38 - Not-existing help

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Jeongin Pov

Tatsächlich. Als ich meine Hand nach dem Fremden ausstreckte, tat er das gleiche. Leise, fast ein wenig verbittert kicherte ich und schlug mit der Faust auf den Boden.

Zu meinem Erstaunen war ein kleiner Riss entstanden, als ich meine Hand wegzog. Der musste schon davor dort gewesen sein. Mein Verstand musste mir einen Streich spielen. Ich könnte nicht mit meiner bloßen Faust einen Riss in einen Stein schlagen, der so hart war.

Vorsichtshalber ließ ich meine Faust nochmals auf die Stelle sausen. Erneut brach etwas und ich hörte ein knackendes Geräusch. Doch nicht der Stein hatte geknackt, sondern meine Hand. Hatte ich mir jetzt wirklich auch noch einen Knochen gebrochen?

Ich seufzte, als ich über die Stelle fuhr, die langsam anzuschwellen begann. Enttäuscht schüttelte ich den Kopf, richtete mich mühsam auf und begann zu laufen.

Nur noch ein bisschen dachte ich mir jedes Mal, doch wenn ich dann meinen Kopf hob, bemerkte ich, dass es noch endlos nach oben ging.

Hyunjin Pov

Einfach nur, weil ich ihn mochte. Weil ich ihn mochte, war er dort.

Es waren mindestens zehn Tage vergangen und noch immer hatte ich keine Ahnung, nicht einmal einen blassen Schimmer, wie ich Jeongin befreien könnte. Ich wusste zwar, was das Mictlan war, doch ich hatte mich nie näher damit beschäftigt. In manchen Punkten war ich wirklich ein sehr schlechter Herrscher. Jedenfalls wusste ich nicht, wie von aus diesem Ort wegkommen könnte.

Schon wollte ich mich auf den Weg in die Bibliothek machen, in der ich schon jeden Tag nach Informationen gesucht hatte, als ich ihn plötzlich vor mir sah.

„Sieh vor dich. Niemals zurück. Achte auf deinen Weg. Pass auf dich auf." Für einige Sekunden konnte ich seine Angst spüren, wie sie durch Jeongins Adern pochte und ihn dazu zwang, auf den Boden zu fallen. Er wurde schwach, weil ich bei ihm war. Ich sah mich um und erblickte die Steinwände, die auf ihn zukamen.

„RENN! BITTE- RENN!" Schrie ich verzweifelt, doch fühlte nur die heißen Tränen, die über seine Wangen rannen.

„ICH BRAUCHE DICH- HÖRST DU! BITTE LAUF!" Meine Atmung stockte und ich konnte kaum Luftholen, als ich mich in den Boden krallte. „BITTE JEONGI-" Er hatte seine Augen geschlossen und ich sah nichts mehr, bis ich meine eigenen öffnete. Der Steinboden war mir gefährlich nahe. Würde er doch nur laufen. Er musste einfach. Irgendwie wusste ich, dass er mich nicht gehört hatte, vielleicht einen Satz, aber mehr nicht.

Unsere Bindung war also stark genug, um mich manchmal bei ihm sein zu lassen.

Ich musste jetzt los in die Bibliothek und nachsehen, was ich heute über diese Unterwelt herausfinden könnte.

Wenn ich sonst den riesigen Raum mit Büchern betreten hatte, umfing mich damals eine Nostalgie. Doch heute war ich einfach nur zerstört. Die friedliche, leere Ruhe um mich herum zerstörte mich nur noch mehr. Die leeren Reihen an Bücherregalen waren nicht entspannend, sondern sie machten mir Angst. Die Leere kam der in meinem Herzen gleich. Jetzt, da ich auch noch gesehen hatte, was mein Jeongin durchmachen musste, konnte ich mich nicht mehr aufrecht bewegen. Ich brauchte einen Ausweg, eine Lösung. Aber es gab keine. Heute Abend sollte ich vielleicht nicht allein in meinem Tempel schlafen. Vielleicht würde mich einer der anderen aufnehmen. Eilig streifte ich durch die Regale mit Büchern, bis ich nach etlichen, qualvollen Minuten einen Band mit der richtigen Aufschrift fand.

„Mictlan" wisperte ich leise und schluckte schwer. Schwerfällig ließ ich mich auf den Fußboden sinken und lehnte mich an das Regal, um die Rindenscheiben auseinanderzufalten. Die vertrauten Zeichen erwarteten mich. Verschnörkelt und so schön, mit einer ganz anderen Bedeutung als man erwarten würde. Fein säuberlich reihten sie sich nahe aneinandergepresst auf dem Holz nebeneinander.

„Das Mictlan besteht aus neun Leveln- nein- am Ende kommt man in den Zustand des- auch nicht richtig." Ich blätterte geschwind weiter. Das alles wusste ich schon.

„Jemand kam aus dem Mictlan frei- endlich." Aufgeregt begann ich zu lesen. Leider eine Enttäuschung. Noch keiner in diesem Buch hatte es geschafft, aus dieser Hölle zu entkommen.

Nach Stunden legte ich alles zur Seite und ließ dem angestauten Frust freien Lauf. Ich schrie so laut ich konnte, doch meine Laute gingen in einem schwächlichen Wimmern unter. Wieso hatten sie mir meinen Jeongin genommen? Vielleicht sollte ich doch einen der anderen Herrscher aufsuchen, die ihn entführt hatten. Oder ich müsste noch mehr Bücher lesen.

Schon wollte ich wieder verzweifeln, als ein Junge um die Ecke eines Regals gelaufen kam. Er bewegte sich langsam und vorsichtig, so als wolle er nicht auffallen.

„Was tust du hier?" Der Braunhaarige drehte sich um. Seine Haut war von der Sonne geküsst, aber doch schien sie noch im dämmrigen Licht zu schimmern.

„Nach Informationen suchen? Ich sollte nicht hier sein." Murmelte er und trat näher zu mir. „Und du?"

„Ich bin der König dieses Tempels und ich brauche einen Ausweg aus dem Mictlan." Knurrte ich.

„Da kann ich vielleicht helfen, wer ist denn dort?" Plötzlich wurde ich hellhörig.

„M-mein- äh- er heißt Jeongin." Mein Gegenüber nickte.

„Und er ist gestorben?" Verzweifelt schüttelte ich den Kopf.

„Er wurde praktisch verbannt. Wie, muss ich auch noch herausfinden."

„Sehr merkwürdig, davon habe ich noch nie gehört."

...........

Meinem überforderten Geist hatte das Gespräch mit dem Jungen ein wenig geholfen, doch es würde noch etwas geben, dass mein Gehirn vollkommen reinwaschen würde.

Unten im Dorf betrat ich ein kleines, unscheinbaren Haus. Einige freundliche Männer und Frauen begrüßten mich, doch ich setzte mich irgendwo weit hinten in eine Ecke.

„Einen Ixtac Octli bitte." Bat ich den Herren am Feuer und er reichte mir einen hübschen Becher, in Form eines Affen, in dem sich die weiße, wohlriechende Flüssigkeit befand. In einem Zug stürzte ich das süßlich, säuerliche Getränk hinunter und fühlte mich sofort besser.

„Noch etwas anderes?" Fragte eine Dame neben mir und ich verneinte.

„Noch einen Ixtac Octli." Sie lächelte mich an und sah zu, wie ich den nächsten Becher in mich kippte. Meine Umwelt begann sich leicht zu drehen, doch das Gefühl ließ schon wieder nach. Auf einmal wurde ich gepackt und nach draußen in die Nacht geschleift.

„Was fällt dir ein." Grollte eine ziemlich gefährlich klingende Stimme, dann traf mich eine Faust. Ein weiterer Schlag, dann war es genau. Mit einer einfachen Handbewegung brachte ich meinen Gegenüber zum Schweigen und Innehalten

„Ich gehe jetzt, lass mich in Ruhe, ich habe dir nichts getan." Mit diesen Worten war ich verschwunden. Es war klar, dass Chan mich noch irgendwann finden würde. Ich beschloss, dass es doch besser war, allein zu sein und ging nach Hause, in meinen Tempel.

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Journey of the Flower PrinceWhere stories live. Discover now