mir noch gar nicht aufgefallen, Mensch!

Sparkles hat sie noch nicht angesehen. Ich nicke bloß etwas verbittert. Plötzlich fällt mir etwas ein: "Susan? Ich hätte nochmal eine etwas - zugegeben - seltsame Frage: War Nate am Dienstag mit Sparkles beim Tierarzt?" Susan sieht mich verwirrt an. "Das ist zugegeben echt eine seltsame Frage", sie lacht leise, "aber ich bin mir ziemlich sicher "Nein"." Er hat also doch geschwänzt!

Wir bleiben an der Haustür stehen, bis Susan aufschließt. "So Sparkles, du bleibst jetzt schön draußen- Was hast denn du da im Maul?", Susan hockt sich zu Sparkles und zieht ihm meine Sonnenbrille und meinen Schal aus dem Maul. "Woher hast du das denn schon wieder?", fragt sie Sparkles und krault ihm hinterm Ohr. Das hat die Bestie von mir!

"Na ja egal. Dieser Hund findet auch wirklich jeden Müll", lacht sie und erhebt sich, "Holen wir doch erstmal das Rezept."

Wir betreten den Flur; Sparkles bleibt draußen. Es hat sich wirklich nichts verändert. Der Boden besteht immer noch aus schwarzen Marmor und die Wände sind auch immer noch weiß und werden von ein paar Bildern geschmückt. Ich folge Susan in die weiße Küche.
"So hier hast du das Rezept", lächelt sie und hält es mir hin, nachdem sie es aus einer Kiste heraus gesucht hat. "Dankeschön", grinse ich. "Tut mir wirklich leid, dass Sparkles dich so attackiert hat. Ich hoffe, es geht dir gut", meint sie und umarmt mich zum Abschied, "Grüß deine Mum schön und sag ihr, ihr sollt am Samstag um halb sieben hier sein." Ihr?

"Kein Problem", grinse ich und löse mich aus der Umarmung, "Aber was ist denn am Samstag?" Ich sehe sie fragend an. Sie verzieht ihre Stirn. "Weißt du etwa davon gar nichts?" Sonst hätte ich jawohl nicht gefragt! Ich schüttel meinen Kopf.
Susan streicht sich eine blonde Strähne ihrer Haare hinters Ohr und sieht mich mit ihren grünen Augen an. Wenn man sie so sieht, denkt man nicht, dass sie schon 45 ist.

"Wir haben euch zum Essen eingeladen!", grinst sie. "Und zwar die ganze Familie!" Oh. "Ich richte es ihr aus", lächele ich und gehe zur Haustür, "Bis Samstag." Susan, die mir gefolgt ist, grinst mich nochmals an, "Tschüss."
Ich öffne die Haustür und verlasse mit schnellen Schritten das Grundstück. Sparkles ist wohl wieder im Garten hinterm Haus, zumindest sehe ich ihn nicht. Zum Glück.

Ich werde also am Samstagabend bei den Johnsons essen.

Jetzt weiß ich wenigstens wie ich den Brief am Samstag überreichen kann.

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