Teil17

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Ich konnte die Situation nicht wirklich begreifen, da saß eine junge Frau die das absolute Gegenteil von mir war und neben ihr ein Junge der seinen Füßen zuschaute wie er sie baumeln ließ. Das konnte nicht real sein und ich war mir sicher dass ich wohl wieder einer dieser Träume hatte. Gleich würde ich wieder wach werden oder Ralf würde mich von Dummheiten abhalten oder Marco würde mich einfach weg tragen. Ich wünschte mir es tief in meinem Herzen das es so war. Ja ich wollte träumen! Ralf konnte mich in einem realen Leben nie und nimmer mit dieser Frau betrogen haben und dann auch noch ein Kind mit ihr haben. Das passte hinten und vorne nicht und würde so auch nicht bleiben. Selbst wenn es so wäre das diese Frau davon überzeugt war und wir von einem echten Leben sprachen, war das nur ein schlechter Witz und gleich würde jemand hinter dem Vorhang raus hüpfen und ruft „Versteckte Kamera" oder „April, April". Unverschämt freundlich lächelte sie mich an und stand dann auf um mir ihre Hand entgegen zu halten. "Ich bin Annabell und sie müssen Saskia sein?" Abwertend sah ich erst sie und ihre Hand und dann ihr Kind an. Ich war weit entfernt davon ihr dieselbe Höflichkeit entgegen zubringen die sie mir schenkte. Sie hatte es wohl auch schnell begriffen dass es zwischen uns nie zu einer dicken Freundschaft kommen würde und nahm ihre Hand unbenutzt wieder runter. "Ich weiß das dies sehr verwirrend ist aber ..." ich unterbrach sie in dem ich erst die Hand hob "mir ist es egal wer sie sind, ich will nur wissen was sie wollen?"-"Naja ich wollte mich eigentlich erst vorstellen"-"wie ich schon sagte, es ist mir egal wer sie sind" giftete ich sie an und war auf einmal, tief in meinem Herzen meiner Mutter dankbar für ihre Erziehung, denn nur von solch einer Frau konnte man so viel Kühle lernen wie ich sie gerade hier an den Tag legte und mit aller Macht dieser Annabell entgegen brachte. "Ich wollte mein Beileid aussprechen" mehr sagte sie nicht und ich überlegte mir was diese Show sollte "das wäre auch ganz gut per Post gegangen, dafür hätte es keinen Besuch bedurft" ich verschränkte meine Arme vor der Brust und sande ihr weiter Todesblicke zu "nein das stimmt, dafür hätte ich wirklich nicht herkommen brauchen, doch ich habe auch lange Zeit mit mir gerungen ob ich es wirklich tun sollte. Ich bin dann zu dem Entschluss gekommen das es vielleicht gar nicht so schlecht ist wenn Frau und Herr Maibacher wissen das sie einen Enkelsohn haben" ich ließ meine Arme sinken und ging einen Schritt auf sie zu, ich wollte leise reden, denn das Kind konnte ja nichts dafür das die Mutter eine Schlampe ist. "Wussten sie das Ralf eine Beziehung hatte als das zwischen ihnen passierte?" sie nickte. Innerlich musste ich mich ernst zusammen reisen das ich nicht anfing zu platzen vor Wut und Enttäuschung "wenn sie es wussten, wie konnte das dann passieren?" ich nickte leicht in die Richtung des Jungens und Annabell zuckte nur mit den Schultern "was ist ihr wirklicher Grund her zu kommen? Wollen sie ein bisschen Erbgeld erschleichen oder was? Es wird Zeit das sie gehen und zwar sofort, bevor ich mich vergesse. Sie kommen einfach hier in dieses Haus in dem getrauert wird um einen geliebten Menschen und erzählen gutgläubigen Menschen mit zu großem Herz eine Geschichte und haben zum Schluss wohl noch Hoffnung dass es Geld regnet?! Da haben sie sich wirklich in den Finger geschnitten also machen sie das sie ihr Balg unter den Arm klemmen und hier verschwinden und wagen sie es nie wieder hier her zu kommen. Zudem, wann sollte das überhaupt passiert sein?" ich fühlte kühle Hände auf meinen Oberarmen, die mir von hinten aufgelegt wurden. Sie waren so eiskalt wie meine Stimme, mein Herz und mein Verstand. Ich fühlte es deutlich durch den dünnen Stoff meiner Jacke und dann flüsterte ein sanfter leiser Hans "Sassi lass gut sein, es wird sich bestimmt alles aufklären und ich glaube auch das Annabell jetzt gehen wollte" Hans nannte mich wieder Sassi, das war mir auch viel lieber als Saskia und zeigte mir das er wider klar im Kopf war und nicht so verwirrt wie zu dem Zeitpunkt als er mir die Tür aufgemacht hatte. "Ja ich denke auch dass sie gehen wollte" hörte ich die zaghafte Stimme von Lore. Sie waren also meiner Meinung dass diese Frau hier nichts zu tun hatte und ihre Geschichte einfach zu unglaubwürdig war als das man sie länger hier im Haus hätte dulden dürfen. Annabell drehte sich zu ihrem Sohn um und hielt ihm lächelnd die Hand entgegen "komm Timmy, mein Schatz, wir gehen wieder" der kleine Junge stand artig auf wie man es ihm sagte und ergriff die Hand seiner Mutter, diese drehte sich zu uns und schaute in die Runde "ich werde es beweisen das es so ist wie ich es sage und wenn es per Gericht ist"-"also doch nur Geldgeil was?" sagte ich leicht süffisant lächelnd "guck jetzt das du raus kommst" und nickte in Richtung Ausgang. Mit stolz erhobenem Kopf machte sie sich auf den Weg nach draußen und wurde von Hans begleitet. Kaum hatte sie den Raum verlassen, ließ sich Lore von Kummer geplagt in den Sessel fallen, schlug die Hände vor das Gesicht und weinte hemmungslos. Ich brauchte einen Moment um die Eindrücke zu verarbeiten dann erst konnte ich mich um sie kümmern. Ich setzte mich auf die Armlehne neben sie und legte eine Hand auf ihren Rücken. "Beruhige dich doch Lore, das war nur eine Verrückte ohne Bedeutung" sie sah mich aus verheulten Augen an und ich hatte das Gefühl es war nicht nur eine Verrückte mit einer wahnwitzigen Story sondern die Wahrheit. "Sie ist weg" sagte Hans als er zu uns zurückkam. Er hatte die Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben und schaute wieder so fassungslos wie als er mir die Tür öffnete. "Du arbeitest doch für Anwälte. Was kann sie tun?" Ich überlegte was ich in der Ausbildung über Familienrecht gelernt hatte, doch es war schwer zu sagen, denn die Gesetze änderten sich ständig und Urteile gab es auch zu berücksichtigen. So konnte ich nichts mit Gewissheit sagen und ich wollte auch gar nicht ernsthaft darüber nachdenken sondern lieber verdrängen. Plötzlich stand Lore auf und ging an den Wohnzimmerschrank. Sie schaute kurz rein als würde sie sich einen Überblick schaffen wollen und ging dann mit einem Fotoalbum zum Esstisch. Sie zog sich hastig ihre Brille an die sie immer an einer Goldkette um den Hals trug und fing an schnell durch das Buch zu blättern. Sie stieß dann mit dem Zeigefinger auf eine Seite "da ist es aber seht selbst" sagte sie aufgeregt und wir gingen zu ihr rüber. Es war ein kleiner Junge, etwa 4-5 Jahre alt, der mit einem Ball unter dem Arm fröhlich in die Kamera grinste. Gleich erkannte ich Ralf in dem Kind und wusste aber nicht auf was Lore hinaus wollte. Weswegen ich sie auch fragend anschaute und dann zu Hans. "Schatz jetzt mach nicht aus einem Mücken einen Elefanten" sagte er ruhig. Da schoss ihr Kopf in die Höhe und sie fing an ihren Mann anzugiften. Das hatte ich noch nie an Lore erlebt dass sie so sein konnte. Ich war immer der Überzeugung das sie nur aus Herz und Liebe bestand und niemals auch nur im Ansatz ein böses Wort ihre Lippen verlassen könnte. Ich irrte mich mal wieder, was wohl langsam zur Gewohnheit wurde. "Hans jetzt stell dich nicht so dumm an. Du weißt genau dass es so ist! Du bist ein Idiot wenn du das nicht siehst und erkennst!" Sie wurde immer lauter umso mehr sie redete. „So lang ich nichts schwarz auf weiß habe werde ich überhaupt nichts erkennen" mit diesen Worten drehte er sich um und ging. „Schau Sassi" sagte sie ruhig in meine Richtung und zeigte wieder auf das Bild „das ist Ralf als er so alt war wie dieser Tim. Findest du nicht das die Ähnlichkeit enorm ist?" ich schaute wieder auf das Bild, doch ich konnte es nicht mit Gewissheit sagen, da ich den kleinen Jungen von eben nur sehr flüchtig angeschaut hatte. „Ich weiß es nicht, dafür hab ich das Kind mir nicht genau genug angeschaut" gab ich ehrlich zu „aber wenn du das sagst wird schon was dran sein. Dennoch bin ich Hans seiner Meinung" sie sah mich mit großen Kulleraugen an „aber ... aber warum braucht ihr mehr Beweise?" stammelte sie und ich sah sie mitfühlend an „weil man sich nicht einfach so etwas erzählen lassen sollte, zudem unterstellst du deinem Sohn damit er würde Fremd gegangen sein. Traust du ihm so was zu? Ich tu es nicht, zumal ich nicht wüsste wann das gewesen sein sollte"-„Fremdgehen passiert in den besten Familien und auch das daraus Kinder entstehen ist so alt wie die Welt" nun hatte sie mich geschockt, denn mit solch einer Aussage über ihren einzigen Sohn hätte ich nicht gerechnet und es tat mir weh das sie es ihm wohl zutraute. „Denkst du auch mal daran wie ich mich dabei fühle? Er hat nämlich dann mich betrogen" nun war sie es die mich anschaute mit vollem Mitgefühl, nein es war Mitleid. „Das ist doch schon lange her" sie fing milde an zu lächeln „und ich habe dir schon mal gesagt, dein Leben muss ja deswegen jetzt kein Ende haben. Du bist jung und wirst bestimmt eine neue Liebe finden. Wir aber sind alt und es wäre schön zu wissen das wir einen Enkel haben" das war wie eine Ohrfeige mit einem Vorschlaghammer und mir drehte sich der Magen um. „Hat dich Marco eigentlich erreicht? Er hatte hier angerufen und nach deiner Nummer gefragt", obwohl ich deswegen her gekommen war, war mir das in dem Moment extrem egal. Denn was Lore mir gerade zu verstehen gegeben hatte und das in einer Art die meiner Mutter schon fast gleich kam, war viel wichtiger.

Ein Leben danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt