Das Bild und die Zwillinge

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Erstaunt schaut Page auf das rechteckige Etwas vor sich. "Was ist denn das?" will sie neugierig wissen.

"Pack es doch aus, dann siehst du es." gespannt schaue ich ihr zu, wie sie das Geschenk entgegen nimmt und vorsichtig das Papier zu entfernen beginnt.

"Hast du das gemacht?" will sie wissen.

"Ja, in der Schule." ich hoffe so, dass es ihr gefällt. Es soll immerhin ein Dankeschön dafür sein, dass ich herkommen durfte und sie einfach ein so lieber Mensch ist.

Unsicher verschränke ich die Hände hinter dem Rücken und drücke die Daumen. Bitte! Bitte! Lass es ihr gefallen.

Bevor Page endgültig das Einwickelpapier entfernt, schaut sie mich noch mal forschend an, dann schlägt sie es zur Seite.

Ihre Augen werden riesen groß und ihr Mund öffnet sich erstaunt. Aber sie sagt kein Wort. Sie Blickt auf das Bild, dann mich an, dann wieder auf das Bild, dann wieder mich.

"Das hast wirklich du gemacht?" fragt sie ehrfürchtig.

"Ja, gefällt es dir?" unsicher blicke ich sie an. Man, was ist, wenn sie es scheußlich findet? Wie konnte ich ihr nur das Bild geben. Ein Bild ist viel dauerhafter als Musik. Wenn ich mich verspiele ist der Ton im nächsten Moment schon wieder vorbei aber ein Bild hält für Immer. Für Ewigkeiten oder auch nur für einen Augenblick, wenn man es zerstört. Aber wenn niemand es beseitigt, können selbst die Kinder meiner Kinder und selbst deren Kinder sich von der Unvollkommenheit ihrer Ururur und noch mehr Ur..Großmutter überzeugen.

Vorsichtig fährt Page über die Gesichter jeder einzelnen Person. Über das von ihrem Mann, das von Felix, von Lena und über die der Zwillinge. Ganz zum Schluss über das von Ian, bei dem sie verweilt.

"Und das hast du nur aus dem Gedächtnis gemalt, nachdem du das eine Mal hier warst?"

"Ja, ich weiß, dass die Zwillinge etwas anders aussehen, aber besser habe ich es nicht hinbekommen." sage ich verlegen.

"Ganz ohne Foto?" fragt sie weiter.

Ich weiß nicht worauf sie hinauswill, aber ich nicke zustimmend.

Sie stellt das Bild vorsichtig auf dem Boden ab und steht auf, dann nimmt sie mich erneut in den Arm.

"Das Bild ist wirklich toll geworden." ergriffen räuspert sie sich. "Das bekommt einen Ehrenplatz im Wohnzimmer!"

Was ! Oh nein!

"Bitte nicht!" flehe ich sie an.

"Aber warum denn nicht?" fragt sie erstaunt.

"Es ist doch nichts besonderes, nur eine kleine Spielerei! Ich wollte dir nur eine Freude machen. Aber ich möchte nicht, das es jeder sieht." erkläre ich zerknirscht.

"Mia, du erstaunst mich immer wieder! Wie kannst du nur so schlecht von dir denken?" Page schiebt mich von sich und hält mich an den Schultern fest, dann schüttelt sie verärgert den Kopf.

"Du glaubst, das deine Musik nicht gut ist, du denkst das du nicht gut malst, du glaubst, das deine Eltern dich nicht lieben und vielleicht hältst du es auch für unwahrscheinlich, das dich jemand anderes lieben oder mögen könnte, aber..." sie holt tief Luft. "das ist alles Idiotisch!" entfährt es ihr. "Du spielst so wundervoll, so gefühlvoll Klavier, das es einem eine Gänsehaut verpasst und das man direkt fühlt, was der Komponist mit seiner Musik sagen wollte und dieses Bild..." erneut wirft sie einen Blick darauf. "Wenn du nach nur einem Blick solch exakten und detailreichen Porträts herstellen kannst, dann möchte ich gar nicht erst wissen, wie perfekt alles andere von dir aussehen würde, wenn du ein Foto oder eine Landschaft vor dir hättest. Und ob du es glaubst oder nicht, ich bin sicher das dich deine Eltern über alles lieben, ganz gleich welchen Grund sie auch gehabt haben mögen dich zu uns zu schicken." Sie schaut mir fest in die Augen und schüttelt mich leicht. "Und ich muss dir noch etwas sagen! Ich bin wirklich froh, dass ich dich kennen gelernt habe! Für mich und für Ian!" sagt sie bestimmt.

✔All I want is... YouWhere stories live. Discover now