Kapitel 58: Holy Schnitzel

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Ich bin normalerweise nicht jemand, der schnell ausrastet oder die Beherrschung verliert.
Meine Geblüter sind von Natur aus eher ruhig ausgelegt und ich gehe Streitereien eigentlich auch fast immer aus den Weg.

Aber.
Wenn ich morgens aus der Dusche komme, mein kompletter Kofferinhalt verschwunden ist und ich ihn entleert auf dem Hotelzimmerflur wiederfinde...
Jap.
Da brennen auch mal die Leitungen mit mir durch.

"SIERRRAAAAAAAAAA!", schrie ich aus Leibeskräften und dabei war es mir völlig egal, ob es die anderen Hotelgäste hörten oder die Tatsache, dass der Großteil von ihnen wahrscheinlich noch um acht Uhr morgens im Tiefschlaf war und ich sie mit meinem Geschrei geweckt hatte.
Nein.
Völliges Schamgefühl war wie weggeflogen und ich verspürte nur eins.
HASS.

"Gibts ein Problem?", fragte die schrecklich attraktive Morgenstimme ein wenig später, als Cameron den Kopf aus der Tür gegenüber rausstreckte.
Seine Haare waren völlig verwuschelt und die halbgeschlossenen Augen verrieten mir, dass ich ihn offensichtlich gerade bei seinem Schönheitsschlaf gestört hatte.

Als ob er den nötig hätte...

"Sierra ist beim Joggen, wie jeden morgen.", erklärte er, wie selbstverständlich und unterdrückte sich dabei ein müdes Gähnen.

Ich murrte nur ein schwer verständliches "Hoffentlich bricht sie sich dabei beide Beine." und bückte mich dann (sogut es mit einem einzigen umschlungenen Handtuch, das meinen nackten Körper bedeckte ging) auf den Boden, um meine Anziehsachen einzusammeln.

"Denkst du echt, Sierra ist das gewesen?", fragte Cameron ungläubig und beobachtete nur mit schiefen Kopf, wie ich mich schwer bemühte alles zusammen zu bekommen.

"Nein, das war der Weihnachtsmann.", entgegenete ich mit triefendem Sarkasmus in der Stimme.
Wer kam den sonst auf solche fiesen Ideen? Ganz zu schweigen von meinem Koffer, der in UNSEREM Zimmer stand und daher nur von ihr und mir selbst erreicht werden konnte.
Und obwohl ich nicht Sherlock Holmes oder Inspector Gadjet hieß, war ich mir zu hundert Prozent sicher, wer der Täter gewesen war.

Ich spürte Camerons weichen Blick auf mir, während ich meine pinken Pferdesocken einpackte.
Ey. Verurteilt mich nicht.
Die Dinger waren nicht nur super bequem, sondern auch mulmig warm. Also perfekt für Wintertage. Konnte ich ja nichts für, dass ich damals beim Kauf ins Kindersortiment gegriffen hatte.

"Ich komme klar. Du kannst wieder Schlafen gehen.", giftete ich, ohne Cameron einen Blick zu würdigen.
Ja, ich war noch sauer wegen der Sache mit dem Fahrstuhl.
War mir das auch zu verübeln?
Immerhin hatte ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und er wies mich auf eine Art ab, die verletzender nicht hätte sein könnte.

Das würde nichts ändern.

Was hatte er damit gemeint?
Was würde es nicht ändern, he?
Um was macht das Arschloch sich so Sorgen?
Seine Penislänge?

Irgendwann bewegte er langsam seine Beine und kniete sich zu mir auf den Boden.
"Ich helfe dir."
Dabei kam ich nicht drum herum, wegen seines nackten Oberkörpers knallrot anzulaufen. Er stand nur in Boxershorts vor mir.

"Ich kann das schon.", pflaumte ich zischend und riss ihm mein T-shirt aus der Hand.

"Amber-"

"Ich sagte, ich kann das schon!", keifte ich und war im Endeffekt selbst von meinem plötzlichen Wutausbruch überrascht.

Cameron anscheinend auch, denn er sah mich einen Moment lang nur geschockt an, bevor er den Blick senkte.
"Verstehe.", murmelte er.

Nein, du verstehst nichts! Verschwinde, bevor mir wieder die Tränen in die Augen steigen.
Er stellte sich hin und- vielleicht kam es mir auch nur so vor, aber- er sah irgendwie... enttäuscht aus.
"Wir wollen übrigens um Zehn Uhr einen Ausflug machen.", murmelte er.

Das mussten unsere Familien wohl besprochen haben, als ich gestern Abend nicht zum Abendessen erschienen war.
Wie hätte ich das auch meistern sollen?
Sobald die Türen des Fahrstuhls zugingen, verfiel ich in einen absoluten Schluchzanfall.
Kein Wunder, dass ich meinem Vater damit nicht unter die Augen treten wollte, oder?

"Ok.", gab ich kurz Bescheid und sah aber auch dabei keinen Augenblick hoch.
Ich versuchte mir die Klamotten allesamt unter den Arm zu klemmen.

"Amber...", fing er vorsichtig an und wusste dann anscheinend selbst nicht, wie er weitermachen sollte. "...wegen gestern..."

Ich half ihm auf die Sprünge.
"Lass gut sein."
Mit dem Berg von Anziehsachen im Arm, versuchte ich die Karte durch den Zimmertürschlitz zu stecken, damit sich die Tür öffnete.
Als es erlösend klackte, ging ich herein und drehte mich kein weiteres Mal um.

Als die Tür ins Schloss fiel, musste ich aufatmen. Puh.
Das hatte doch ganz gut funktioniert, Am. Wenn du es den Rest des Urlaubes schaffst, ihm weiterhin so fehlerfrei aus dem Weg zu gehen, hast du dir einen Pokal verdient.

Als ich da so nackelig stand -das Handtuch hatte sich inzwischen gelöst- mit den Klamotten um mich herum auf dem Fußboden verteilt, ertönten plötzlich die ersten paar Takte meines Klingeltons vom Nachttisch.

Ich blickte auf den Bildschirm.
Nash.

Meine Finger kribbelten und irgendwas sagte mir, ich sollte nicht abnehmen und es klingeln lassen.
Er hatte sich nicht mal bei mir verabschiedet. Und außerdem sollte ich mich nicht im Urlaub mit irgendwelchen stressigen Problemen von daheim beschäftigen.
(Ich hatte hier doch auch schon genug...)
Aber auf der anderen Seite konnte es nicht schaden, wieder mit ihm zu sprechen.
Ich vermisste ihn.
Und das, nicht als festen Freund, sondern als guten. Er war immer für mich da gewesen.

"Ha-hallo?", fragte ich in den Hörer und merkte dabei, wie nervös ich eigentlich war, denn meine Stimme überschlug sich förmlich.

"Amber! Gut, dass du abnimmst...", begrüßte er mich freulich.
Nash hatte offenbar damit gerechnet, ich hätte eine andere Wahl getroffen und seinen Anruf ignoriert.
Und vielleicht wäre das sogar besser gewesen...

"Was gibt's?"
Ich versuchte so lässig wie möglich zu klingen, während ich mir meine Unterwäsche überstreifte.

"Ich wollte mit dir reden und..."
Er legte eine Pause ein und fügte in einem leiseren Ton hinzu: "...deine Stimme hören."

Ich sagte nichts, sondern fischte mir einfach meinen roten Kapuzenpulli aus dem Klamottenhaufen heraus.

Als Nash merkte, dass von meiner Seite nichts mehr kommen würde, fuhr er zögernd fort. "Ich bin gestern nicht zum Flughafen gekommen und habe mich nicht verabschiedet, weil ich dir nicht mehr in die Augen sehen konnte."

Moment.
"Wieso konntest du mir nicht mehr in die Augen sehen?"

Nash klang seltsam, als er fragte: "Du... weißt es nicht mehr?"

"Dass wir uns geküsst haben? Klar kann ich mich noch wage daran erinnern...aber das ist lange kein Grund mir aus dem Weg zu gehen. Wir waren zwar ein Paar und unsere Trennung ist auch noch recht frisch, aber so einen Rückfall erlebt jeder Mal. Du musst dir ehrlich keine Sorgen oder so ma-"

"Stopp.", unterbricht er meinen Redeschwall. "Du kannst dich an nichts mehr danach erinnern?"

"Nach was?"

"Unserem Kuss."

"Nein..."
Jetzt wurde mir mulmig im Bauch und ich machte mich mental auf das Schlimmste gefasst. Vorsichtig setzte ich mich auf Sierras Bettkante und kammerte meine linke Hand am Saum. Mit der rechten hielt ich verkrampft das Handy.

"Nun ja...", fing er an.

"Nash."
Nein. Bitte. Nein.

"Ich, ich war auch echt betrunken... und zusätzlich noch verdammt in dich verliebt... es hat sich alles so ergeben..."

"Nash." Meine Stimme zitterte und ich schnappte leise nach Luft. "Sag nicht, dass..." Ich schloss die Augen und wartete auf Nashs Stimme, die es aufklären würde.

"Wir..."
Ich hörte förmlich, wie er den Atem anhielt.
"...haben an dem Abend miteinander geschlafen."

California Boys (Magcon FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt