Teil7

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Marco stellte mich auf meine Füße und lehnte mich an was Kühles. Als ich kurz meine Augen etwas aufmachte erkannte ich ein großes wuchtiges Auto dessen Beifahrer Türe er gerade aufzog. Ich sah deutlich seine Hand, mit den langen schlanken Fingern die ich am Morgen schon berührte als er mir die Marmelade gab. Ich erinnerte mich an das Gefühl was ich in dem Moment hatte und fühlte wie mein Herz anfing zu klopfen. Es war also kein Traum, das war nackte Realität. Denn für einen Traum war das alles hier viel zu Detailgetreu und zu klar für meine Augen. Schell machte ich sie wieder zu und versuchte mich zu erinnern was passiert ist. Da war das Frühstück, der Überraschungsgast in Form von Marco und diesem ach so doofen Familiengeheimnis um Ralf. Meine Wut und Enttäuschung über das alles und das ich aufstand und ging. Ziellos war ich zum Friedhof gelaufen und führte ein Zwiegespräch mit Ralf und dann? „Schaffst du es einzusteigen?" ich nickte leicht und schob meinen Hintern auf den Sitz. Schnell schloss Marco die Tür und rannte um die Motorhaube rum auf die Fahrerseite. Seine Haare waren überhaupt nicht mehr in Form, vom Regen waren sie nach unten gedrückt und standen auch zum Teil ganz wirr von seinem Kopf weg. Sein Shirt war nass durch und durch und ich konnte jeden Muskel erkennen ohne mich dafür besonders anzusträngen. Er stieg ein, ließ im nächsten Moment auch schon den Motor an und drehte die Lüftung auf Hochtouren. Er drückte noch ein paar Knöpfe und Sekunden später merkte ich wie es unter meinem Hintern warm wurde. *Oho, welch Luxus, eine Sitzheizung* innerlich lächelte ich, doch nach außen verzog ich keine Miene. Ich beobachtete ihn lieber weiter wie er gerade das Wasser, was eben noch über seinen Nasenrücken runter lief und an der Nasenspitze abtropfte, aus dem Gesicht streifte. Seine Unterarme waren wie der Rest von ihm komplett nass. Es schien fast als wäre er unter der Dusche vorgekommen oder extra für mich in einen tiefen See gesprungen mit allem was er an hatte. Ich zog seine Jacke enger um meine Schultern und kuschelte mich in den dicken Stoff rein. Am Kragen der Jacke war sein Duft besonders intensive und ich drückte meine Nase rein um ihn tief in mich aufzunehmen ohne auch nur Marco einen Moment aus den Augen zu lassen. Er sah nicht nur gut aus, er sah verdammt gut aus und ich ging langsam die Konturen seines Profils ab um mir jede Ecke und jede Kante einzuprägen. Er hatte aus der Sicht überhaupt nichts mit Ralf gemeinsam und das machte mich noch glücklicher. Mein Blick ging weiter an ihm runter, über seinen Oberarm und das Muskelspiel wenn er lenken oder schalten musste. Die Heizung tat ihren Dienst doch hatte er irgendwie immer noch Gänsehaut, was mir direkt ein schlechtes Gewissen machte da ich seine Jacke ja hatte. „Magst du deine Jacke wieder haben?" er schaute kurz zu mir rüber und lächelte nur mild was sich anfühlte wie die Geschichte mit dem Marmeladeglas. Wenn er eine Sekunde länger mich so angesehen hätte, wäre ich ihm wohl um den Hals gefallen. Zum Glück fühlte ich aber nur bis dort hin mein Herz schlagen. Ich war davon überzeugt, würde man genau schauen oder ich meinen Kopf nicht so weit eingezogen hätte, würde man deutlich sehen können wie meine Halsschlagader Zentimeter weit raus trat und das in einem beschleunigten Takt der nicht zählbar war. „Ich glaube du kannst sie besser brauchen als ich" er sah wieder konzentriert zurück auf die Straße, was mir ganz recht war. So konnte ich weiter verboten schauen und er uns durch das Unwetter sicher fahren. Wer konnte auch ahnen dass es so anfängt zu regnen? Es goss wie aus Eimern, so dass die Scheibenwischer richtig viel zu tun hatten. Beschwerlich zogen sie die Massen an Wasser von links nach rechts über die Scheibe und man konnte dennoch nichts klar erkennen. Da ich mit was anderem beschäftig war und mich nicht weiter um den Regen kümmern wollte, schaute ich wieder auf seine Arme um festzustellen wie gerne ich mich noch einmal an ihn schmiegen würde nur damit er mich damit umarmte und fest einschloss. Ich sog leicht meine Unterlippe zwischen die Zähne und kaute schon fast nervös darauf herum. Was tat ich hier eigentlich? Das durfte ich nicht tun! Oder doch? Warum tauchte er gerade jetzt auf, wenn nicht eine höhere Macht es gewollt hätte das ich ihn mir anschaute? Vielleicht war es aber auch nur ein Test. Ein Test wie sehr ich Ralf liebte und wie tief sie ging, diese Liebe. War ich standhaft genug diesem Mann wiederstehen zu können? Diese Frage stellte ich mir tatsächlich ernsthaft. Was wäre wenn ... ein beliebtes Spiel meines Hirns seit zwei Wochen und einem gefühlten halben Jahrhundert. Also, was wäre wenn, seine Hände einfach so über meinen Körper wandern würden? Meine Augen sahen auf die Hand die auf dem Schaltknüppel lag. Sie war groß und sehr männlich, dennoch konnte man klar sagen dass diese Hand noch nie ernsthaft genutzt wurde. Er war nun mal Fußballer und nicht Bauarbeiter. Die Antwort auf meine stille Frage? Ich würde wohl auch Gänsehaut bekommen wie er sie immer noch leicht hatte. Was wäre wenn, seine Augen tief in meine schauen würden? Könnte er dann erkennen was ich dachte wenn ich ihn ansah? Ich konnte schlecht mich verbiegen um in seine Augen zu sehen, also versuchte ich mir seine in Erinnerung zu rufen, was mir gar nicht so schwer fiel. Ich dachte an den Vortag, als er sich so rührend um mich gekümmert hatte und mich so sorgenvoll anschaute. Er hatte wunderschöne Augen, vor allem eine sehr faszinierente Augenfarbe. Man konnte gar nicht klar sagen was es war. War es mehr grün? Doch mehr blau? Es könnte auch grau sein? Vielleicht aber auch einfach alles gemischt? Was wäre wenn, mich Marco einfach so küssen würde? Ich schaute ihm direkt auf seinen Mund und erschrak als er seinen Kopf plötzlich und ohne jede Art von Vorwarnung zu mir drehte. „Was?" ich konnte genau erkennen das er was sagte, doch der Schreck ließ das Blut in meinen Ohren rauschen und ich verstand kein Wort von dem was er da von sich gegeben hatte, zudem lief Musik und die Motorengeräusche und ... und ... und es gab mit Sicherheit noch zehn weitere Ausreden die mir einfielen sollte er mich nun fragen ob ich taub sei. Er grinste zum Glück nur breit und ich konnte nicht ganz abschätzen ob er das nun tat weil er mich durchschaut hatte oder einfach nur nett fand das ich nachfragte „ob wir einen Kaffee trinken zum aufwärmen hatte ich gefragt" ich sah verstohlen zum Fenster raus. Ich ging davon aus, das wir auf dem Weg zu Lore und Hans waren aber das Bild der Häuser und Straßen passte nicht ganz zu der Gegend. Auch war mir gar nicht bewusst geworden wie weit wir gefahren waren. „Wohin fahren wir?" Ich richtete mich im Sitz auf und starrte schon fast zum Fenster raus. Überkam mich Angst? Panik? Oder warum klang ich so hysterisch? Was sollte mir in Marcos Gegenwart schon passieren? „Ähm, keine Sorge" hörte ich sein Lachen und schaute ihn wieder an „ich wollte dir keinen Schreck einjagen. Ich dachte mir nur, es wäre vielleicht nicht so gut wenn wir bei Hans und Hannelore total durchnässt auftauchen. Ich kenn Lore sie würde dich ins Bett packen, zudecken bis zur Haarspitze und vollpumpen mit Hühnersuppe und du hättest keine Chance zu entkommen" ich stimmte leicht und vorsichtig in sein Lachen mit ein. Er hatte voll ins Schwarze getroffen, genau so war sie und sie würde genau das mit mir machen. Wenn nicht schlimmeres! „Ein Kaffee wäre schön" sagte ich leise und nickte dazu um meiner Aussage Kraft zu geben. „Gut dann besorge ich uns einen Kaffee" wieder nickte ich und sah ab da zum Fenster raus. Solch einen Zwischenfall brauchte ich nicht nochmal. Wir verließen Ahlen und bogen auf eine Landstraße die nach Münster führte „ähm darf ich dir eine Frage stellen?"-„Sicher klar"-„wo ungefähr magst du denn den Kaffee besorgen?" er grinste und steckte mich damit an „ich möchte nur den Besten"-„aha" er schwieg und ich wartete ob noch mehr an Information kommen würde, doch sein Schweigen war sehr beharrlich. „Steigen wir jetzt in einen Flieger und gehen höchstpersönlich in Afrika die Bohnen sammeln oder sagst du es mir?" ich versuchte es so witzig wie möglich klingen zu lassen, denn als solcher war es auch gedacht, das Problem war nur das ich kein Mensch war der Witze gut erzählen konnte. Es zeigte aber Wirkung und wenn es nur aus Höflichkeit war dass er anfing zu lachen. „Den besten Kaffee gibt es nur bei Starbucks hier in der Nähe. Also fahren wir nach Münster denn dort ist der nächste Starbucks"-„Naja Afrika wäre dann auch nicht mehr so weit oder Kolumbien. Dort wäre es auch überall wärmer" ich wusste nicht wie ich es fertig brachte, aber ich kuschelte mich noch weiter in seine Jacke und war so komplett von seinem Duft umnebelt. Ich lehnte meinen Kopf an die Scheibe und schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Ich hoffte dass ich nicht wieder komische Bilder sah und da wurde mir etwas klar. An irgendeiner Stelle hatte ich mich peinlich gemacht und das war noch auf dem Friedhof als ich Marco davon abhalten wollte mich mitzunehmen weil ich auf Ralf wartete. Genau das hatte ich ihm auch an den Kopf geworfen. Ich sah wieder zu ihm rüber und sagte das erste was mir in den Sinn kam.

Ein Leben danachWhere stories live. Discover now