Kapitel 07

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Nun war es Donnerstag. Ich hatte zwei neue Freundschaften. Amelia und Verena. Amelia bestand darauf, Lia genannt zu werden.

Sonst war es eigentlich ganz okay. Ich hatte keinen Bitch-Fight mit einer der Tussis vom Cheerleader Team oder einen Krieg angezettelt mit einem der süßen Footballspieler. Ich war unsichtbar, und das würde ich auch bleiben, solange mich niemand nervte.

Es klingelte. Ich packte meine Sachen sofort ein, doch unsere Englischlehrerin hatte da andere Pläne.

,, Stopp! Ich beende den Unterricht." Genervt verdrehte ich meine Augen. Wirklich? Wofür gab es dann so eine blöde Klingel?

,, Als Hausaufgabe lest ihr Kapitel zwei und drei und schreibt zu den jeweiligen Kapiteln zwanzig Fragen, samt Antworten." Ich stöhnte genervt auf und schrieb es mir schnell auf die Hand, da ich keine Lust hatte meine ganzen Sachen wieder auszupacken.

Als uns Mrs. Marples endlich raus ließ, stürmte ich auf mein Auto zu. Doch als ich die Stufen hinunter ging, zum Parkplatz, sah ich einen Typen an einem Motorrad lehnen, vom Augenwinkel her. Ich drehte meinen Kopf in die Richtung und blickte sofort in dunkelgrüne Augen. Er sah mir genau in die Augen.

Was machte Alonso hier? Ich hatte angenommen, ihn nie wieder zu sehen. War New York wirklich so klein? Aber irgendwie war es mir peinlich, ihn zu sehen. Und erst recht wurde es unangenehm, als ein jüngeres Mädchen, vielleicht vierzehn, aus dem Gebäude stürmte und ihn umarmte.

Stand er auf Jüngere? Oh Gott, war das sein ernst? Das Mädel war vielleicht gerade mal 14, und er war locker 18! Ist sowas nicht verboten? Was er wohl mit ihr machte ..

Okay, stopp. Wie schmutzig waren denn meine Gedanken?

Ich bemerkte, wie ich stehengeblieben war und setzte meinen Weg fort. Alonso warf mir noch einen Blick zu. Seine Mundwinkel zuckten wieder leicht nach oben, was mich zum schmunzeln brachte. Er stieg samt dem Mädchen auf das Motorrad. Ich war begeistert, denn ich stand total auf Motorräder. Die waren so cool und man fühlte sich so frei mit ihnen.

Ich schüttelte den Kopf, denn am liebsten würde ich diese alte Karre verkaufen und mir ein Motorrad kaufen. Ich konnte Motorrad fahren, aber meine Mutter meinte, ich solle mir selbst ein Motorrad kaufen.

Ich seufzte und sah, dass Alonso mit seiner kleinen Freundin schon weg war. Würde ich ihn morgen wieder sehen? Irgendwie hoffte ich es. Ich bekam leichte Bauchschmerzen, es war ein Gefühl von Vorfreude.

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Ich stand vor meinem Spiegel und betrachtete mein Outfit kritisch. Es bestand aus einer schwarzen High Waist Jeans, einem passenden CropTop, eine dunkle Jacke und schwarze Converse. Ich wollte ganz Casual sein und nicht zu viel oder zu wenig anziehen. Das war doch ganz gut, oder?

Ich ließ meine Naturlocken offen und nahm meinen schwarzen Rucksack. Mir konnte es doch egal sein, was andere von mir dachten. Es war mir schon immer egal, warum sollte es genau heute wichtig sein?

Ich wusste selber warum und leugnen brachte nichts. Wollte ich Alonso beeindrucken? Würde er überhaupt wieder da sein? Vielleicht hatte er ja auch seine kleine Freundin abgeholt, was mich irgendwie anekelte. Die kleine war vierzehn, und er locker achtzehn. Vielleicht waren sie ja auch verwandt?

Ich machte mir eindeutig zu viele Gedanken.

Mom saß im Wohnzimmer, als ich aus meinem Zimmer kam. Es sah eigentlich ganz gut aus. Fast fertig, aber der Balkon sollte mal etwas geputzt werden.

Ich ging in die Küche und nahm mir mein Lunch. Dies bestand aus zwei kleinen Wraps, einem geschnittenen Apfel, Trauben und Wasser.

Ich aß schnell ein Brot und schon wartete ich im Fahrstuhl, endlich unten anzukommen. Ich wollte gar nicht an diesen Blödmann denken. Und außerdem war ich nicht weiß! Ich hatte einen Südländerteint, da meine Mutter aus Portugal kam, doch Dad war Amerikaner. Trotzdem konnte ich kein Stück Portugiesisch, und Mom wollte auch nicht, dass ich es lernte. Sie hatte schlechte Erinnerungen aus Portugal und wollte wenig damit zutun haben.

Warum machte ich mir darüber überhaupt Gedanken? Er war nur ein Krimineller Latino, der mir sowas von am Arsch vorbei gingen konnte!

Etwas zornig über mich selbst, verließ ich den Fahrstuhl und ging zügig in mein Auto, um mir auf den Weg noch einen Kaffee zu holen.

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Ich stand nervös auf, als die Klingel ertönte. Auf wackeligen Beinen betrat ich den vollen Flur und hielt automatisch Ausschau nach Lia und Verena. Doch es war hoffnungslos, da es randvoll war. Und so quetschte ich mich durch schwitzende Teenager.

Draußen, an der frischen Luft, sah ich mich schnell um. Es hatte sich etwas geleert, jedoch standen trotzdem viele Schüler auf dem Parkplatz und der Wiese, die vor der Schule war.

Mein Herz hielt kurz an, als ich ein Grinsen wahrnahm. Ich schluckte und sah in dunkelgrüne Augen. Er lehnte wieder an seinem Motorrad, und strahlte dieses coole, lässige Gangster-Image.

Und ... Er rauchte. Alonso rauchte. Okay, damit war er unten durch bei mir. Was für ein verdammter Idiot? Andere starben an Krebs, wegen dem Rauchen, und er gibt der Firma auch noch Geld, ihn umzubringen? War er wirklich so bescheuert?

Mit gehobenem Kopf und einem stolzen Gang, ging ich die Stufen runter und beachtete niemanden. Als ich an Alonso und seinen Freundin vorbeiging, hielt mich einer am Arm, und jemand anders rief:,, Ist das nicht die chica, von letztens?"

Sofort zog ich meine Hand weg und sah dem Kerl eiskalt und wütend in die Augen.

,, Wehe du fasst mich nochmal an", warnte ich ihn. Doch dieser Penner grinste nur und blies mir allen Ernstes Rauch ins Gesicht. Ich ging ein paar Schritte zurück und zog den Rauch in meine Nase auf. Angewidert wedelte ich mit meiner Hand vor meinem Gesicht herum, als ob ich eine Biene attackieren würde, und fing an zu husten, als das gasförmige Gift meine Lungen angriff' und sie sich damit füllten. Ein Kratzen in meinem Hals verhinderte, dass ich den Latino anschrie.

Nach wenigen Sekunden, in denen ich wie ein Asthmatiker hustete und verreckte, konnte ich wieder reden.

,, Du kleiner, mieser, schwanzgesteuerter Ba-", bevor ich meinen Satz beenden konnte, hielt mir plötzlich jemand die Hand auf den Mund und zog mich von hinten ein paar Schritte zurück. Panisch biss ich in die Hand und drehte mich um. Das gut aussehende, Schmerz verzerrte Gesicht von Alonso blickte mich an.

,, Wofür war das?", fragte er etwas wütend.

,, Du hast deine Hand auf meinen Mund gehalten!", verteidigte ich mich belustigt.

,, Na und? Hättest du deinen Satz zu Ende gesprochen, hätte dir Marco eine Kugel in deinen Kopf gepustet! Wie oft muss ich dich, gringa, noch retten?" Ich verdrehte die Augen.

,, Musst du gar nicht! Ich kann auf mich selber aufpassen. Einen Vater hab ich ja schon, spiel dich also nicht so auf." Seine Miene verhärtete sich plötzlich. Er ballte die Fäuste und er fing an mit seinen Zähnen zu knirschen.

,, Ich seh ja, wie du auf dich aufpasst." Okay, nun nervte er wirklich! Ich konnte auf mich selber aufpassen, ich war siebzehn Jahre alt.

,, Was machst du überhaupt hier?", fragte ich ihn. Er entspannte sich etwas und lehnte sich an den Baum, der hinter ihm stand. Alonso nickte dem Mädchen von gestern zu.

,, Meine Schwester geht auf diese Schule. Ich hole sie manchmal ab, wenn ich kann." Scheiße, es war seine Schwester. Was für schmutzige Gedanken hatte ich? Und was machte er denn, wenn er sie nicht abholen konnte? Drogen verkaufen, Menschen umbringen? Gott, meine Vorurteile mussten aufhören!

,, Weißt du, ich hab nicht immer Zeit. Drogendeal da, Raubüberfall da, manchmal auch ne Vergewaltigung. Oh, und gestern, ja, da konnte ich sie abholen, weil ein Kumpel von mir meine Arbeit erledigt hat. Ich hasse es Leichen wegzubringen, da mach ich mir immer die Hände schmutzig", erzählte er ernst. Seine Miene war wie versteinert, und er sah etwas verängstigend aus. Ich starrte ihn mit weit offenem Mund an, und mein Herz schlug mir bis zum Hals hoch. Meinte er das ernst? Wenn nein, dann war er ein grandioser Schauspieler.

Plötzlich schlich sich ein weites Grinsen in Alonso's Gesicht. Er lachte kurz auf und ging zu seinen Freunden.

War das sein verdammter ernst?

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