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Er sah so schwach aus, so erbärmlich. Er wirkte so fremd, obwohl ich die Person war, die ihn am besten kennen sollte. Man sah, dass etwas ihn fertig machte, dass er nicht mehr durchhielt, dass er sich aufgab.

Seine Gefühle und Sinne steuerten ihn. Er hatte die Kontrolle verloren. Es fühlte sich so, als würde ich seine Schmerzen ebenfalls empfinden können. Dieses Stechen im Herzen, diese Kälte, diese Angst. Seine Kraft war wie verschwunden und er fühlte sich schwach.

Ich konnte und wollte es auch nicht, für ihn Mitleid zu verspüren. Er hatte es verdient. Er hatte den Schmerz, das Karma für seine schlechten Entscheidungen und dafür, dass er die Kontrolle über sich selbst verlor, verdient.

Warum ließ er dies zu? Warum war er so blöd und ließ seine Gefühle die Oberhand von ihm übernehmen? Er hatte sich nicht genug anstrengt. Seine Gefühle waren zu stark, was dazu führte, dass er egoistisch handelte.

Seine dunklen Augen trafen auf meine und es tat weh. Es tat weh, zu sehen, wie er an sich zweifelte. Dieses bereuen. Er wollte anders handeln. Er wollte dies nicht tun, doch er war zu schwach gewesen. Meine Augen schweiften runter auf das Waschbecken, weg vom Spiegel.
Ich ertrage es nicht länger, ihn zu sehen. Mein Spiegelbild.

Ihr Blut war nicht mehr an meinen Lippen, jedoch lag der Geschmack noch auf meiner Zunge. Ich hatte immer noch das Verlangen mehr zu trinken, aber ich hatte mich unter Kontrolle.

Wie konnte mir das passieren? Warum musste ich die Kontrolle verlieren? Mein Blick wanderte wieder auf mich. Erbärmlich. Ich fühlte mich so leer, so voller Schmerzen. Wie ein Stich in meinem Herzen.

Hätte ich ihr mein Blut nur eine Sekunde zu spät gegeben, wäre sie mit meinem Blut in ihrem Organismus gestorben und hätte sich in einen Vampir verwandelt. Ich hätte sie zu einem Monster gemacht. Sie müsste mit dieser unerträglichen Bürde leben. Beinahe hätte ich sie getötet.

Es klopfte an die Tür und ich zuckte zusammen. „Sie ist wach." Felix tiefe Stimme klang genervt und kalt. Nach seinen Worten hörte ich, wie er wieder ging. Sie wollte mit mir reden. Sie wollte mich sehen, nachdem dies...passiert war.

Ich verstand sie nicht. Sie war so anders. So eine Person hatte ich noch nie getroffen. Mein Block wanderte zu meinem Spiegelbild und ich konnte nicht anderes, als eine fremde Person vor mir zu sehen. Ein Monster.

Ich atmete einmal tief ein und verließ das Badezimmer und blieb vor ihrer Tür stehen. Ich zögerte. Wahrscheinlich deswegen, weil ich nicht ihren Schock, ihre Angst vor mir in ihren Augen sehen wollte. Was ich ihr angetan habe. 

„Minho? Komm rein." Ihre sanfte Stimme konnte ich durch die Tür hören und griff zitternd zur Klinke. Als ich ihren Raum betrat, kam mir sofort ihr süßlicher Geruch entgegen. Sie lag auf ihrem Bett, eingerollt in einer warmen Decke.

Ihre Haut war blass und sie sah schwach aus. Mein Blick wanderte zu ihren Augen, vor denen ich so viel Angst hatte, dass sie mich fürchteten. Jedoch waren sie so sanft und so liebevoll. Kein Anzeichen von jeglicher Angst oder Furcht. Sie sah mich besorgt an und ich verstand es nicht.

Es ließ mich durchdrehen. Wie konnte man keine Angst vor einem Monster haben? Ich habe sie verletzt und trotzdem sah sie mich an, als wäre ich ein Engel. Als wäre ich jemand, der nicht mal einer Fliege was zu leide tun würde, doch damit lag sie falsch. Warum sollte sie sowas denken, nachdem ich ihr Blut getrunken hatte, sie angriff, verletzte?

Dann plötzlich lächelte sie und mein Herz blieb stehen. Es war wie ein Puzzleteil am falschen Platz. Es sieht von der Farbe, von der Form und von der Größe nicht so aus, als würde es passen, trotzdem lag es neben den anderen. Alles machte keinen Sinn. Es widersprach sich von selbst, trotzdem passte es mit den anderen zusammen. Wie etwas was man nicht verstehen, nicht glauben kann, es aber auf jeden Fall so ist.

Dancing in Nightmares | Minho Vampire ffWhere stories live. Discover now