Kapitel 35

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S A M

Ich sollte mich nicht melden.

Immerhin war ich nicht diejenige, die einfach verschwand und eine kalte Pizza liegen ließ. Warum sollte ich mich auch bei ihm als erste melden? Ich war nicht sein Schoßhündchen, was immer angelaufene kam, wenn gerufen wurde. Ich hatte meine Prioritäten.

Und wegen meinem (und seinem) stolz herrschten zwei Tage komplette Funkstille. Nun war es Mittwoch und ich stocherte in meinem Salat herum, bis Verena sich zu mir und Keyla setzte.

,, Hey, lange nichts mehr gehört von dir." Auch Lia setzte sich hin und stupste mich mit dem Ellbogen an. ,, Wie geht's so?", lächelte sie und biss von ihrem Burger ab.

,, Ach, ganz plötzlich?", verdrehte ich sie Augen.

,, Hi Keyla", begrüßte nun Verena sie. Lia nickte ihr nur zu und schluckte kurz danach.

Warum setzten sie sich auf einmal zu uns? Verena hatte mich quasi ignoriert und war sauer auf mich, glaubte ich zumindest. Doch nun tat sie so, als wäre alles Friede-Freude-Eierkuchen.

,, Wie läuft's so mit deinem Freund?", fragte mich Lia nebenbei. Ich warf ihr einen spitzen Blick zu und rümpfte die Nase.

,, Alles gut", log ich. ,, Warum?"

,, Hör zu, es tut mir leid. Ich kann nicht bestimmen, mit wem du dich triffst und wem nicht. Okay? Sorry. Wie wäre es, wenn du ihn und mal vorstellst?" Verena sah mich fragend an und lächelte leicht.

,, Wie? Heute?"

,, Mir egal", zuckte sie mit den Schultern.

,, Ich weiß nicht", zögerte Lia. ,, Hat er eine Waffe?" Ein großer Hustenschwall überkam mich, als ich das hörte. Ich wusste, dass Alonso eine Waffe hatte. Doch dass Lia mich so offen danach fragte, fand ich dennoch überraschend.

,, Natürlich nicht", log ich wieder. Keyla sah nur stumm auf ihre kalte Pizza. Sofort ließ es mich erschaudern, als ich an diesen Abend dachte. Und an die kalte Pizza, die noch im Gefrierschrank lag, da ich sie nicht wegschmeißen wollte.

,, Okay. Dann sprichst du mit ihm heute und wir treffen uns dann diese Woche. Wir könnten zu mir", schlug Verena vor. Lia wollte etwas erwidern, doch ließ es sein und biss wieder in ihren Burger.

,, Wir könnten auch in den botanischen Garten in Bronx." Ich lächelte glücklich, als ich an diesen Abend dachte. Er war einfach nur wunderschön und besonders atemberaubend.

,, Bronx?", in Verena's Stimme steckte nur noch Spott und Verachtung. ,, Diese Ghettogegend? Niemals wage ich einen Schritt dahin!" Vom Augenwinkel her sah ich, wie Keyla fest ihr Messer umklammerte und immer noch nicht aufsah.

,, Fahren wir lieber nach Manhattan, vielleicht in Macy's?" Ich zuckte nur lustlos mit den Schultern und stand mit meinem Tablett auf. ,, Kommst du, Keyla?" Sofort stand auch sie mit ihrem Tablett auf und ging mit schnellen Schritten so weit wie möglich weg von Verena und Lia.

,, Wie kannst du nur mit solchen arroganten Mädchen reden?", fragte sie, als wir die Cafeteria verließen und Richtung Bibliothek gingen.

,, Sie sind Freunde von Audrey. Audrey! Alles nur hinterhältige Biester."

Ich presste meine Lippen aufeinander und sah kurz danach auf meine Uhr, die mir zeigte, dass es jeden Moment klingeln würde.

,, Es klingelt gleich und ich muss noch zu meinem Spind. Kommst du mit?"

,, Ich muss nochmal kurz zu Clementina, wir sehen uns dann gleich in Mathe." Keyla winkte mir kurz zu, als sie zu den Latinas raus ging und ich zu meinem Spind. Es gab, um ehrlich zu sein, wenige Latinas auf dieser Schule. Mit Keyla, höchstens sechs oder sieben. Und diese Schule war groß. Größtenteils gab es hier Schnösel. Keyla war auch nur auf der Schule, weil sie ein Stipendium bekommen hatte.

•••

Ich saß in der dritten Reihe in meinem Mathekurs. Neben mir nahm plötzlich Matthew, ein Blonder Junge, Platz. Er sah ziemlich genervt aus und legte seine Sachen unordentlich auf den Einzeltisch.

,, Keyla sitzt dort", erwiderte ich ruhig und tippte mit meinen Fingern auf meinem Tisch herum, da ich bezweifelte, dass er sich umsetzte.

,, Hat sie diesen Platz gekauft? Reserviert? Gehört der Platz ihr? Nein", antwortete Matthew mir und kratzte sich wie ein dummer Affe am Nacken.

,, Warum sitzt du überhaupt hier?", fragte ich ihn leicht angespannt und packte langsam meine Sachen zusammen, da ich nicht neben ihm sitzen wollte.

,, Halt, wohin?"

,, Weg von dir?"

,, Bist du nicht die Kleine, die mit diesem Gangster zusammen ist?"

,, Gangster?", brachte ich verächtlich hervor. ,, Hast du sie noch alle? Er ist kein Gangster!"

,, Jaja, und in einer Gang auch nicht?", konterte er grinsend.

,, Du kennst ihn nicht einmal."

,, Eigentlich schon. Er holt mir immer Stoff."

,, Halt deine Klappe! Er dealt nicht!" Tränen bildeten sich in meinen Augen, die ich jedoch nicht herunterfließen ließ. Ich versuchte meine Anspannung zu verbergen und ruhig zu bleiben, doch das gelang mir nicht. Dealte Alonso wirklich? Er hätte es mir doch erzählt. Aber damit machte er sich strafbar! Verdammt, das konnte er doch nicht tun!

,, Du nimmst also Drogen?" Matthews Grinsen verschwand sofort und er seufzte nur genervt.

,, Hör mir zu, wenn du weiter solche Lügen verbreitest, dann würde ich aufpassen, dass der Direx nicht etwas sehr schlimmes von dir erfährt." Und damit nahm ich meine Sachen und setzte mich zwei Reihen weiter nach vorne, in eine Ecke, so weit weg wie möglich von Matthew.

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