15 - Familiar

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Jeongin Pov

Ich schreckte auf und saß auf erhöhter Position, konnte aber meinen Kopf nicht drehen. Ich sah unser Lager, dann änderte sich das Bild. Unter den Kronen hoher Bäume saß ich auf einem Ast, unter mir gingen die Männer, die ich letztens so unschön kennenlernen musste.

„Sie waren es, richtig? Sei vorsichtig, sie sind nicht weit weg." Flüsterte jemand leise. Ich sah den einen mit einer Machete auf einen besonders schönen Busch zu stapfen, dann hob er seine Waffe. Ich wollte schreien, doch nur ein kaum hörbarer, erbärmlicher Laut verließ meine Kehle. Grünlicher, fast giftig wirkender Saft trat aus dem durchtrennten Ast und verteilte sich auf dem Boden. Aus der Lache sprossen sofort neue Pflanzen, die den Weg nur noch weiter versperrten. Die Männer traten zurück, wurden aber praktisch von den Büschen verschluckt. Ranken legten sich um sie, dann sah ich nichts mehr.

„Erlaubt euch keinen falschen Tritt." Säuselte eine hinterlistige Stimme, die eher weiblich klang.

„Wieso-" Meine Worte wurden unterbrochen und ich wachte nach Luft ringend auf. Ich hustete einige Male, dann floss das Wasser aus meinem Mund. Oder war es Blut? Keine Ahnung. Meine Lider flatterten ungesund und ich sank wieder zurück in die Hängematte. Verdammt, konnte nicht ein Tag irgendwie gut verlaufen? Ohne irgendwelche Zwischenfälle, die uns belasten würden? Wahrscheinlich nicht. Seufzend ließ ich mich dazu verleiten, mich komplett zu entspannen und einfach liegenzubleiben. Ich müsste die anderen warnen, dass sie nichts anfassen sollten.

Im nächsten Augenblick war ich aufgesprungen und bemerkte meine schmerzende Schulter. Ich strich kurz über den Verband, wie, als wolle ich die Wunde besänftigen, tatsächlich ging es mir kurz besser. Noch seltsamer.

„Chan, Changbin?" Fragte ich, doch die beiden meldeten sich nicht. Vorsichtig setzte ich mich auf und bemerkte sogleich, dass ich keine Schuhe trug, weshalb ich diese erst noch finden musste. Ich sah sie an einem benachbarten Baum stehen. Eilig stand ich nun auf, noch immer kein Zeichen der anderen. Ich müsste sie suchen gehen, aber vorher sollte ich hier eine Nachricht hinterlassen, falls sie wiederkommen würden. Aus einem meiner Bücher riss ich ein Blatt, auf das ich eine kurze Nachricht krizelte.

-Bin euch suchen. Vom Lagerplatz zwischen den zwei höchsten Bäumen durchgegangen. Seid sehr vorsichtig, der Wald ist giftig geworden. Jeongin-

Damit war alles gesagt. Ich legte die Notiz nach einigem Überlegen nach dem geeigneten Platz in meine Hängematte. Ich konnte nur hoffen, dass es nicht regnete, sonst würde das Papier aufweichen. Ich war schon einige Schritte gegangen, als ich bemerkte, dass auch Wind das Blatt wegtragen könnte, weshalb ich es unter einen Stein klemmte. Das sollte reichen. Jetzt musste ich aber auch wirklich los. Zuerst versuchte ich nachzusehen, ob irgendwelche Fußspuren erkennbar waren, doch ich fand einfach nichts. Schlussendlich nahm ich einfach die gesagte Himmelsrichtung und lief so vorsichtig wie nur möglich durch den dichten Regenwald.

Vielleicht könnte ich ja auch so eine Verbindung zu der Stimme aufbauen, die immer so gute Ratschläge gab.

„Hallo, wo bist du?" Versuchte ich es. Eigentlich eine komplett sinnbefreite Idee, wenn ich dachte, dass alles nur eine Halluzination war. Manchmal dachte ich einfach nicht nach. Ich schüttelte mich mehrmals, dann ging ich weiterhin in eine Richtung, so gut es ging. Nach etlichen Minuten hatte ich noch nichts und niemanden gesehen. Ich nahm die Wasserflasche von meinem Gürtel, die ich noch rechtzeitig dort befestigt hatte. Auch meinen Rucksack hatte ich bei mir, genauso wie die Waffe. Ein Knirschen kam aus dem Unterholz, als ich gerade etwas trinken wollte. Ich nahm mein Messer und hielt es vor mich, als ein niedlicher Papagei auf mich zugehüpft kam. Der bunte Vogel legte den Kopf schief. Ich lachte leise und steckte mein Messer weg, dann ging ich ganz langsam in die Knie. Das Tier schreckte zuerst zurück, hüpfte dann jedoch wieder auf mich zu. Ich hatte einen kleinen Beutel mit getrockneten Früchten dabei, eine oder zwei davon könnten dem Ara nicht schaden. In sehr langsamen und bedachten Bewegungen zog ich das Beutelchen hervor und nahm eines der Fruchtstückchen. Der Papagei machte einen freudigen Laut, dann sprang er das letzte Stück zu mir und fraß sofort. Ich hatte ihm definitiv mehr als zwei Stückchen gegeben, aber den Vogel machte es glücklich, was mich ebenfalls lächeln ließ. Ich hatte mich bereits auf dem Waldboden niedergelassen.

„Na Kleiner, willst du dich zeichnen lassen, wie du da sitzt? Wie süß." Der Papagei schien nichts tun zu wollen und saß mir einfach Modell.

„Que mono!" Krächzte der Papagei auf Spanisch, so wie ich es ihm gesagt hatte.

„Ja, du bist süß." Kicherte ich und er imitierte ein ähnliches Geräusch. Schon längst hatte ich meinen Bleistift gezückt und zeichnete freudig.

„So Süßer, jetzt sind wir fertig." Meinte ich und strich ihm sanft über das weiche Köpfchen. Wieder wiederholte er mein letztes Wort.

„Listos." Ich richtete mich auf, woraufhin der Vogel losflog. Ich dachte schon, er wollte wegfliegen, doch er setzte sich sehr elegant auf meine Schulter.

„Na gut, dann kommst du eben mit." Ich hielt ihm noch ein Stück Frucht hin und setzte dann meinen Weg fort.

Als ich nach einigen Stunden nichts als tiefsten Dschungel gefunden hatte, kehrte ich schweren Herzens um. Bestimmt waren sie schon beim Lager und suchten mich jetzt.

„Hey Kleiner, kannst du mal nachsehen, ob du etwas siehst von da oben?" Zwar wusste ich, dass mich der Papagei nicht verstehen konnte, doch er saß noch immer auf meiner Schulter und vielleicht konnte er sich ja aus meiner Geste etwas nehmen. Ich zeigte auf die Blätter über uns und er flatterte los. Oben krächzte er laut und flog dann vor meiner Nase herum und kurz darauf in eine bestimmte Richtung. Noch immer sehr bedacht darauf, keiner Pflanze zu schaden, zwängte ich mich zwischen den dünnen Stämmchen von verschiedensten Palmen und Bäumchen hindurch. Die großen Blätter hingen manchmal so knapp über dem Boden, dass ich kriechen musste, um unter ihnen hindurchzukommen. Sie könnten so schnell reißen und ich hatte komischerweise Angst, genauso wie die Männer in meinem Traum zu enden. Fast war ich dort, wo der Papagei nach mir rief, als eine Schlange vorbeizischelte. Ich glaubte ein orangenes Ende zu sehen, doch ich musste mich getäuscht haben.

Endlich konnte ich mich wieder aufrichten, auf meinen Füßen stehen. Vor mir lagen einige Körper auf dem feuchten Boden. Sie kamen mir sehr bekannt vor.

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Saranghaeyo~

Journey of the Flower PrinceWhere stories live. Discover now