Teil5

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Es war nichts Besonderes, ein Handgriff wie er täglich bei Millionen von Menschen vonstatten ging. Doch hier war es anders, ganz anders. Marcos und meine Finger berührten sich für Sekunden die sich anfühlten wie eine Ewigkeit. Es knisterte und knackte, es fehlt nur noch das Funken aus dem Glas stoben. Ich sah ihn an um zu schauen ob er genau so verwundert war wie ich, doch sein Gesicht zeigte nur normale Freundlichkeit. Bildete ich mir das alles ein? Ich konnte doch nicht ernsthaft Probleme haben Realität und Fantasie auseinander zu halten? „Danke!" ich hatte Angst ich würde anfangen zu stottern so sehr war ich weg getreten. Das konnte nicht mit rechten Dingen zu gehen. Was löste er nur in mir aus? So langsam konnte ich nicht mehr dran glauben das es nur eine weit hergeholte Ähnlichkeit sein soll die mich so aus der Fassung brachte. Am liebsten wäre ich aufgestanden und so schnell meine Beine mich tragen konnten auf den Friedhof gerannt um Ralf zu schimpfen. Er sollte endlich schauen das er Flügel bekam um mich vor solch einem Blödsinn zu schützen. Ich schickte in Gedanken Stoßgebete nach oben und hoffte dass er mich hörte. Ich hatte ihm meine ewige Liebe geschworen und daran konnte auch kein alter Freund was ändern. Was dachte sich Ralf nur dabei? Ich konnte es immer noch nicht ganz verstehen wie es sein konnte das ich nie was von Fußball gehört hatte und dann kommt da auf einmal dieser ehemalige Fußballkollege an. Die drei fingen auch wieder an zu erzählen aus alt vergangenen Tagen und ich saß neben dran wie ein Statist und lauschte der Unterhaltung. Hannelore die neben mir war, legte auf einmal ihre Hand auf meinen Unterarm "da musst du dir vorstellen, es waren nur noch ein paar Minuten zu spielen und Ralf schoss den Ball zu Marco und der macht das Tor. Es war so perfekt was die zwei da gespielt haben" sie grinste wie ein Honigkuchenpferd und ich versuchte meine Mundwinkel nach oben zu ziehen. "Warum hat er aufgehört zu spielen?" ich dachte gar nicht weiter drüber nach über die Frage die ich einfach so in den Raum stellte ich wunderte mich nur über die sechs Augen die mich verwundert anschauten. "Ähm naja" stotterte Lore los und sah zu Hans rüber "hat er dir das nie gesagt?" fragte dieser mich ganz perplex "anscheint nicht, sonst würde ich nicht fragen. Er hat nie über das Thema gesprochen. Ich wusste nicht einmal das er überhaupt Fußball gespielt hatte" noch mehr staunen lag ihn den Gesichtern in die ich schaute, von einem zum anderen. "Mag sein das es jetzt für euch unverständlich ist, aber ich kann euch sagen, es ist auch für mich seltsam und unverständlich". Es war wieder Hans der sein Wort an mich richtete "ist dir nie aufgefallen das er humpelte?"-"Doch ist es mir, er meinte er sei als kleiner Junge vom Baum gefallen und es wäre nie mehr richtig zusammen gewachsen" alle starrten sie mich an als hätte ich gerade eine unglaubliche Geschichte erzählt. Hans war der erste der mich milde anlächelte und sich dann räusperte "da hat er dir aber was erzählt unser Ralf" er fing an mit dem Kopf zu schütteln und rührte gedankenverloren in seinem Kaffee. Alles schwieg und es sah so aus als würde mich keiner über die Wahrheit aufklären wollen, was mich ganz schön grollen ließ. Die Minuten verstrichen und keiner sagte auch nur ein Wort "ich gehe nun seit 5 Jahren hier ein und aus. Nächsten Monat wollte ich euren Sohn heiraten, wäre vielleicht mal jemand so freundlich und würde mich aufklären? Ihr tut ja gerade so als hätte er ein Verbrechen begangen oder aber ich bin es euch nicht wert ..."-"ist ja schon gut" Hans hob beschwichtigend die Hände in die Höhe "es war einfach nur eine große Dummheit die seine eventuelle Karriere gekostet hat" irgendwie schien es mir als würde er nun auch sauer werden. Aber nicht weil ich bohrte sondern wegen der Erinnerung und weil Ralf wohl so sein leben versaute. "Er hatte einen Unfall, doch nicht so wie ihn das leben nun kostete, sondern wegen eigener Dummheit. Er ist betrunken nach einem Spiel mit seinem Roller und einen Lkw gekommen. Es stimmt, die Rechte Hüfte ist nie richtig verheilt aber nicht weil er vom Baum gefallen ist. Er wurde zwar so wieder fit aber die Kickschuhe konnte er an den berühmt berüchtigten Nagel hängen" welch Ironie des Schicksals, war mein erster Gedanke und wortlos ließ ich meinen Kopf sinken und schaute auf meinen Teller. Ok mal ehrlich, ich konnte den Unmut vielleicht etwas verstehe, so als Eltern mag man ja doch immer nur das Beste für seine Kinder, aber das man darum solch ein Geheimnis machen muss war mir ein Rätsel. Klar war es nicht schön dass er wohl betrunken gefahren ist, aber ich würde es abtun unter *selber schuld*. Es hatte ihn ja wohl keiner dazu Gezwungen oder etwa doch? Ich schaute verstohlen in Marcos Richtung. Ich schüttelte leicht den Kopf, so ein Quatsch, dann wären wohl Ralfs Eltern nicht so gesonnen mit Marco wenn er daran Schuld tragen würde. „Es erklärt aber nicht warum ihr so tut als wäre es was ganz schlimmes, oder viel mehr er selbst"-„naja man nennt es wohl *verdrängen* er wollte es wohl selber nicht wahr haben das es nie wieder was wird mit dem Fußball" sagte Marco der bis jetzt geschwiegen hatte. Was mischte er sich da nur ein? Ich weiß nicht warum ich auf einmal solch schlechte Laune hatte, aber diese wollte ich dann doch für mich alleine haben. Mein Hunger war passe, die angebissene Brötchenhälfte auf meinem Teller bewirkte mir mehr Übelkeit als sonst was. Es hätten sich genau so gut Maden winden können. Ich hätte gern Marco eine Gemeinheit an den Kopf geworfen, das er sich da raus halten sollte, oder irgendwas in der Art. Doch mir fiel das richtige nicht ein und Streit wollte ich auch gar nicht provozieren. Ich rückte meinen Stuhl zurück und stand auf „ich brauch Luft" und ging. Lore rief mir noch was nach, doch damit konnte ich nichts anfangen, denn wirklich zuhören tat ich ihr nicht. Schon flog auch die Tür hinter mir ins Schloss, ich steckte mir meine Kopfhörer wieder in die Ohren, drehte die Musik voll auf und rannte Ziellos los. Ich rannte als würde es kein morgen mehr geben und konnte mir immer noch nicht erklären warum mich das alles so aus der Fassung brachte. Es sollte doch eigentlich egal sein! Aber es war mir einfach nicht egal. Es war eine Prinzipsache, das Prinzip warum mir Ralf diesen Teil seines Lebens, der doch wichtig gewesen sein musste, verschwiegen hat. Es war für mich nicht begreiflich. Unbewusst schlug ich die Richtung zum Friedhof ein und fand auch die Grabstelle auf anhieb. Wie hätte ich sie auch nicht finden sollen? Ich selbst hatte sie ja ausgesucht. Hatte Hannelore und Hans sogar mit Tausend Worten davon überzeugt warum es genau die Stelle sein musste und es keine andere sein dürfte. Im Sommer würde immer die Sonne drauf scheinen und selbst im Winter hätte er immer Licht. Wie blöd man doch sein konnte, um eine Grabstelle sich Gedanken zu machen. Für ein Stück Holz mit einer leeren Hülle dazwischen. Das was Ralf ausmachte, konnte nicht begraben werden, sondern war in meinem Herzen. Dennoch schien es mir als hätte ich ihn nie wirklich gekannt. Langsam ging ich auf das Grab zu und stellte direkt fest wie viel Mühe sich die Friedhofsgärtner gemacht hatten. Blumenkränze, Gestecke und einzelne Blumensträuße bedeckten die ganze Erde und alles in seinen Lieblings Farben. Ich betrachtete jede einzelne Blume bis ins kleinste Detail, jede Schleife las ich Wort für Wort und entdeckte dann eine kleine Grabschale mit rot weißen Blüten und mehreren Banner dran 'Du warst der beste ... Mannschaftskapitän ... Deine Kameraden ... des rot weiß Ahlen' sogar hier, Spuren dieser Vergangenheit! Er war nicht nur einfach Spieler und ich überlegte mir ob ich das überhört hatte in dem Gespräch zwischen Lore und Marco. Denn das er Kapitän war der Mannschaft, war für mich noch eine neue Information. Ich ging erst in die Hocke, um mich dann doch direkt vor das Grab auf den Boden zu setzen. "was soll die Scheiße? Warum hast du mir das nicht erzählt? Warum erfahre ich so etwas banales jetzt erst? Warum hast du mich angelogen? Du hättest mir das doch erzählen können? Aber nein das muss ein Geheimnis sein und ich steh da wie klein doof und dann steht da plötzlich ein alter Freund von dir und ich bekomme die Augen nicht mehr weg von ihm. Warum musste so was Dummes nur passieren? Hättest du nicht früher oder später fahren können? Dann wäre das Arsch schon durch gewesen oder ... oder ... oder ... oh man Ralf warum hast du mich nur alleine gelassen?" Ich zog meine Knie an und fing an zu weinen. Dicke schwere Tränen flossen mir über die Wangen und ich wünschte mir jemand wäre da um mich fest zu halten. Ich würde so gerne noch einmal mit ihm reden, aber das wurde uns einfach genommen. Wieder brodelte dieser Hass in mir auf und Bilder schoben sich vor mein geistiges Auge die jedem Horrorautor das Blut in den Adern gefrieren lassen würde.

Ein Leben danachWhere stories live. Discover now