Teil6

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Ich machte meine Augen auf und stand vor einer halb verfallen Türe in einem Gewölbekeller. Zaghaft legte ich meine Hand gegen das morsche Holz und machte sie auf. Mir schlug Kälte und ein modriger, erdiger Geruch entgegen und im ersten Moment drückte ich mir den Handrücken vor die Nase. Ich brauchte einen Augenblick um mich daran zu gewöhnen und schluckte trocken mehrere Male. Dicke Wände aus Steinen säumten den Raum und zum Teil bedeckt mit Moos da es auch sehr Feucht war. An manchen Stellen rann Wasser, was schon lange an ein und derselben Stelle entlang gehen musste, da es helle Vertiefungen gab. Es war nicht nur ein Keller, es hatte etwas von Verlies. Folterkammer! Hämisch fing ich an zu grinsen und im nächsten Moment ging mir ein Schauer über den Rücken der mich erschaudern ließ. Kurz schüttelte es mich und ich entsann mich was ich eigentlich hier wollte. Ich ging zu dem Klapptisch der in einer der Ecken stand und verschaffte mir einen Überblick über die Dinge die da lagen. Ein Wimmern drang an meine Ohren, was sich stumpf und hol anhörte. Ich drehte mich danach um, mein Grinsen wurde breiter, ich wusste genau was ich wollte und nahm mir von dem Tisch was ich brauchte. Ich zog an der Schnur die den Motor der Kettensäge anspringen ließ. Langsam und mit einem süffisanten Grinsen ging ich auf die Kreatur zu die mich mit angstverzerrten Gesicht und weit aufgerissen Augen anschaute. Er wandte sich so weit es seine Fesseln zuließen. Denn er war mit Seilen gut fest gemacht an den Brettern die übereinander in Form eines Kreuzes waren. Ein Knebel verhinderte das Reden und Schreien. Durch die Versuche es dennoch zu tun ran Speichel an seinen Mundwinkeln runter. Er winselte und Tränen kamen ihm. Bedacht, auch wirklich nicht zu schnell auf ihn zu zugehen, machte ich nach jedem Schritt eine Pause und schwenkte die Kettensäge hin und her. Schon längst war seine Hose durchgenässt, das Schwein, konnte es einfach nicht mehr halten. Ein Geruch von saurem Urin stieg mir in die Nase und ich rümpfte sie. Ich brüllte ihm Gemeinheiten entgegen so laut es ging um den Krach zu übertönen. Doch kein Schimpfwort, keine Verfluchung oder Verwünschung stillte meinen Hass. Es gab nur eine Lösung, nur eine Antwort und nur eine Wahrheit. Sein Tod für den an Ralf. In all den Hass und diesen Willen diesem Etwas weh zu tun mischte sich eine Stimme. Vertraut und warmherzig, die ruhig auf mich einredete. Ich sah zur Seite, in die Richtung aus der die mir bekannte Stimme kam und ich sah geradewegs in Ralfs Gesicht. Milde lächelte er mich an und ich merke wie sich ein Kloss in meinem Hals bildete. Ich wollte ihn anschreien und doch war ich stumm und fing an zu weinen. Er legte seine Hand auf meinen Arm und erzählte mir, dass Rache keine Lösung sei und ich sollte an meine Zukunft denken. Ich ließ meine Arme sinken und der Motor der Säge erstarb. Die Szene vor meinen Augen veränderte sich. Weg war der dunkle Raum mit den schmutzigen Wänden und dem düsteren Licht. Weg war auch der armselige Strobel dessen Hose nass war und so jämmerlich aussah das es einem schon hätte Leid tun können. Auch waren meine Hände auf einmal leer. Ich sah an mir runter und erkannte das aus meinem festen Schuhwerk ein paar seidene Ballerinas wurden und die verdreckte Hose und Shirt wichen einem schönen Sommerkleid. Ich stand auch nicht mehr auf einem Schotterboden, sondern mitten auf einer saftig grünen Wiese. Umringt von den schönsten Blumen deren betörender Duft mir fast die Sinne raubte. Die Sonnenstrahlen fielen durch die Baumkronen der Bäume am Rand der Wiese und es war herrlich diesem Lichterspiel zuzuschauen. Ich sah Schmetterlinge und Bienen die fleißig von Blüte zu Blüte flogen. Die einen zum trinken, die anderen für ihre Königin. Ich beschloss für mich das es wohl schöner wäre ein Schmetterling zu sein. Weg war jeder Gedanke von Hass, Tod und Mord. Ich fühlte mich zufrieden, ausgefüllt und völlig harmonisch. Der Einklang zwischen der Natur und mir. Ich sah mich um und suchte nach Ralf. Er musste doch auch hier sein? Schließlich hatte er mich doch hergebracht. Doch konnte ihn nicht finden. Verzweifelt suchte ich die Schatten der Bäume ab, ob er vielleicht in einem davon zu sehen war. Doch nichts konnte ich erblicken. Nur Efeu was sich von Stamm zu Stamm wandte und so schon fast eine Mauer bildete zischen mir und der Tiefe des Waldes dahinter. Was sich eben noch als Frieden und Glücklich sein anfühlte, wich einer Leere und Trostlosigkeit. Warum war Ralf nicht hier? Er musste hier sein! Er war doch eben noch an meiner Seite und hielt mich von Dummheiten ab. In mitten der Lichtung fing ich an mich immer schneller zu drehen, in Hoffnung jeden Augenblick würde er hinter einem der Bäume vorkommen. Verzweifelt sackte ich auf den Boden und fühlte das leicht feuchte Gras unter meinen Knien. Ich schlug die Hände vor mein Gesicht und fing wieder an zu weinen. Der Schmerz war wieder da und traf mich mit voller Wucht. Das konnte doch nicht sein? Er konnte doch nicht schon wieder einfach weg sein? Er war hier bei mir, das war so und konnte doch kein Traum gewesen sein? Ich ließ mich nach hinten fallen und zog meine Beine an die Brust, eng umschlang ich sie mit meinen Armen und lehnte meine Stirn gegen meine Knie. Den Versuch meine Tränen unter Kontrolle zu bekommen gab ich auf und weinte einfach weiter hemmungslos. Mein Kleid wurde immer nasser und der Stoff presste sich schon überall an meine Haut. Der Boden unter mir fühlte sich schlammig an und mir wurde bewusst dass dies nicht von meinen Tränen her rühren konnte. Meine Haare klebten an den Wangen und mir wurde kalt. Weit in meinem Unterbewusstsein wurde mir klar dass es regnen musste. Das war mir dann auch egal und ich nahm es hin. Es passte zu meiner Stimmung und ich wünschte mir Ralf hätte mich in dem Keller gelassen. Bei Strobel und meinen Rachegelüsten. An meinen Schultern fühlte ich einen Druck und eine liebevolle Stimme flüsterte mir ins Ohr. Sie rief mich und erst dachte ich es wäre wieder Ralf der mich vielleicht doch noch holt. Wo anders hin brachte, zu einem noch schöneren Ort. Die Stimme wurde immer lauter und eindringlicher "Saskia komm schon, steh auf. Es regnet und du bist schon ganz nass!" Als wüsste ich es selbst nicht das es das tat, aber das änderte nichts an der Tatsache das ich genau hier bleiben wollte. Vielleicht kommt er ja doch nochmal, was ich auch versuchte der Stimme zu erklären "ich kann nicht weg, Ralf kommt gleich!" Eine Hand schob sich zwischen meine Knie und meine Stirn. Ich wurde gezwungen meinen Kopf zu heben "schau mich an" heftig schüttelte ich meinen Kopf. Die Hände, die mich eben noch hielten, ließen mich los und ich sackte wieder in mich zusammen. Schnell konzentrierte ich mich wieder auf die schöne Sommerwiese und schaute wieder verzweifelt um mich. Ich suchte noch einmal alles nach Ralf ab, ohne Erfolg. Plötzlich wurde es warm an meinen Schultern und am Rücken, auch fühlte ich den Regen nicht mehr. Starke Arme schoben sich in meine Kniekehlen und umschlossen meinen Rücken. Im nächsten Moment schwebte ich in einer ungewissen Höhe über den Boden. Mein Kopf fiel zur Seite und ich fühlte Wärme an meiner Wange. Herzklopfen und ein tiefer Atem rauschte in meinem Ohr. Vorsichtig öffnete ich ein bisschen meine Augen und sah von unten nach oben. Schnell schloss ich meine Augen wieder, versuchte das gesehene zu verarbeiten. Laut fing ich in meinen Gedanken an meine Liebe des Lebens zu schimpfen. Ralf hatte mir Marco geschickt um mich wohl zu holen. Warum? Was hatte das alles nur zu bedeuten? Sein Herzschlag pochte sich tief in mein Hirn und ich spürte wie es anfing mich zu beruhigen. Ich erwischte mich dabei wie ich mich enger an seine Brust schmiegte um das Klopfen noch deutlicher zu hören. Sein herbes Parfüm stieg mir in die Nase und vermischte sich mit einem weiteren Geruch nach frischer Wäsche. Leicht musste ich schmunzeln über diesen Vergleich aber es erschreckte ich auch zugleich. Nicht das was ich über den Geruch dachte, sondern viel mehr das es zu real war für einen Traum.

Ein Leben danachWhere stories live. Discover now