1: Nicht ihr Ernst?!

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Alex, mein großer Bruder betrat das Zimmer. „Was hast du angestellt, dass Papa so sauer ist?“, fragte er und lächelte leicht. Normalerweise grinste er immer, wenn ich frech war, doch heute war es ein komisches Lächeln. „Mich mit Jungs getroffen … Mensch Alex ich bin vierzehn!“, sagte ich und erzählte ihm die ganze Geschichte.

„Anscheinend warst du etwas sehr schlimm. Mama und Papa wollen dich auf ein Internat schicken …“, murmelte Alex.

„Waaaas?“, fragte ich entsetzt. Ein Internat? War das ihr Ernst? Ich bin vierzehn, dass ist ein ziemlich blödes Alter! Weder Alex, noch Maxi, meine große Schwester, haben sie in ein Internat gesteckt und die waren doppelt so arg wie ich.

„Du warst doch viel schlimmer!“, rief ich.

„Oh ja, dass war ich …“

„Ich meine, du hast jede Zweite ins Bett gebracht!“

„Das waren noch scheiß Zeiten …“

„Ich hab mich doch nur mit Jungs getroffen!“, beschwerte ich mich.

„Wie alt sind die?“

„Vierzehn oder fünfzehn …“

„Siehste. Genau in dem Alter war ich auch, als ich den Scheiß durchgezogen habe und jedes Mädchen aufgerissen habe, nur um sie in die Kiste zu bringen!“, erklärte er.

„Timo hat gesagt er liebt mich …!“, erklärte ich und wich dem Blick meines Bruders nicht aus.

„Das habe ich auch als Mittel zum Zweck benutzt. Und dann … tja, ich Arschloch hab jedes dieser zuckersüßen Mädchen hängen lassen und ihnen das Herz gebrochen …“

„Meine Eltern wollen mich nicht! Sie wollen mich nicht! Sie kommen nicht mit mir klar! Ich bin ihnen zu anstrengend! Deswegen wollen sie mich auf ein Internat geben! Nur deswegen!“, brüllte ich fast durchs ganze Haus.

„Du sollst schon morgen abreisen …“, sagte Alex und sah schnell weg, als ich ihm in die Augen schaute. Ich holte einen Koffer aus meinem Schrank und klatschte ihn auf den  Boden. „Das darf doch nicht war sein!“, brüllte ich so laut, dass ich dachte, der Boden vibrierte. „Ich werde dich morgen hin fahren. Maxi wird uns begleiten“, wechselte Alex das Thema.

„Welches Internat?“, fragte ich.

„Internat Rosenholz. Mach dich fertig und geh anschließend sofort ins Bett. Morgen ist der letzte Schultag und am Nachmittag sind wir dann schon weg.“ Mit diesen Worten war er aus meinem Zimmer verschwunden. Ich packte alle Sachen. Fast mein ganzes Gewand und beinahe der gesamte Inhalt meines Bücherregals landete in mehreren Koffern. Dann noch mein Lieblingsplüschtier, Handyladekabel, Kopfhörer und ein kleines bisschen Schminke, Schmuck und Düfte. Noch einige Bilder und Duschgel und so. Ich ließ mich auf mein Bett sinken. Einerseits war ich echt enttäuscht von meinen Eltern, andererseits war ich auch ziemlich neugierig darauf, was mich in diesem Internat alles erwarten würde. Jedoch setzte ich eine ziemlich grimmige Miene auf. Naja, wen wundert es? Mit meinen Eltern wollte ich nicht reden. Ich würde auch die ersten paar Wochenenden im Internat verbringen und nicht meine Eltern besuchen. Vielleicht Alex und Maxi, aber bestimmt nicht Mama und Papa! Ich warf einen letzten Kontrollblick auf meine Koffer, durchsuchte sie und mein Zimmer, um ganz sicher zu gehen, dass ich bestimmt nichts vergessen hatte. Wütend schnappte ich meinen Pyjama und verschwand im Badezimmer, um mich zu duschen. Morgen konnte ich mich von den Jungs und Camille verabschieden. Ich würde sie nur noch hin und wieder an Wochenenden sehen, und das vier Jahre lang. Oder länger. Ein Seufzer verließ meinen Mund. Das warme Wasser floss über meinen Körper und ich shampoonierte meine Haare ein und wusch das Shampoo wieder aus.

Nachdem ich mich bettfertig gemacht hatte (duschen, Zähne putzen usw.) saß ich auf meinem Bett und sah im Internet nach Informationen über das Internat Rosenholz. Es scheint nicht schlecht zu sein, auch das Aussehen war ganz in Ordnung. Aber, was heißt „ganz in Ordnung“? Es sah fantastisch aus! Es war ein riesengroßer Klinkerbau – ich liebe Klinkerbauten einfach! – mit weißen Fensterrahmen. Und von Fenstern gab es verdammt viele! Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Ich legte mein Handy zur Seite und steckte es noch einmal an, damit es morgen genug Akku hatte. Meine große Schwester Maxi betrat mein Zimmer. Maxi verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse, als sie die vielen Koffer sah. „Ich hätt nicht gedacht, dass unsere Alten das mit dem Internat ernst meinen!“, meinte sie und sah mich mitleidig an. Ich seufzte. „Ich wäre nicht einmal auf die Idee gekommen, dass sie so etwas wagen …“, flüsterte ich. Die Trauer überkam mich. Ja, morgen würde ich abreisen.

„Es wird bestimmt langweilig ohne dich!“, sagte Maxi und schob ihre Unterlippe nach vorne. Sie schmollte. Aber was sollte ich dagegen machen? Ich konnte es nicht ändern!

„Ich hoffe unsere Eltern überlegen es sich bis morgen anders!“

„Das glaub ich nicht.“

„Warum nicht?“

„Sie haben sich etwas in den Kopf gesetzt und DIESEN Schritt, werden sie bestimmt durchziehen.“

„Wenigstens soll das Internat ein Gutes sein. Es hat einen sehr guten Ruf, es soll coole Lehrer und schöne Zimmer geben. Natürlich auch gutes Essen!“

„Wenigstens etwas …“ Ich lächelte ein wenig.

„Alex und ich werden dich morgen da hin führen.“

„Ja ich weiß.“

„Der Abschied wird schwer …“

„Ich werde mich morgen nicht von Mama und Papa verabschieden … Ich will ihnen zeigen, wie sehr sie mir wehgetan haben …“

„Mensch Laki, dass ist doch nicht dein Ernst!“

„Doch ist es.“

„Und was ist mit Sarah?“

Sarah war unsere kleine Schwester. Dieser kleine nervige Sonnenschein.

„Von der verabschiede ich mich auch nicht.“

Maxi verdrehte die Augen.

„Maxi ich muss schlafen gehen. Morgen ist ein anstrengender Tag …“, sagte ich noch und gab Maxi links und rechts einen Kuss auf die Wange, bevor sie das Licht abschaltete und mein Zimmer verließ. Eine einsame Träne kullerte meine Wange hinunter. Es war kein Traum, meine Eltern wollten mich tatsächlich auf ein Internat schicken … Schweren Herzens schlief ich ein. Es war kein ruhiger Schlaf. Er war mit normalen Träumen und Albträumen vermisch und übersät. Ich war gespannt, was mich dort erwartete …

Internat Rosenholz 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt